Köln – Die schwarze Färbung des Kölner Doms kommt keineswegs von Rußpartikeln vorbeiknatternder Dieselloks, sondern von Bakterien. Diese und andere interessante Beobachtungen über Flora und Fauna haben die Biologiedidaktikerin Iris Günthner und der Botaniker Bruno Kremer in "Die Ökologie des Kölner Doms" zusammengefasst. Gemeinsam haben die beiden Wissenschaftler 14 Jahre lang die Oberfläche sowie das Fundament der Kathedrale auf Tier- und Pflanzenarten untersucht. Verantwortlich für die blau- bis schwarzgrüne Farbe sind auch Blaualgen genannten "Cyanobakterien", die sich durch Chlorophyll-Bildung vor heftiger Sonneneinstrahlung schützen.
Auf der Oberfläche des Unesco-Weltkulturerbes gibt es etwa 1000 Tonnen Biomasse, erläuterte Günthner bei der Vorstellung ihrer Arbeit, die Barbara Schock-Werner als ehemalige Dombaumeisterin mit betreut hat. "Wann machen Sie mal sauber?", sei sie oft gefragt worden, sagt Schock-Werner: "Dabei tut das der Fassade gar nicht gut." Hinzu kommt, dass auf dem Gestein zahlreiche Flechten, Moose und Algen wachsen - das Kölner Wahrzeichen ist nicht dreckig, sondern von Lebewesen überzogen. "Auf den Moosen wachsen wiederum höhere Pflanzen heraus", ergänzt Günthner.
Mehr als 40 Blütenpflanzen hat sie während ihrer Forschung entdeckt. Ihre Motivation sei es, die Vielzahl an Lebewesen im urbanen Raum bekannt zu machen, fügt Günthner hinzu, die auch ihre Dissertation über das Biotop Dom geschrieben hat. Dazu gehörte auch ein empirischer Teil: "Ich habe auf der Domplatte willkürlich Passanten angesprochen und für die meisten waren Stadtlebewesen, Tiere zweiter Klasse", sagte die Autorin. Dabei habe sie beobachtet, wie auf den Roncalliplatz gefallene Krähenküken zurück ins Nest gesetzt wurden oder habe "auf der 20-Meter-Ebene die Gewölle einer Schleiereule gefunden." Auch ein Falken-Pärchen hat sein Jagdrevier am Dom. Tauben gibt es ohnehin und auch Zwergfledermäuse, Bienen und Nachtfalter umschwirren die Türme. Die Falter locken wiederum eine Möwen-Kolonie an. "Im Scheinwerferlicht leuchten sie weiß - das sieht wirklich märchenhaft aus", schwärmt die frühere Dombaumeisterin.
In den Fugen haben sich Spinnen ihren Lebensraum erstritten. Die Fischernetzspinne baut ihre Netze wie Reusen in den porösen Kalk, sodass die Kellerasseln sich verfangen und nicht mehr zurückkommen. Als wahre Experten für die Tierwelt zwischen den Türmen haben sich die Gerüstbauer erwiesen, die "genau wussten, dass die Krähen immer morgens um 7 Uhr von Strebebogen zu Strebebogen fliegen", sagt Günthner, die die Entstehung des Biotops beschreibt, angefangen bei den Mikroorganismen und der Herkunft der Domwerksteine.
Das Heft "Die Ökologie des Kölner Doms", herausgegeben vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz ist für 5 Euro im Domladen und im Buchhandel erhältlich.