- Das dritte digitale Semester geht diesen Monat zu Ende.
- Rektor Prof. Axel Freimuth zieht im Gespräch mit Martina Windrath Bilanz, wie an der Uni Köln Lehre und Forschung in der Krise gelaufen sind.
- Und er schmiedet Pläne fürs Wintersemester mit Präsenz.
Bald endet das dritte Semester unter Corona-Bedingungen, liegen die Nerven blank?
Das kann man so nicht sagen. Aber natürlich wären wir froh, wenn die Corona-Krise bald überstanden wäre. Wir freuen uns darauf, wenn wieder mehr Präsenz an der Universität möglich ist. Ganz aktuell beschäftigen uns aber zusätzlich die katastrophalen Zustände nach dem Unwetter. Es ist davon auszugehen, dass viele unserer 7000 Mitarbeitenden betroffen sind, die etwa im Erftkreis oder in der Voreifel wohnen. Wir unterstützen, wo nötig, mit Sonderurlaub für besonders stark Betroffene eine Kommunikationsplattform, mit der wir Hilfe organisieren, stellen Unterkünfte bereit. In der Uni-Mensa haben wir Arbeitsplätze für Studierende geschaffen, die keinen Strom oder kein Internet mehr haben.
Zur Person
Professor Axel Freimuth (63) ist Rektor der Universität zu Köln, mit 50 000 Studierenden eine der größten bundesweit. 2008 bis 2010 war er Vorsitzender der NRW-Landesrektorenkonferenz. Freimuth studierte Physik in Köln, promovierte und habilitierte sich. 1996 wurde er an die Uni Karlsruhe berufen. 1998 wurde er Professor für Experimentelle Festkörperphysik an der Uni Köln. 1999 bis 2000 war er Geschäftsführender Direktor des II. Physikalischen Instituts, seit 2005 ist er Rektor, die 4. Amtszeit läuft
Wie kam die Uni in den anderthalb Pandemie-Jahren klar?
Die Herausforderungen waren und sind groß, aber es klappt hervorragend. In der Forschung wurden sogar mehr Anträge gestellt als sonst. Für notwendige Präsenzarbeiten, etwa in Laboren oder bei Prüfungen, wurden die Rahmenbedingungen angepasst, zum Beispiel durch Schichtbetrieb und Hygiene- Konzepte. Für große Prüfungen haben wir die Messehallen angemietet. Wann immer möglich, wurde Arbeit ins Homeoffice gelegt. Zudem haben wir in kürzester Zeit ein universitätsweites digitales Lehrangebot auf die Beine gestellt, bei 50 000 Studierenden eine Riesenaufgabe. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen evaluieren wir. Was sich bewährt hat, soll auch in Zukunft angeboten werden.
Hoffen Sie auf Präsenz?
Ja. Wir bereiten uns mit Hochdruck darauf vor, im Wintersemester mehr Präsenz anzubieten. Trotzdem müssen wir auch digitale Angebote beibehalten. Wir planen also beides sowie Übergänge zwischen beiden. Sehr große Veranstaltungen werden zunächst nicht in Präsenz angeboten. Wir sind dabei, alle Lehrräume für hybride Nutzung auszurüsten und haben dafür viel Geld in die Hand genommen, allein aus der Universitätsstiftung ca. 6,5 Millionen Euro und demnächst noch einmal 2,5 Millionen. Auch jenseits der Lehre würden wir gerne den normalen wissenschaftlichen Betrieb wieder hochfahren. Eine Uni lebt vom persönlichen Austausch.
Auf der Strecke bleiben sonst auch soziale Kontakte.
Das ist traurig. Um so wichtiger ist es, dass sich möglichst viele impfen lassen. Je nach Corona-Lage werden wir im Wintersemester Präsenzveranstaltungen nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete anbieten können. Um hier voran zu kommen, wollen wir versuchen, weitere Impfaktionen wie letzten Freitag auf dem Campus anzubieten.
Hat die Uni Studierende verloren?
Es gibt viele, die unter den Bedingungen leiden. Studierende haben oft ihre Jobs verloren, sitzen im Homeoffice bei den Eltern, haben finanzielle Probleme. Viele haben keine Wohnung in Köln, es wird also vermutlich zu Engpässen auf dem studentischen Wohnungsmarkt im Wintersemester kommen. Auch Mitarbeitende leiden unter den Corona-Bedingungen, etwa internationale Gastwissenschaftler, die in Köln kaum jemanden kennen. Wir bemühen uns sehr, niemanden zu verlieren. Die Zusammenarbeit mit der Politik funktioniert dabei sehr gut. Dennoch ist nicht alles optimal: Die finanzielle Unterstützung für Studierende etwa ist meines Erachtens zu langsam in Gang gekommen.
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Konnte die Forschung reibungslos weiterlaufen?
Sehr gut. Wir werben nach wie vor jährlich über 200 Millionen Euro Forschungsgelder ein. Auch unsere vier Exzellenzcluster und viele andere Großforschungsprojekte laufen sehr erfolgreich. Wir sind auch dabei, neue Forschungsschwerpunkte voranzubringen. So wird es mit der Uni Bonn und dem Forschungszentrum Jülich ein großes Klima-Forschungszentrum geben. Außerdem investieren wir 40 Millionen Euro - zur Hälfte vom Land NRW und zur Hälfte von privaten Geldgebern – erhalten für ein Innovationszentrum für Start-ups, dafür entsteht ein neues Gebäude am Weyertal.
Schmiedet die Uni Pläne für neue Studiengänge?
In vielen Bereichen. Wir bauen derzeit zum Beispiel die Informatik massiv aus, mit etwa zehn zusätzlichen Professorinnen und Professoren. Wir planen außerdem ein Zentrum für Digitale Bildung, um die vielfältigen Angebote an der Uni zu erweitern und besser zu vernetzen.
Es läuft Ihre vierte Amtszeit, ist es die schwierigste?
Nein. Es gab in allen Amtszeiten gewaltige Herausforderungen: Die Bologna-Reform, der Doppel-Abi-Jahrgang, die Einführung und anschließende Abschaffung von Studiengebühren, der Exzellenz-Wettbewerb und jetzt die Corona-Pandemie und Flutkatastrophe. Wir sind inzwischen ziemlich krisenfest. Die Bewältigung der Herausforderungen und Krisen haben unsere Handlungsfähigkeit und vor allem das Gemeinschaftsgefühl an der Uni sehr gestärkt.