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Interview mit Michael W. Schwetje„Löring war ein Patriarch“

Lesezeit 7 Minuten

„Die emotionale Verbundenheit zu Fortuna Köln ist definitiv da“, sagt Geschäftsführer Michael Schwetje.

Köln – Ein Bürogebäude im Rechtsrheinischen, eine Etage voller unauffälliger Büroräume. Hintendurch jedoch: ein mannsgroßer Werbeständer von Fortuna Köln – das Reich von Michael W. Schwetje. Ein Glückstreffer bescherte Fortuna Köln den Aufstieg in die 3. Liga. Ohne dieses Tor in letzter Minute wäre Unternehmer Schwetje nicht mehr Geschäftsführer von Fortuna Köln, erzählte er Bernd Imgrund.

Ihre Firma gründet Online-Unternehmen nach der Methode des „Lean Startup“? Was ist das?

Wir gründen Startups, indem wir Prototypen eines Produkts bauen und dieses schrittweise am Markt testen. Damit soll verhindert werden, dass wir jahrelang im eigenen Saft kochen und erst danach merken, dass das Produkt möglicherweise niemand haben möchte.

Menschen haben das Rad oder den Toaster erfunden. „Wir erfinden neue Online-Unternehmen“, heißt es auf Ihrer Website.

Genau. Wir erfinden Geschäftsideen, von denen wir glauben, dass die da draußen einen Markt haben. Es geht darum, neue oder gegebenenfalls bessere Konzepte als die zu entwickeln, die bereits existieren.

Ihre bislang erfolgreichste Geschäftsidee war 1998 OnVista. Was war das?

Das war ein Finanzportal. Unsere Ausgangsfrage lautete: Was hat das Internet den klassischen Medien voraus? Die Schnelligkeit der Interaktion und Informationsweitergabe, war die Antwort. Besonders bot sich das unseres Erachtens für Finanzinformationen an – mit OnVista konnte man Kurse abfragen, man gelangte zu Unternehmensdaten und Fonds. Das war also eine Plattform für den gut informierten Privatanleger wie für den Profi.

Waren Ihre Eltern auch schon BWLer?

Mein Vater ist Jurist, meine Mutter hat Jura studiert und wurde dann Hausfrau. Ein klassisches Unternehmer-Gen habe ich wohl nicht in die Wiege gelegt bekommen. Aber ich habe mit 15 Jahren schon an der Börse gehandelt.

Hatten Sie dabei Talent?

Ich denke schon. Ich habe damit ein bisschen Geld verdient, und es hat mir vor allem Spaß gemacht.

Haben Sie gepokert?

Pokern war damals noch nicht so groß. Sonst hätte sich das wahrscheinlich angeboten. OnVista habe ich dann mit zwei Freunden gegründet, weil wir immer vorhatten, etwas Eigenes zu machen.

Wie Zuckerberg mit Facebook.

Deutlich kleiner, aber vom Prinzip her ja.

Auf Ihrer Website sind Sie „der Michael“. Was bedeutet das?

Das heißt nur, dass man sich in der digitalen Welt eben duzt.

Sind Sie bei Fortuna der Michael oder der Herr Schwetje?

Sagen wir so: Ich bin wohl nicht der Kumpeltyp, der mit den Fans auf Du und Du ist und abends mit ein Bier trinken geht. Unter diesem Aspekt bin ich also eher Herr Schwetje, aber ich duze mich auch mit vielen Mitarbeitern im Verein.

Offiziell sind Sie Geschäftsführer der Fortuna. Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?

Ich bin der, der am Ende des Tages die geschäftspolitischen Entscheidungen trifft. Und der dafür verantwortlich ist, dass dieses Unternehmen – ich sehe Fortuna, die ausgegliederte erste Mannschaft, als Unternehmen – am Markt erfolgreich agiert. Sprich: Die Mitarbeiter müssen bezahlt werden, wir müssen zusätzliche Umsätze generieren und uns auf allen Ebenen weiterentwickeln.

Was ist der Unterschied zwischen einem Investor, Sponsor und Mäzen?

Der Investor investiert Geld, um irgendwann einen wirtschaftlichen Nutzen daraus zu generieren. Ein Sponsor stellt einen Betrag zur Verfügung, für den er eine Gegenleistung bekommt: Bandenwerbung, Anzeigen, VIP-Karten etc. Der Mäzen ist dem Investor etwas ähnlicher. Er stellt Geld zur Verfügung, zielt in aller Regel aber nicht auf einen wirtschaftlichen Nutzen ab.

Sind Sie bei Fortuna, was Abramowitsch bei Chelsea ist?

Ich habe nie mit ihm über seine Rolle dort gesprochen. Aber vermutlich sieht sich Herr Abramowitsch eher als Mäzen. Wenn man die letzten Jahre betrachtet, hat er wohl nur Geld reingesteckt, ohne dass welches zu ihm zurückfloss.

Wie ist das Machtverhältnis zwischen Ihnen als Investor und Herrn Westendorf als Präsident von Fortuna?

Wir haben einen sehr guten Austausch miteinander. Aber in Bezug auf die erste Mannschaft habe ich die Verantwortung und die Entscheidungsgewalt. Andersherum habe ich ihm nichts zu sagen, was den Verein angeht. Die erste Mannschaft ist in eine GmbH ausgegliedert, die Gesellschafter berufen den Geschäftsführer, und der entscheidet im Tagesgeschäft.

Die kommenden Jahre

Kannten Sie Jean Löring und sein Fortuna-Geschäftsmodell?

Persönlich kannte ich ihn nicht, aber die entsprechenden Geschichten habe ich natürlich gelesen. Löring war Mäzen, nicht Investor, und außerdem nach meinem Verständnis ein echter Patriarch.

Wenig „lean“.

Ja, er hat faktisch so agiert, als habe ihm der Verein gehört. Und das war ja auch legitim. Jean Löring hat das Geld gegeben, also bestimmt er auch, was damit gemacht wird. Typen wie ihn gibt es nicht mehr, und ich denke, dass auch dieses Modell heute nicht mehr funktionieren würde.

Sie sehen sich als Investor und müssen als solcher den Markt nach Erfolg versprechenden Unternehmen sondieren. Wie kommt man da ausgerechnet auf Fortuna Köln?

Wie die Jungfrau zum Kinde. Ein ehemaliger Mitarbeiter von mir hatte deinfußballclub.de gegründet, wo es darum ging, das Management eines Fußballvereins demokratisch zu führen. Ich wurde damals angesprochen, ob ich nicht mitmachen möchte, und daraus entstand dann später die Fortuna Köln Marketing GmbH. Ich fand das spannend, es ging um digitale Wirtschaft und Fußball.

Zur Person

Michael W. Schwetje wurde 1967 in Krefeld geboren. Er studierte BWL an der renommierten WHU – School of Management in Koblenz. 1998 gründete er mit zwei Freunden das erfolgreiche Internet-Startup OnVista. 1999 wechselte das Unternehmen von St. Augustin nach Köln, bevor man es 2007 verkaufte. Danach eröffnete er die in Poll angesiedelte Betafabrik, die ebenfalls junge Online-Unternehmen entwickelt. Seit 2013 fungiert er zudem als Geschäftsführer der Fortuna Köln Spielbetriebsgesellschaft mbH.

Michael W. Schwetje lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Bonn. (img)

Ihre Kulanz bezüglich Verlusten ist bei Fortuna höher als bei anderen Unternehmen, oder?

Hm, bei anderen hätte ich vielleicht früher die Reißleine gezogen, die emotionale Verbundenheit zur Fortuna ist definitiv da. Trotzdem hatte ich immer einen sehr wirtschaftlichen Blick. Wären wir vor zwei Jahren nicht in die 3. Liga aufgestiegen, ich glaube nicht, dass ich diesen Weg weiter begleitet hätte.

Also ging es um jene eine, letzte Minute im Aufstiegsspiel, als Fortuna den Glückstreffer bei den Amateuren von Bayern München erzielte?

Wenn Sie so wollen, ja. In der Regionalliga haben Sie keine Chance, wirtschaftlich profitabel zu arbeiten. Der Weg aus ihr heraus wiederum ist sehr teuer, aber die 3. Liga ist notwendige Basis dafür, irgendwann einmal Profite zu erzielen. Herz hin oder her.

Als wirtschaftlicher Laie und Kölner, der die Fortuna seit Jahrzehnten begleitet, sage ich: Sie häufen weder heute noch morgen oder übermorgen irgendwelche Reichtümer mit diesem Verein an.

Reichtümer sicher nicht. Aber wir werden Fortuna Köln in der 3. Liga profitabel und erfolgreich führen können. Das ist möglich, davon bin ich felsenfest überzeugt.

Im Kommunismus gab es Jahrespläne. Wie sähe Ihrer für die nächsten fünf Fortuna-Jahre aus?

Erstes Ziel ist, in ein, zwei Jahren so erfolgreich zu arbeiten, dass die Investoren kein weiteres Geld zuschießen müssen. Desweiteren geht es darum, die Umsätze zu steigern und so in die Mannschaft zu investieren, dass die Liga gehalten werden kann. Das ist schon gar nicht so einfach. In einer guten Saison können wir dann vielleicht auch mal oben ranschnuppern.

Die Fortuna ist noch immer 3. in der ewigen Tabelle der 2. Bundesliga.

Das ist richtig, aber realistisch betrachtet setzt ein weiterer Aufstieg Gelder voraus, die wir in den nächsten paar Jahren nicht erwirtschaften können.

Also schnuppern ist erlaubt, aufsteigen nicht?

Ich habe wirtschaftliche Prinzipien, die dabei nicht über Bord gehen dürfen. Das heißt: Wenn es mit dem Aufstieg klappen sollte, nehmen wir die Herausforderung natürlich an. Aber nur mit einem gesunden Etat, der unseren Möglichkeiten entspricht. Es gibt ja Beispiele . . .

Darmstadt in der Ersten Bundesliga.

Genau. Man darf eben nur nicht zwanghaft daran gehen und dabei wirtschaftliche Regeln außer Kraft setzen.

Sie gelten als großer Sportfan. Sind sie auch selbst Sportler?

Heutzutage mache ich ein bisschen Fitness, Jogging und spiele mit meinen Kindern Fußball. Früher habe ich lange Tischtennis gespielt.

Haben Sie Karriere gemacht?

Ich habe mit zehn in Krefeld angefangen und es bis in die Oberliga geschafft. Aber das Studium an der WHU in Koblenz ist extrem arbeitsintensiv, also habe ich meinen Schläger an den Nagel gehängt.