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Interview mit Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp„Dann gehen wir in die Insolvenz“

Lesezeit 6 Minuten
Rheinenergie Steinkamp

Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp

  1. Dr. Dieter Steinkamp (60) ist Vorstandschef der Rheinenergie AG und leitet die Geschäftsführung der Stadtwerke.
  2. Im Rundschau-Interview sprach er über Ökostrom, Klimaschutz und das geplante Bürgerbegehren.

KölnDie Rheinenergie gehört zu 80 Prozent der Stadt Köln, liefert seit Anfang Januar aber keinen Strom mehr für die städtischen Gebäude, weil der Konkurrent „Lichtblick“ billiger angeboten hat. Ärgert Sie das Ergebnis der Ausschreibung?Rein wirtschaftlich gesehen wirft uns das nicht aus der Bahn. Es geht um etwa ein Prozent unseres Stromabsatzes, und wir hatten in unserem Angebot ohnehin keine Gewinnmarge vorgesehen. Aber dass unser Eigentümer seinen Strom nicht mehr bei uns bezieht, hat eine Symbolwirkung und mögliche Folgeeffekte, die uns natürlich nicht kalt lassen. Ich habe das auf die Formel gebracht: Das ist so, als würde ein Bäcker seine eigenen Brötchen nicht essen. Das Signal ist fatal.

Was ist aus Ihrer Sicht schief gelaufen bei der Strom-Ausschreibung? Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat im Rundschau-Interview bejaht, dass man Vorgaben mit regionaler Präferenz hätte machen können. Später erklärte ein Stadtsprecher das Gegenteil: Solche Kriterien seien mit EU-Recht nicht vereinbar.

Das stimmt nicht. In dieser Ausschreibung gab es nur zwei Vorgaben: 100 Prozent Ökostrom aus erneuerbaren Quellen und den Preis. Es wäre aber legitim gewesen, wenn die Stadt zum Beispiel verlangt hätte, dass die Bieter einen Teil des Stroms in eigenen Anlagen erzeugen müssen. Das hätten wir und andere Bieter erfüllt. Lichtblick, als reiner Stromhändler, der Ökostromzertifikate kauft und vermarktet und nur einen Tick günstiger war als wir, wäre dabei nicht zum Zuge gekommen; der weitere Ausbau der erneuerbaren Energie aber wäre unterstützt worden.

Eine Photovoltaik-Anlage der Rheinenergie am Flughafen Köln/Bonn.

Im Rathaus heißt es, bei der Ausschreibung habe die Verwaltung Fehler gemacht oder es habe Druck von oben gegeben, ausschließlich Klimastrom auszuschreiben und keine anderen Kriterien zu benennen. Wie sehen Sie das?

Das Thema ist bis zur nächsten Ausschreibung für uns abgehakt. Fakt ist, dass das Geld, das die Stadt Köln für die Stromrechnung ihrer Gebäude zahlt, in den nächsten drei Jahren nicht in den Ausbau erneuerbarer Energien oder in das Gemeinwohl in der Region fließt, sondern an ein Privatunternehmen, das zum japanischen Mitsubishi-Konzern gehört. Der baut im Übrigen auch Kernkraftwerke. Ab 2024 kann die Stadt ihren Strom neu ausschreiben. Ich hoffe, dass sie das tut und die Verlängerungsoption um zwei Jahre nicht zieht.

Was würde die Rheinenergie anders machen als andere?

Wenn wir Ökostrom einkaufen, stammt der aus Anlagen in Deutschland, die ins deutsche Netz einspeisen, und nicht etwa aus Wasserkraftwerken in Norwegen, die 30 Jahre und älter sind. Die verkaufen Zertifikate, mit denen man Graustrom aus Kohle, Gas und Kernkraft auf dem Papier zu Ökostrom machen kann. Für den Klimaschutz wird dadurch aber nichts gewonnen. Wir wollen dagegen einen Teil unserer Erlöse in neue Anlagen in der Region und in Deutschland investieren und mehr erneuerbare Energie vor Ort produzieren.

Zur Person

2009 wurde Dieter Steinkamp (60) Vorstandschef der Rheinenergie und der GEW Köln sowie Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Köln. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln schloss der gebürtige Duisburger 1992 mit der Promotion ab. Danach war er in Duisburg tätig, zunächst bei der Verkehrsgesellschaft, dann bei der Stadt Duisburg, später beim Zoo. 2007 wechselte er nach Köln. (fu)

Die Bürgerinitiative „Klimawende Köln“ kritisiert, dass der Strom, den die Rheinenergie selbst erzeugt, nur zu 5,9 Prozent aus regenerativen Quellen stammt. Per Bürgerbegehren will sie erreichen, dass der Ökostrom-Anteil bis 2030 auf 100 Prozent steigt. Warum sind Sie dagegen?

Wir haben überhaupt kein Problem mit dem Ziel der Initiative, die Energieversorgung komplett auf erneuerbare Quellen umzustellen. Als städtisches Unternehmen müssen wir aber auch die technische Machbarkeit, die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit von Energie für breite Schichten im Auge behalten. Wir haben uns selbst zum Ziel gesetzt, unsere Wasserversorgung bis 2025 klimaneutral zu machen, den Strom für Privatkunden bis 2030 und die Industriestrom- und Wärmeversorgung bis 2040. Das ist ambitioniert, aber wir können das schaffen. Dass wir so viel an konventioneller Kapazität haben, liegt vor allem daran, dass wir die Wärmeerzeugung für mehr als 55 000 Kölner Gebäude zentral und effizient mit Erdgas in eigenen Anlagen machen. Dass wir genügend Ökostrom aus eigener Erzeugung liefern können, der für alle Haushalte in den Stadtbezirken Nippes und Ehrenfeld ausreicht, wird bei diesem reinen Zahlenspiel wohlweislich verschwiegen. Auch, dass unsere Stromerzeugung gekoppelt mit der Wärme stattfindet. Zusammen entlastet das die Umwelt um rund eine Million Tonnen Treibhausgase pro Jahr.

Was ist, wenn die Bürgerinitiative 100 Prozent Ökostrom bis 2030 durchsetzt?

Dann geht die Rheinenergie in Insolvenz. Dann werden wir zerschlagen. Wir müssten auch unser hocheffizientes Gaskraftwerk Niehl III dicht machen. Auch die Kessel in Merkenich, die Prozessdampf für Industriebetriebe wie Ford und Infineum liefern. Da hängen viele Arbeitsplätze dran.

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Warum halten Sie am Gas fest?

Wenn wir keine Fernwärme mehr liefern, bleiben Tausende Wohnungen im Winter kalt. Die Eigentümer müssten das durch eigene Anlagen ersetzen, was für den Klimaschutz unterm Strich eine Mehrbelastung wäre. Im Übrigen sagt selbst Greenpeace, dass Gaskraftwerke beim Ausbau der Erneuerbaren weiterhin gebraucht werden, um Schwankungen in der Stromproduktion auszugleichen. Und in Zukunft könnten sie klimaneutral mit nachhaltig erzeugtem Wasserstoff betrieben werden. Aber auf dem Weg dahin brauchen wir das Erdgas noch, es gibt im Wärmemarkt dazu im Ballungsraum keinen realistischen Ersatz. Erst nach 2030 werden allmählich die Mengen an grünen Gasen reichen, und dann gleichen sich auch erst die Preise an, so dass es für alle bezahlbar bleibt.

Die Initiative wirft Ihnen vor, Sie hätten die Kosten der Umstellung auf Ökostrom schöngerechnet und viel zu niedrige Werte angesetzt für das von der Rheinenergie produzierte CO2 .

Wir haben nichts schöngerechnet. Die Rheinenergie hat Daten an die Stadt Köln geliefert, die vom Wuppertal-Institut im Auftrag der Stadt begutachtet wurden. Auf dieser seriösen Grundlage hat die Stadtverwaltung die Kosten errechnet. Demnach kämen zwischen 205 und 245 Millionen Euro pro Jahr auf die Stadtgesellschaft zu. Für uns hieße das: Unser Gewinn wäre weg und wir könnten auch nicht mehr für die Verluste der Kölner Verkehrs-Betriebe und der Bäder aufkommen. Am Ende müssen die Bürger das bezahlen.

Was bedeutet das konkret?

Ein Beispiel. 2019 hatten wir einen Gewinn von 160 Millionen Euro und haben über den Stadt-werkeverbund das Defizit der KVB von 100 Millionen Euro aufgefangen. Für 2020 rechnen wir mit 170 Millionen Euro Gewinn und die KVB mit rund 150 Millionen Euro Verlust. Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Unsere Erlöse bleiben hier. Gibt es keine Rheinenergie mehr, fließen sie ab.

Was erwarten Sie von der Politik?

Natürlich kann eine Stadt ihre Strategie ändern und Klimaschutz über alles stellen. Aber das hat dann Folgen an anderer Stelle. Das versuchen wir, in Gesprächen deutlich zu machen.

Was tun Sie in nächster Zeit konkret für den Klimaschutz?

Wir haben den eben von mir beschriebenen Klimaschutz-Fahrplan in der Unternehmensstrategie verankert und machen ihn überprüfbar. Wir möchten eine Photovoltaik-Offensive starten. Das heißt, wir wollen weitere eigene Anlagen bauen und private Hausbesitzer bei der technischen Umsetzung beraten und unterstützen. Auf Kölns Dächern gibt es dafür ein großes Potenzial. Auch in Windkraft werden wir investieren. Ab 2025 spart die Umstellung auf klima-neutrale Wasserversorgung 25 000 Tonnen CO2 pro Jahr und die Stilllegung der Braunkohlenfeuerung in Merkenich nochmals 200 000 Tonnen.