Köln – An Aufgeben dachte niemand bei der Bürgerversammlung in der All-Saints-Kirche am Bonner Verteiler. „Wir werden nicht zulassen, dass die Bäume auf der Bonner Straße gefällt werden“, erklärte Ottmar Lattorf mit unverhohlenem Nachdruck.
Der Vorsitzende des Vereins „Natur, Bildung und Soziales, Bürger informieren Bürger“ (Nabis) sprach für den Initiativkreis Bayenthal-Marienburg (IKBM), zu dem sich zahlreiche Vereine und Gruppen der Stadtteile zusammengeschlossen haben, um den Weiterbau der Nord-Süd-Stadtbahn auf der Bonner Straße, wie ihn Politik und Verwaltung geplant haben, zu verhindern. Gemeinsam mit Verkehrsexperten haben sie erneut eine Alternativplanung entwickelt und nun vor 300 Bürgern vorgestellt.
300 Bäume sollen weg
Ein wohl aussichtsloses Vorhaben: Die Stadt wird die 300 Bäume auf der Bonner Straße für die Bahntrasse und eine geänderte Verkehrsführung laut Planfeststellungsbeschluss fällen (die Rundschau berichtete). Ab dem 1. Oktober gilt die Vegetationsphase als abgeschlossen. Danach dürfen Bäume bis Februar gefällt werden. „Das muss nicht sein“, sagt Professor Heiner Monheim, emeritierter Verkehrswissenschaftler an der Universität Trier und zehn Jahre lang Referatsleiter für Verkehr im Landesverkehrsministerium.
Monheim berät den IKBM von Anfang an. In Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten hat er eine neue Planungsvariante entwickelt, in der fast alle Bäume stehen bleiben können. Entscheidender Unterschied zu den Plänen der Stadtverwaltung: Zwischen Gürtel und Arnoldshöhe soll nach den Vorstellungen des IKBM eine „Tramallee mit mittiger Baumreihe“ gebaut werden. Auf der Ostseite verläuft eine dreispurige Fahrbahn mit zwei Spuren in Richtung Chlodwigplatz und einer in Richtung Verteiler. Daneben verläuft die Bahntrasse. Die bestehende Baumreihe aus größtenteils Linden bleibt stehen, die Gleise verlaufen rechts und links der Bäume. Man plant, und hier ist man sich einig mit der Verwaltung, Rasengleise.
Stadtbahntrasse soll nicht mittig verlaufen
Der Clou der Alternativplanung: Auf der Westseite der Trasse verläuft eine weitere Fahrspur in Richtung Verteiler. „Im Unterschied zu den städtischen Plänen planen wir die Stadtbahntrasse nicht mittig. Unser Plan opfert die Linden nicht den Bedingungen der Symmetrie“, erläuterte Monheim. Eine wesentliche Verbesserung zur Planung der Verwaltung sieht er auch darin, dass die Gleise vor und hinter den Haltestellen nicht verschwenkt werden müssen: „Wir fahren geradeaus.“
Dem Vorwurf, der IKBM sei mit der Alternativplanung „spät dran“, schließlich sei das Planfeststellungsverfahren bereits abgeschlossen, begegnet Monheim mit dem Hinweis, „dass es doch wohl keine Katastrophe ist, noch mal neu nachzudenken“. Als man vor zehn Jahren in der Stadtverwaltung angefangen habe, sich über die Umgestaltung der Bonner Straße Gedanken zu machen, hätten Themen wie Feinstaubbelastung, Kohlendioxid in der Luft und der Diesel-Skandal nicht im Mittelpunkt gestanden.
„Simulationen haben ergeben, dass die geplanten Ersatzbäume in 60 Jahren nicht das Blattvolumen erreichen werden, das die Bestandsbäume heute haben. Die zu fällen, wäre ein klimatisches Desaster“, fuhr Monheim fort: „Wenn einem Verkehrsvorhaben Häuser im Weg stehen, zuckt man zurück und die Pläne werden geändert, weil private Immobilien in diesem Land als fast unantastbar gelten. Für Bäume gilt das nicht. Wenn hier die Kettensägen anrücken, ist das für Köln ein weiterer weltweit einmaliger Nackenschlag. Und das wird dann sicherlich alles sehr konfrontativ ablaufen.“ Monheim schloss Baumbesetzungen und so weiter nicht aus. „Es wissen ja alle, was da möglich ist.“
Im Moment setze man noch auf den konstruktiven Dialog mit dem Verkehrsdezernat. Dabei habe man sich schon auf manchen Kuhhandel eingelassen. „Wenn die Stadt sagt, sie bestehe an der Haltestelle Gürtel auf Bahnsteigbreiten von fünf Metern, sind wir bereit, auf die Rettung von 20 Bäumen zu verzichten“, nannte Monheim als Beispiel. Er geht davon aus, dass die Bäume stehen bleiben, solange man verhandele.
Pressekonferenz am 11. Oktober
Robert Rademacher spricht für den IKBM: „Wir haben einen Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht in Münster gestellt, in dem wir darum bitten, die Baumfällung so lange zu verschieben, bis die Umsetzbarkeit unserer Planungen eindeutig positiv oder negativ geklärt ist. Das kann in zwei oder drei Monaten der Fall sein.“ Das Gericht habe den Antrag angenommen und an die Stadtverwaltung und die Bezirksregierung zur Stellungnahme weitergeleitet.
Jürgen Müllenberg von der städtischen Pressestelle macht den IKBM-Aktivisten nur vorübergehend Hoffnung: „Bis zum 11. Oktober bleiben die Bäume stehen. Dann werden sich die Stadtverwaltung und die KVB in einer Pressekonferenz mit allen beteiligten Ämtern äußern. Bis dahin wird es keine Stellungnahmen seitens der Stadt geben.“ Eines sei allerdings klar: Der Planfeststellungsbeschluss sieht die Fällungen vor. Daran werde sich Stand jetzt nichts ändern. Und das Vorgehen der Bürger vor Gericht gegen die Pläne? „Da gehen wir ins Risiko.“