Der neue Polizeipräsident Johannes Hermanns spricht im Interview mit der Rundschau über Anschlagsgefahren und den Reiz seiner Aufgabe in Köln.
Interview mit Kölns neuem PolizeipräsidentenJohannes Hermanns übt Kritik an später Information durch BKA
Konkrekt wie nie waren die Hinweise auf eine mögliche Bedrohungslage am Dom vor dem Jahreswechsel. Der neue Polizeipräsident Johannes Hermanns spricht in der Rundschau über die Sicherheitslage und andere Herausforderungen. Thorsten Moeck, Daniel Taab und Ingo Schmitz führten das Gespräch.
Kaum waren Sie im Amt als Kölner Polizeipräsident, gab es einen Gefahrenhinweis, den es in dieser Brisanz für Köln so noch nicht gegeben hat. Wie und wann haben sie von der Bedrohung erfahren?
Am Freitag vor Weihnachten hat meine Staatsschutzdienststelle mich informiert. Der Hinweis auf einen möglicherweise geplanten Anschlag an Silvester und die Möglichkeit, dass bereits an Weihnachten eine Gefahr für den Dom und die Messbesucher drohte, veranlasste uns, Schutzmaßnahmen für Dom und Besucher zu ergreifen, das Domkapitel zu informieren und am 23. Dezember den Hinweis öffentlich zu machen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Sicherheitsbehörden ist mir wichtig. Deshalb war es für uns selbstverständlich und auch geboten, nicht nur den Dom zu durchsuchen, sondern auch die Menschen über die Hintergründe und die drohende Gefahr aufzuklären.
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Es gibt die Kritik, das BKA habe ihre Behörde nur zögerlich informiert. Was können Sie dazu sagen?
Im Nachgang zu diesem Einsatz werden wir - wie das grundsätzlich üblich ist - mit allen Behörden, die Kenntnis über den Gefahrensachverhalt hatten, unser Vorgehen und unsere Arbeit noch einmal auf den Prüfstand stellen, um daraus auch für die Zukunft unsere Lehren zu ziehen. In der Fachsprache nennt man das Nachbereitung. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Der Umstand, dass wesentliche und für unser Handeln wichtige Informationen uns jeweils so kurzfristig vor den Weihnachtsfeiertagen und vor Silvester erreicht haben, hat uns vor große Herausforderungen gestellt und wird schon von daher Gegenstand dieser Nachbetrachtung sein.
Am Dom wurden die direkten Kontrollen zurückgefahren, die Polizei hält ihn aber weiter verstärkt im Blick. Auf welche weiteren Orte in Köln legen sie noch einen Fokus?
Die bei uns eingegangenen Hinweise bezogen sich ganz konkret auf den Dom als weltweit bekanntes Wahrzeichen christlichen Glaubens mit hoher Symbolkraft für westliches Leben. Dass der Dom im Zusammenhang mit Angriffsplänen auf die westliche Welt immer wieder auftaucht, ist nicht neu. Eine absolute Sicherheit auch der Kathedrale gegen Angriffe von außen kann es nicht geben. Wir tun aber unser Möglichstes. Der Dom ist allerdings nicht das einzige Schutzobjekt der Polizei Köln.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel haben wir den Schutz für jüdische Einrichtungen und Synagogen in ganz NRW intensiviert. Wir leben in Zeiten, in denen die angespannte Sicherheitslage in Deutschland und Europa die Sicherheitsbehörden fordert. Umso wichtiger ist es, dass die Sicherheitsbehörden eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Was bedeutet die Gefahrenlage zum Jahreswechsel für den Karneval und die Fußball-EM?
Beide Großereignisse haben eines gemeinsam – wir bereiten uns vor und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die Menschen zu schützen. Auch hier wird es ganz entscheidend auf die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Bund und Land ankommen. Nach unserem Einsatz an Silvester wissen die Menschen, dass wir in Köln nicht auf einer Insel leben, auf der nichts passieren kann. Deshalb hoffe ich sehr, dass wir auch bei den bevorstehenden Großveranstaltungen auf Augen und Ohren der Menschen bauen können. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Deshalb kann jede Information an die Polizei wichtig sein, dass wir rechtzeitig eingreifen können.
Ihre Ausbildung zum Polizeibeamten hat auf einem Kasernengelände in Brühl begonnen. Erinnern Sie sich an den ersten Tag?
Meine Mutter hatte mich damals mit meinem Koffer am Tor abgesetzt. Dann stand ich da mit meinen 17 Jahren. Meine Heimat lag an der niederländischen Grenze, doch ich konnte die Ausbildung nicht in Linnich absolvieren, was näher gewesen wäre, sondern musste eben in Brühl. Die Großstädter haben mich dann schon damals an das Kölner Leben herangeführt.
Welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit?
Es war schon ein Stück weit gewöhnungsbedürftig, die ganze Woche in der Polizeikaserne zu leben. Aber dadurch habe ich mich auch relativ schnell vom Elternhaus abgenabelt.
Gab es Momente, in denen Sie mit der Berufswahl gehadert haben?
Anfangs hat vielleicht mal die Entfernung von Elternhaus und Freunden eine Rolle gespielt, aber gehadert habe ich mit meinem Beruf noch nie. Ich darf einen Beruf ausüben, an dem ich jeden Tag Spaß habe, das ist das Wichtigste. Nun bin ich seit 43 Jahren im Polizeidienst und habe nicht einen Tag darüber nachgedacht, ob ich mal was anderes machen soll.
Zuletzt waren Sie mit dem Missbrauchskomplex Lügde befasst und haben Kinderpornographie in jedweder Ausprägung erlebt. Ein Schock?
Es gehörte bis dahin nicht zu meiner Alltagsarbeit, aber ich habe die Bilder natürlich einige Male gesehen. Für die Kolleginnen und Kollegen, die sich täglich damit auseinandersetzen müssen, ist das viel problematischer, denn sie sind diejenigen die dem dauerhaft ausgesetzt sind. Das, was wir da gesehen haben, war wirklich erschütternd. Die Dimension war neu.
Und jetzt kam der Anruf von Innenminister Herbert Reul und die Frage: Wollen Sie Polizeipräsident in Köln werden? Haben Sie wenigsten mal kurz gezögert?
Nein, ich habe keine Sekunde gezögert. Die Anfrage kam für mich durchaus überraschend, damit hatte ich nicht gerechnet. Das ist ein Traum, den ich nicht zu träumen gewagt hätte. In den 1990er Jahren habe ich schon mal bei der Polizei in Köln gearbeitet, zuletzt aber in Düsseldorf. Und jetzt darf ich in dieser Funktion in diese tolle Stadt zurückkehren.
Was reizt Sie denn Köln?
Die Antwort ist nicht so einfach. Es gibt sicherlich Städte, die ein noch attraktiveres Stadtbild bieten, aber das Gesamtpaket aus Stadt, Umfeld und den Menschen hier, das passt. Die Höhner haben ja gesungen: Hej Kölle, du bes a Jeföhl. Damit ist im Prinzip alles gesagt.
Und von wem stammen die Zeilen: Et jitt kei wood, dat sagen künnt, wat ich föhl, wenn ich an Kölle denk?
Da muss ich passen.
Cat Ballou. Ihr Vorgänger, Falk Schnabel, hatte sich die Eigenarten der Stadt und den Karneval von Höhner-Gründungsmitglied Janus Fröhlich erklären lassen. Sie brauchen das vermutlich nicht?
Der Karneval und die wichtigen Orte in dieser Stadt sind mir vertraut. Ich kann auch mit Karneval was anfangen. Ich komme gebürtig aus dem Kreis Heinsberg, auch dort wird rheinischer Karneval gefeiert. Ich war im Übrigen jahrelang Stammgast der Kappensitzung im Gangelter Ortsteil Langbroich, die ja durch die Verbreitung des Corona-Virus Bekanntheit erlangt hat.
Taschendiebstähle und Einbrüche haben zuletzt stark zugenommen. Ein Problem?
Die Alltagskriminalität ist es, die mir derzeit Bauchschmerzen bereitet. Einbrüche, Autoaufbrüche, Straßenkriminalität. Da haben wir schon sehr deutliche Anstiege zu verzeichnen und werden erneut Steigerungen haben. Wir haben Ermittlungskommission eingerichtet und setzen gezielt operative Kräfte auf den Straßen ein.
Sie sind jetzt Chef von etwa 5000 Beschäftigten in der Behörde. Wofür wollen Sie stehen, wie wollen Sie die Polizei prägen?
Grundsätzlich möchte ich für eine bürgernahe und weltoffene Polizei stehen. Die Personalentwicklung ist mir persönlich ein großes Anliegen. Gerade im Hinblick auf die Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und der Verlagerung der Kriminalität ins world wide web wollen wir in der Lage sein, hochprofessionell zu arbeiten.
Der Weg ist frei für externe Expertinnen und Experten, die auch bei der Polizei gutes Geld verdienen.
Dieser Wunsch ist aus den Polizeibehörden ans Ministerium herangetragen worden, denn für unsere üblichen Gehälter gibt es das extrem nachgefragte Expertenwissen im IT-Bereich auf dem Markt kaum kaufen. Gerade erst sind im Landeskriminalamt 90 hochdotierte Stellen im IT-Bereich besetzt worden. Es wird unser Thema bleiben, diese Stellen so zu dotieren, dass wir konkurrenzfähig sind. Außerdem haben wir in Abstimmung mit der Hochschule Niederrhein den Studiengang Cyber-Kriminalistik entwickelt. Damit setzen wir auch stark auf die Qualifizierung unseres eigenen Personals. Mit dem Cybercrime-Kompetenzzentrum im LKA sind wir gut aufgestellt, aber noch lange nicht ausreichend zukunftsfähig. Wir werden entsprechende Kompetenzzentren auch in den großen Polizeibehörden brauchen.
Es gab ja zuletzt einige Einsätze, bei denen Schusswaffen oder Taser eingesetzt wurden. Ist der Polizeiberuf ruppiger geworden?
Das Leben für die Einsatzkräfte nicht nur der Polizei ist durchaus ruppiger geworden, allein schon durch verbale Angriffe. Dennoch habe ich das Empfinden, dass die Polizei eine sehr hohe Akzeptanz in großen Teilen der Bevölkerung genießt. Aber wir haben eben auch eine Klientel, die sich wenig kommunikativ beeindrucken lässt und dann durchaus ruppig wird. Zu den Schusswaffeneinsätzen: Im Jahr 2023 sind lediglich bei 13 Einsätzen Schusswaffen eingesetzt worden, davon wurden zwei Schüsse auf Menschen abgegeben, neun auf Tiere und ein Warnschuss. Es gibt mehr Übergriffe auf Polizei und Rettungskräfte.
Ein Problem sind Messerangriffe, es gibt immer wieder schwere Verletzungen. Macht ein generelles Messerverbot Sinn?
Das Phänomen gibt es ja nicht nur in Köln. Es ist natürlich ein Unterschied, ob wir damals zu einer Kirmesschlägerei gefahren sind oder ob man heute zu einer körperlichen Auseinandersetzung fährt, wo Messer eingesetzt werden. Mich befremdet die Mentalität, mit einem Messer vor die Tür zu gehen, zutiefst. Ein generelles Messerverbot halte ich für schwierig umzusetzen.