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Abgelaufenes Moderna gespritztKölner Dezernent Rau zu Impfpanne: „Nicht erwartet“

Lesezeit 6 Minuten
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Gesundheitsdezernent Harald Rau. 

Köln – 2000 Menschen haben vom 27. Dezember bis 6. Januar von zwei Dienstleistern für die Stadt abgelaufenen Impfstoff von Moderna geimpft bekommen. Im Interview versucht Kölns Gesundheitsdezernent Harald Rau zu erklären, warum es elf Tage dauerte, bis der Fehler auffiel.

Der Fehler ist bei gleich zwei unterschiedlichen Dienstleistern passiert, das deutet auf eine erhöhte Fehleranfälligkeit hin. Warum gibt es keine städtischen Kontrollmechanismen, die solche Fehler verhindern bzw. das Risiko reduzieren?

Harald Rau: Bei der Übergabe der Impfstoffe an die Impfteams machen wir ein explizites Übergabeprotokoll und weisen auf die beiden unterschiedlichen Verfallsdaten hin – das auf den Impfstofffläschchen aufgedruckte Verfallsdatum für gefrorenen Impfstoff und das auf der Verpackung der Impfstofffläschchen handschriftlich vermerkte Verfallsdatum für den aufgetauten Impfstoff.

Tatsächlich haben wir vor dem vergangenen Donnerstag nicht erwartet, dass dieser sehr klare Hinweis auf die beiden unterschiedlichen Verfallsdaten falsch oder nicht verstanden wird. Wir protokollieren die Übergabe gesondert; eine tägliche Kontrolle schien bisher nicht erforderlich. Das ändern wir aber, wir schärfen jetzt unsere Überprüfungsprozeduren und werden ab sofort engmaschiger kontrollieren.

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Ein Ampulle Moderna-Impfstoff. 

Sie sagen, die Stadt habe die Probleme nicht erwartet. Könnten also auch in der Vergangenheit schon Leute abgelaufenen Impfstoff erhalten haben?

Es handelte sich um eine sehr außergewöhnliche Situation, die nicht vergleichbar ist mit den früheren Impfangeboten. Es gab vorher nicht den Fall, dass die mobilen Impfteams so viel schon aufgetauten Impfstoff eines Herstellers übrig hatten, der kurzfristig abzulaufen drohte. Tatsächlich intensivieren wir die Überprüfung der Protokolle mit Blick in die Zukunft, aber wir werden natürlich auch im Rückblick die Protokolle prüfen.

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Dass der Fehler der Feuerwehr erst nach elf Tagen auffällt, wirkt eher als ein Zufallsfund als das Ergebnis einer routinemäßigen Kontrolle. Was verstehen Sie unter engmaschigeren Kontrollen?

Ab Montag prüft die Feuerwehr regelmäßiger, was genau das heißt, stimmen wir gerade ab. Es wird aber schneller als im Wochenzyklus sein, dass die Feuerwehr sich die Übergabeprotokolle und die Umsetzung anschaut.

Die mobilen Impfangebote gehen trotzdem am Montag weiter. Haben Sie denn mittlerweile eine Rückmeldung vom Paul-Ehrlich-Institut, ob der abgelaufene Impfstoff ein Problem ist?

Die verbindliche schriftliche Rückmeldung fehlt noch, sie soll aber bis spätestens Montag vorliegen. Für die Impfungen in dieser Woche haben die Aussagen des Paul-Ehrlich-Instituts sehr, sehr wahrscheinlich keine Auswirkungen. Deshalb führen die mobilen Impfteams sie unter enger Begleitung durch die Feuerwehr weiter. In vergleichbaren Fällen in anderen Kommunen hat der abgelaufene Impfstoff in allen Fällen eine sehr gute Impfwirkung erzielt, das haben Bestimmungen des Impftiters, als der Anzahl der Antikörper, ergeben. Wir gehen davon aus, dass der wenige Tage abgelaufene Impfstoff nicht weniger wirksam ist.

Was glauben Sie, wie Betroffene sich fühlen, wenn Sie hören, dass der abgelaufene Impfstoff „sehr wahrscheinlich“ keine Auswirkungen hat?

Ich als Betroffener würde mir die Plausibilität der Erläuterungen anschauen. Und die ist im vorliegenden Fall extrem hoch, von daher wäre ich relativ beruhigt, weil das Risiko sehr, sehr überschaubar ist. Für uns ist es unvorstellbar, dass es einen Schaden gibt. In vergleichbaren Fällen in Böblingen oder Sindelfingen gab es durch Impfungen mit kurz zuvor verfallenem Impfstoff keinerlei Schäden, nicht einmal die Impfwirkung war beeinträchtigt.

Sollte das Paul-Ehrlich-Institut uns aber mitteilen, dass eine deutlich geringere Wirksamkeit vorliegen könnte, werden wir den Betroffenen eine Bestimmung ihres Impftiters anbieten, also schauen, ob die Impfung ausreichend gewirkt hat. Sollte es geraten sein, können sich Betroffene noch einmal impfen lassen. Wenn jemand unsicher ist, wollen wir das ermöglichen. Aber wir warten jetzt zunächst auf die Antwort des Instituts.

Warum hat die Stadt die 2000 Betroffenen nicht prophylaktisch informiert?

Wir bereiten das gerade vor, wollen aber die Rückmeldung des Paul-Ehrlich-Instituts abwarten. Wir möchten nicht doppelt verunsichern, indem wir die Menschen nur vorläufig informieren. Und wir haben die Medien informiert, das Thema ist also öffentlich und sollte die meisten Menschen erreicht haben.

Ist der Rückschluss für die 2000 abgelaufenen Impfdosen korrekt: Bin ich am 27. Dezember geimpft worden, ist der Impfstatus höher als bei einer Impfung am 6. Januar?

Das sind aktuell alles Spekulationen. Wir warten jetzt die Antwort des Paul-Ehrlich-Instituts ab.

Die Impfungen in der Lanxess-Arena Werden und im Gesundheitsamt gehen also ab Montag weiter wie bisher?

Diese Impfungen sind nicht unterbrochen worden, wir haben dort andere Abläufe als bei den mobilen Impfangeboten. Nach aktuellem Stand können wir am morgigen Montag sogar schon wieder alle vorgesehen mobilen Impfungen anbieten. Wir haben die Prozesse und mögliche Schwachstellen im gesamten Prozess analysiert und optimiert, das Personal der Leistungserbringer wurde und wird nachgeschult und die Abläufe werden zunächst von der Feuerwehr überwacht.

Was heißt die Panne für die Vertrauenswürdigkeit der städtischen Impfungen? Was bedeutet das für die Impfkampagne?

Ich habe Verständnis dafür, dass Fragen entstehen durch jede Art von Panne. Deshalb ist mir sehr wichtig, dass wir sehr klar informieren. Das haben wir auch zum für mich frühestmöglichen Zeitpunkt getan. Wir haben die Öffentlichkeit informiert und alle Fachbehörden eingeschaltet. Damit haben wir gezeigt, dass wir verantwortlich mit der Situation umgehen. Aber dass Menschen grundsätzlich durch Pannen verunsichert werden, ist für mich total nachvollziehbar.

Die Stadt wirbt sehr für das Impfen. Ist nun nicht damit zu rechnen, dass die Impfkampagne ins Stocken gerät?

Ich rechne nicht damit. Bei den Kinderimpfungen am Wochenende wurden alle Termine wahrgenommen. Die Menschen können weiterhin darauf vertrauen, dass das städtische Impfangebot verlässlich ist. Dass es eine Panne gab, ist sehr bedauerlich, aber nach allem, was wir wissen, hat sie keine Auswirkungen auf die Gesundheit oder den Impfschutz.

Die aber eben spät aufgefallen ist.

Spät ist jetzt relativ. Nach dem Auftauen ist die Verwertungszeit 30 Tage, im schlimmsten Fall sprechen wir jetzt bei ungefähr 2000 Impfungen von elf Tagen Überschreitung. Das ist bedauerlich, aber es ist für mich kein Hinweis, dass es grundsätzlich schief läuft. Wir impfen täglich 15 000 Menschen. Wenn nun innerhalb von zwei Wochen 2000 Impfungen einen zum Glück nicht gefährlichen Makel haben, zeigt das für mich, dass es kein systematischer Fehler ist.

Fehlerhafte Inzidenzzahlen, postalische Quarantäne-Anordnungen, die erst kurz vor Ablauf der Quarantäne kommen, zeitweise tagelanger Verzug beim Kontaktmanagement und jetzt die Impfpanne. Wie beurteilen Sie aktuell das Corona-Management der Stadt?

Ich glaube, Menschen, die sich informiert halten, haben mitbekommen, dass es anderswo Gesundheitsämter gab, die das Kontaktpersonen-Management eingestellt haben. Das war in Köln nie der Fall, wir haben bei Bedarf immer mehr Personal aufgestockt. Aufgegeben haben wir nie. Die Kölner Sterbequote ist niedriger als im Bund und im Land und vielen anderen Großstädten. In Köln leben wir auch in dieser Pandemie relativ sicher.

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Ich gebe Ihnen aber Recht, auch in der Krise wirkt jedes Nachlaufen, jede Panne, zunächst mal, so dass Fragen kommen. Das ist auch richtig so. Aber ich glaube auch, dass die Menschen merken, dass wir professionell und transparent mit Fehlern umgehen und daraus lernen.