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100 Jahre Universitätsbibliothek KölnAuf Schatzsuche durch die Bücherreihen

Lesezeit 4 Minuten
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  1. Die Rundschau begibt sich auf Schatzsuche in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln zu ihrem 100. Geburtstag.
  2. Dabei kommen einige Perlen zum Vorschein: Von Galileo Galileis Sternenboten bis zu einem der wertvollsten Bücher der Welt, Shakespeares First Folio.
  3. Die Nutzerzahlen sind hoch: rund zwei Millionen Besucher hat die Bibliothek pro Jahr.

Köln – Unscheinbare graue Brandschutztüren öffnen sich schwer ins Reich der historischen Bücher, der berühmten Sammlungen und Werke von teils unschätzbarem Wert. In hohen Magazinregalen und gesicherten Tresorräumen stehen Folianten, Inkunabeln, auf Holzdruckstöcken entstandene Blockbücher, vielfältige andere Bestände. Die ältesten stammen aus dem 15. Jahrhundert, etwa die bebilderte Armenbibel.

Das Universum der zigtausenden Bände steckt voller Entdeckungen, nicht nur für Bücherwürmer. „Jede der acht Etagen in diesem Magazinturm kann ich an ihrem Geruch erkennen“, sagt augenzwinkernd Dr. Christiane Hoffrath, Dezernentin für die Historischen Bestände und Sammlungen der Universitäts- und Stadtbibliothek, bei der Führung durch die Schatzkammern. Und geht zielstrebig zu ausgewählten Werken, die besondere Geschichte(n) erzählen und die die Rundschau vorstellt.

Hinter den Betonfassaden mit Lichtwaben an der Kerpener Straße stehen sie, die bibliophilen Perlen, die aber äußerlich oft gar nicht glänzen. Neben prächtigen Chroniken mit mittelalterlichen Stadtansichten vom alten Köln finden sich viele ungebundene, unscheinbare, zerlesene, beschädigte Werke, die nicht minder bedeutsam sind. Galileo Galileos „Sternenbote“ zur Entdeckung der Pleiaden ist so ein historischer Schatz, inklusive Fälscherkrimi.

Gegen Hexenverbrennungen und Bibliotheken-Zerstörung

Welt-Geschichte schrieb die Cautio Criminalis (1631), in der Jesuit Friedrich Spee der Praxis der Hexenverbrennungen entgegentrat. Aber auch an der Zensur vorbei veröffentlichte antiklerikale oder erotische Bändchen aus dem fingierten Kölner Verlag Pierre Marteau gehören zum Sortiment.

Das Wissen der Welt auf Papier erschließt sich mit System: Bei der Führung durchs Magazin erläutert die Historikerin Konvolute, die in den Regalreihen sorgsam aufgereiht sind, von SB wie Syndikatsbibliothek (alte Ratsbibliothek) und GB wie Gymnasialbibliothek, die gerade genau erfasst und rekonstruiert wird, bis W wie Wallraf. Die Bestände der alten Ratsbibliothek der Stadt (1602 gegründet) zum Beispiel lassen sich leicht erkennen mit ihrem „Corporate Design“: alle in weißes Leder gebunden, mit Goldprägung.

Zustand der 14.000 Werke teilweise kläglich

Über 70 Sammlungen beherbergt die USB. Jede hat ihre eigene Ordnung – beziehungsweise Unordnung, wie die von Ferdinand Franz Wallraf, letzter Rektor der Alten Universität (1784-1824). Seine Bücherleidenschaft rettete nach der Säkularisierung der Klöster und der Franzosenzeit im Rheinland große Bestände vor deren Zerstörung. Dichter Johann Wolfgang von Goethe bezeichnete die Bestände des sammelwütigen Professors als „Chaos“. Der Zustand der 14.000 Werke ist teilweise kläglich. „Wallraf hat damals arg gerungen, das kleine Salär reichte nicht zum Bücherbinden“ , so Hoffrath.

USB in Zahlen

4,3 Millionen Werke aus sechs Jahrhunderten beherbergt die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, größte Hochschulbibliothek in NRW. Die historischen Bestände bauten unter anderem auf den Bibliotheken der drei Kölner Gymnasien Tricoronatum (Dreikönigsgymnasium), Laurentinum und Montanum auf. Diese befinden sich vorwiegend in der Gymnasialbibliothek mit 40 000 Bänden. Sie geht auf die Zeit um 1800 zurück. Viele Werke stammen aus dem Besitz der ehemaligen Kölner Stifte und Klöster, die während der Franzosenzeit ab 1798 geschlossen wurden. Die Sammlung wuchs und wuchs in der Folgezeit durch Nachlässe und Spenden von vielen Bürgern und Verlegern, immer neue Konvolute kommen hinzu.

1920 ist das Gründungsjahr der „USB“, ein Jahr nach der neuen Universität durch den damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer. Die Bestände wurden erst 1934 im neuen Hauptgebäude am Albertus-Magnus-Platz zusammengeführt (außer der Medizinischen Bibliothek).

1968 kamen die während des Zweiten Weltkriegs ausgelagerten Bücherschätze in den Neubau von Rolf Gutbrod an der Universitätsstraße/Kerpener Straße. Dort befindet sich noch heute das USB-Magazin. Es platzt aus den Nähten; der brutalistische Bau mit den markanten Betonfassaden ist in die Jahre gekommen. Eine Modernisierung steht ganz oben auf der Wunschliste. (MW)

Auch schlechte Lagerbedingungen in Klöstern und Kellern setzte Werken in Kriegs- und Krisenzeiten zu. Ein schwieriger Fall für die Restauratoren. Die USB legte für die Wallraf-Bibliothek ausgewählte Werke ein Buchpaten-Programm auf und erhält Förderung von Bund, Land und Stadt zusätzlich zu eigenen Mitteln, um das einzigartige kulturelle Erbe zu retten.

Rund zwei Millionen Besucher im Jahr

Zu ungewöhnlichen Konvoluten, die Bürger der Stadt und der Bibliothek vermachten, gehört nicht zuletzt die Islandica-Literatursammlung von Heinrich Erkes, darunter die erste Lutherbibel Guobrandsbiblia oder die 4000 Zoologie-Bücher mit wunderschönen Illustrationen aus der Welt der Vogelkunde, die der Zoologe Hans Engländer der USB vermacht. In edles rotes Leder gebunden sind Bände aus dem Nachlass des aus Köln stammenden Architekten Jakob Ignaz Hittorf (1792-1867) zu, der mit Bauten wie dem Place de la Concorde Paris mitgestaltete. „Es ist wichtig, dass Historiker mit den Beständen arbeiten, damit es kein totes Material ist, sondern Forschungsmaterial zwischen alten Buchdeckeln“, unterstreicht Hoffrath.

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Die Nutzerzahlen sind hoch: rund zwei Millionen Besucher im Jahr. Ein wesentliches Anliegen ist den Experten der USB neben Bestandserhaltung, Digitalisierung und wissenschaftlicher Bearbeitung die Provenienzforschung und die NS-Raubgut-Forschung, also die Analyse, wem welche Bücher ursprünglich gehörten. Wer hat was gesammelt, zensiert, überklebt, wem gewidmet?

All das erzählt viel auch über die Zeit, die Netzwerke, die Sammlerpersönlichkeiten.