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Interview mit zwei Grünen„Wir müssen jetzt Themen setzen“

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Im Gespräch mit zwei Grünen: Anne Lütkes leitet den Aufsichtsrat der Stadtwerke (SWK), Lino Hammer den der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB).

Köln – Anne Lütkes leitet den Aufsichtsrat der Stadtwerke (SWK), Lino Hammer den der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Michael Fuchs sprach mit beiden über die neue Rolle der Grünen, Klimaschutz und die Zukunft des Stadtwerkekonzerns.

Frau Lütkes, Sie führen den SWK-Aufsichtsrat als erste Frau, als erste Grüne. Sind die Grünen endlich da angekommen, wo sie hinwollten?

Lütkes: Solche Ämter sind ein Ausdruck unserer politischen Erfolge. Dass wir stärkste Fraktion im Rat geworden sind, ist Ergebnis einer langen gesellschaftlichen Entwicklung, aber auch guter grüner Arbeit. Insofern erfüllt es mich mit Freude und einem gewissen Stolz, dass Grüne in vielen städtischen Gesellschaften den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen durften.

Herr Hammer, Sie sind Maschinenbau-Ingenieur, wollten als Kind Lokführer werden. Seit 2014 sind Sie Mitglied im KVB-Aufsichtsrat, jetzt leiten Sie ihn sogar. Geht für Sie ein Traum in Erfüllung?

Hammer: Das wäre zu viel gesagt. Es war vorher nie mein Ansinnen, Vorsitzender zu werden. Aber die Wähler haben den Grünen eine verantwortungsvolle Rolle zugeschrieben. Wir sind für bestimmte Themen wie die Verkehrspolitik gewählt worden. Da war es für mich selbstverständlich, mich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen.

Sie verkörpern verschiedene Generationen Grünen-Politiker. Was hat sich gegenüber früher verändert? Wie sehen Sie die neue Rolle der Grünen?

Hammer: Wir sind nicht mehr das Korrektiv, das sich an anderen abarbeiten muss, um das Beste herauszuholen. Wir sind jetzt diejenigen, die die Themen setzen können und müssen. Dieser Rollenwechsel ist eine Herausforderung, gerade für eine Partei, die sich selbst immer als Korrektiv begriffen hat. Aber wir haben in unserer Geschichte ja schon häufiger Rollenwechsel hinbekommen.Lütkes: Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir früher im Rat um Anerkennung und gleiche Rechte kämpfen mussten. Wir hatten 1989 bereits elf Ratsmandate, aber wenn Grüne die Hand hoben, um eine Frage zu stellen, ging ein Stöhnen durch den Saal. Wir hatten schon damals die Gewohnheit, nicht nur den Finger in die Wunde zu legen, sondern eigene Lösungsvorschläge anzubieten. Das war für SPD und CDU oft anstrengend. Die waren lange Zeit nicht bereit, sich auf grüne Inhalte einzulassen. Diese Frage stellt sich heute nicht mehr.

Hat es die heutige Generation der Grünen leichter, weil die Älteren den Weg bereitet haben?

Hammer: Durchaus. Die Themen sind ja oft noch dieselben wie früher, sei es Klimaschutz oder autofreie Stadt. Aber das sind keine Kampfbegriffe mehr, diese Themen reichen heute bis weit in die Mitte der Gesellschaft. Nur: Da alle anderen Parteien sie jetzt auch für sich entdeckt haben, müssen wir weiterhin dafür kämpfen, diese Themen auch in unserem Sinne der Grünen umzusetzen und nicht nur als Wischi-Waschi-Variante.

Zu den Personen

1990 wurde Anne Lütkes (72) Mitglied der Grünen. Sie war grüne Fraktionschefin im Stadtrat und erste grüne Bürgermeisterin Kölns. Von 2000 bis 2005 amtierte sie als Ministerin für Justiz, Frauen, Jugend und Familie in Schleswig-Holstein, von 2010 bis 2017 als Regierungspräsidentin in Düsseldorf. Die Rechtsanwältin war Schatzmeisterin von Unicef Deutschland , sie ist Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerks.

1987 kam Lino Hammer (33) in Duisburg zur Welt. Er lebt seit 20 Jahren in Köln. Ab 2008 war er im Vorstand der grünen Jugend. 2013 rückte er in den Stadtrat nach, seit 2014 ist er Sprecher für Mobilitätspolitik. Nach dem Maschinenbaustudium arbeitete er als Konstrukteur bei einem Autozulieferer in Ratingen. 2018 wurde er Fraktionsgeschäftsführer, als Jörg Frank das Amt im Zuge der Stadtwerke-Affäre niedergelegt hatte.

Im Aufsichtsrat von SWK und KVB gab es oft Krach zwischen Eigentümern und Arbeitnehmern. Wie gehen Sie vor?

Lütkes: Ich bin sofort auf die Arbeitnehmervertreter zugegangen, wir haben einen regelmäßigen Austausch vereinbart. Ich bin eine Freundin des offenen Wortes. Dann muss man auch bereit sein, anderen zuzuhören und zu sehen, wie man gemeinsam Kompromisse finden kann.Hammer: Klimawende, Energiewende, Verkehrswende – SWK und KVB stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Ein Gegeneinander können wir uns gar nicht erlauben. Das gilt für die Eigentümerseite – bei den großen Linien muss die Politik im Stadtrat an einem Strang ziehen, wenn sie dicke Bretter bohren will. Und genauso gilt es in den Aufsichtsräten, wo Eigentümer und Arbeitnehmer nur gemeinsam viel erreichen können.

Hat die SWK-Holding genug Einfluss auf ihre Gesellschaften? Oder führen die ein zu großes Eigenleben?

Lütkes: Das Prinzip der starken Töchter innerhalb der SWK-Holding wird auch von den Grünen nicht bestritten. Die Frage ist aber, inwieweit die Holding in Zukunft stärker steuern muss, damit man die großen Herausforderungen als Gesamtkonzern besser meistern kann. Das untersuchen wir jetzt. Diese Frage muss in einem transparenten Prozess mit der SWK-Geschäftsführung, den Vorständen und Aufsichtsräten der Einzelgesellschaften und dem Stadtrat beantwortet werden.

Brauchen die SWK eine hauptamtliche Geschäftsführung?

Lütkes: Das werden wir in Ruhe klären. Das ist keine Frage, die man unter Zeitdruck beantworten sollte. Aber man muss sie beantworten – in einem ordentlichen Verfahren. Mit mir wird es keine Kungelei geben.

War die Börschel-Affäre der Sündenfall der Kölner Grünen?

Lütkes: Wir stehen für saubere Verfahren. Das Problem war, dass sich die Beteiligten nicht an diese Prinzipien gehalten haben. Die Grundidee, sich die Management-Struktur des sehr gut arbeitenden SWK-Konzerns anzusehen, ist ja nicht falsch. Falsch war, dass man im Hauruck-Verfahren eine Person auf einen neu geschaffenen Posten hieven wollte. Das war unmöglich.Kritiker bemängeln, dass die Stadtwerke beim Klimaschutz hinterherhinken.

Die grüne Basis macht Druck. Wie radikal wollen Sie in Ihren neuen Positionen handeln, um das Thema voranzubringen?

Hammer: Die KVB-Bahnen fahren seit 2018 bereits alle mit Öko-Strom, auch die Busflotte wird sukzessive auf elektrische Antriebe umgestellt. Außerdem ist das Unternehmen schon seit langem nach der EG-Öko-Audit-Verordnung zertifiziert. Natürlich kommt auch der KVB im Zuge der Mobilitätswende eine Vorreiterinnenrolle zu, so dass man auch schauen muss, in welchen Bereichen wir hier noch schneller werden können.Lütkes: Gutachten, Papiere und Handlungsvorschläge zur Bewältigung der Herausforderungen der Klimawende liegen seit langem vor. In unserer Verantwortung liegt es, jetzt in 2021 zügig zu Entscheidungen zu kommen. Allerdings bedarf es auch der guten Vermittlung der notwendigen Schritte, sei es in die Konzerngesellschaften hinein, sei es in die Zivilgesellschaft. Aber: Der Zeitstrahl ist kurz.

Ein Bürgerbegehren fordert, dass die Rheinenergie ab 2030 nur noch klimaneutralen Strom liefern soll. Das städtische Unternehmen sieht dadurch seine Zukunft bedroht. Was sagen Sie dazu?

Lütkes: Die Rheinenergie ist von enormer Bedeutung für die Stadt und darf nicht vor die Wand gefahren werden. Als Grüne sind wir in der Verantwortung, gemeinsam mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens und allen Akteuren einen Transformationsweg hin zur Klimaneutralität von Köln zu finden. Strom ist nur ein Teil davon. Die Rheinenergie muss sich ohne Zweifel deutlich ambitioniertere Ziele setzen als bisher. Aber Klimaneutralität ist keine Aufgabe, die sie allein erfüllen kann, hier sind alle Unternehmen und die Bürger gefragt. Ganz Köln muss sich bewegen.Hammer: Klimaneutralität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der KVB kommt dabei eine große Rolle zu. Wir investieren in neue Bahnen und Busse sowie die Barrierefreiheit von Haltestellen, um den Nahverkehr attraktiver zu machen. Natürlich braucht es auch bessere Fahrradinfrastruktur und Platz für neue Mobilitätsangebote wie E-Roller. Bei all dem muss jetzt gelten: nicht nur einen Minimalkonsens anstreben, sondern auf dem Weg zur Klimaneutralität zügig so viele konkrete Schritte wie möglich umsetzen.

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Das wird viel Geld kosten. Dafür braucht die Stadt auch die Gewinne der Rheinenergie…

Hammer: Sicher. Daraus wird ja unter anderem das Defizit der KVB bezahlt. Auf dem Weg zur Klimaneutralität brauchen wir die Rheinenergie und die Stadtwerke als Partner. Wir sind im SWK-Konzern auch auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern, um wegfallende Erlöse zu ersetzen. Bei der KVB benötigen wir aktuell weitere Hilfen von Bund und Land, um die Corona-bedingten Mindereinnahmen auszugleichen. Alleine werden wir das nicht stemmen können.