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„Entsetzlich“Kölnerin auf A 3 von Betonplatte erschlagen – Mordkommission ermittelt

Lesezeit 4 Minuten
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Unglücksort: Die fünf Tonnen schwere Betonplatte stürzte auf das Fahrzeug. Experten untersuchten auf der A 3 die Platte. 

Köln – Es sind entsetzliche Bilder: Eine schwere Betonplatte liegt auf einem Auto. Von dem Polo ist kaum noch etwas zu sehen. Teile einer Lärmschutzwand sind auf den Wagen gefallen – die Fahrerin (66) aus Köln ist sofort tot. Die Einsatzkräfte konnten der Frau nicht mehr helfen und sind selber schwer geschockt. „Es war sehr still am Unfallort. Entsetzlich“, sagte ein Beamter der Kölner Polizei, der kurz nach dem Drama dort ankam. Bisher hat es auf Kölner Autobahnen solch einen dramatischen Vorfall noch nicht gegeben.

Der Horror-Unfall geschah um 10.15 Uhr auf der A 3 an der Anschlussstelle Dellbrück. Die 66-Jährige war auf der rechten Spur unterwegs, als sich plötzlich die fünf Tonnen schwere Betonplatte löste und auf den Wagen fiel. „Es müssen starke Kräfte gewirkt haben“, sagte ein Polizeisprecher. Weil nicht klar war, ob möglicherweise noch weitere Betonplatten locker sind, sperrte die Polizei den Bereich weiträumig ab. Durch die Sperrung kam es auf den umliegenden Straßen zu einem großen Verkehrschaos.

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Auf der A 3 stürzte eine Betonwandverkleidung von einer Lärmschutzwand auf einen Wagen.

Auch die Bahnstrecke an der A 3 wurde gesperrt. Die KVB-Bahnen fahren direkt an der Lärmschutzwand vorbei. Es wurde befürchtet, dass möglicherweise die Platten auch rückwärts auf die Gleise stürzen könnten. Statiker untersuchten mehrere Stunden lang die Lärmschutzwand; erkannten aber keine akute Gefahr. Gegen 12.30 Uhr entschieden sich die Einsatzkräfte, die Betonplatte mit einem Kran hochzuheben und die Leiche zu bergen. Vorher war überlegt worden, ob eine Zerschneidung der Betonplatte nötig sei. Doch es gelang dem Kranführer die Platte hochzuheben, ohne dass die Wand zerbrach.

Der Landesbetrieb Straßen.NRW betonte später, dass die Wände regelmäßig auf ihre Stabilität untersucht werden. „Unsere Lärmschutzwände werden im Rahmen der Sichtprüfung von den Meistereien natürlich überprüft“, sagte ein Sprecher des Landesbetriebs am Nachmittag. Das geschehe unabhängig von dem tragischen Unglück am Freitag. „Seien Sie sicher, dass wir da jetzt noch einmal ein Augenmerk drauf richten.“

Niemand müsse Bedenken haben, an der Stelle über die Autobahn zu fahren, weil die rechten Fahrspuren ja gesperrt seien. Die Wände sollen am Wochenende weiter untersucht werden. Die Lärmschutzwand sei im Jahr 2007 gebaut worden.

Mordkommission ermittelt

Ermittler einer Mordkommission sollen nun herausfinden, wie es zu dem furchtbaren Unfall kam. Es wird untersucht, mit welchem Material die Betonplatte angebracht wurde. Auf den ersten Blick sind an der Lärmschutzwand keine Dübel zu sehen – vermutlich wurde die Platte an die Wand montiert und mit einer Nebenwand verhakt. Weiter wird untersucht, wer die Betonplatte wann an der Wand angebracht hat.

Beton aufgrund langer Haltbarkeit gefragt

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Milliarden Euro hat der Bund seit 1978 für den Lärmschutz an Straßen ausgegeben. Die Lärmschutzwand ist dabei auf Autobahnen der Klassiker. Die Wand bekommt ihre lärm- und schallmindernde Funktion durch eine entsprechend gestaltete Oberfläche, die den Schall schluckt.

Ist genügend Platz vorhanden, kann auch ein aufgeschütteter Wall Schall minimieren – entweder alleine oder auch in Kombination mit einer Lärmschutzwand. In manchen Fällen wird die Straße auch tiefer gelegt, um Lärm zu minimieren. So auch am Unfallort auf der A3. Auch diese Maßnahme kann mit Schallschutzwänden oder sogar einem Deckel ergänzt werden.

Beton ist beim Schallschutz aufgrund seiner hohen Lebensdauer weit verbreitet. Doch auch Elemente aus Stahl, Aluminium, Kunststoffe, Glas oder Holz kommen an Autobahnen zum Einsatz. Ebenfalls verbreitet sind mit Steinen gefüllte Drahtkörbe, sogenannte Gabionen.

Eine andere Möglichkeit beim Schallschutz ist es, Geräusche schon bei der Entstehung zu vermindern. Das funktioniert zum Beispiel mit sogenanntem offenporigem Asphalt. Durch Hohlräume schluckt der Bodenbelag die Geräusche. Kritikpunkt ist die begrenzte Haltbarkeit.

Die genannten Maßnahmen gehören zu den aktiven Lärmschutzmaßnahmen. Nachrangig sind aber auch passive Lärmschutzmaßnahmen möglich. Dabei handelt es sich zum Beispiel um den Einbau von Schallschutzfenstern. (sim)

Auch ob es regelmäßig Kontrollen der Bauteile gegeben hat, ist für die Mordkommission ein wichtiger Bestandteil der Recherchen. Es wird erwartet, dass die Staatsanwaltschaft einen Gutachter beauftragt. Die Ermittler fotografierten die Lärmschutzwand und befragten erste Zeugen am Unfallort. Die Kölner Staatsanwaltschaft befasst sich ebenfalls mit dem Fall. Ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, war am Freitag noch unklar.

„Es ist ein realistisches Szenario“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Denkbar sei ein Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Offiziell sei noch kein Verfahren eingeleitet worden. „Wir benötigen noch weitere Angaben der Ermittler der Mordkommission“, so der Sprecher. Am Freitagnachmittag mussten Einsatzkräfte den schweren Weg gehen und Angehörige über den Tod der Frau informieren. Für den Einsatz nahmen die Polizisten Seelsorger mit; auch ein Rettungswagen wurde angefordert.

Stark mitgenommen hat der Unfall auch einen Augenzeugen. Der Mann bekam das Drama mit und versuchte noch, der Frau zu helfen. Der geschockte Zeuge musste mit dem Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht werden.