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Zur ISS-StationDer elfte Deutsche startet ins All

Lesezeit 4 Minuten

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst in Köln bei der ESA in einem Trainingsmodul. Alexander Gerst fliegt am 28. Mai 2014 zur Internationalen Raumstation ISS.

Köln

Der Countdown läuft: Erstmals seit sechs Jahren fliegt wieder ein Deutscher ins All - und Alexander Gerst kann die Reise zu den Sternen kaum erwarten. "Pojechali" (Los geht's), twittert Gerst vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan aus, wo er sich auf den Start am kommenden Mittwoch vorbereitet.

Das berühmte Zitat rief der Kosmonaut Juri Gagarin, bevor er im April 1961 von Baikonur aus zur ersten Erdumdrehung startete. Gagarin blieb 108 Minuten im All, Gerst soll dort 166 Tage arbeiten: Er betreut auf der Internationalen Raumstation ISS zahlreiche Experimente und wird zu einem Außeneinsatz ins All aussteigen. "Ich denke, dass es einen Menschen generell verändern muss, wenn er dort oben war", sagt Gerst.

Ein halbes Jahr zu dritt im All

Knapp ein halbes Jahr auf der ISS rund 400 Kilometer über der Erde - eigentlich sei das wenig, meint Deutschlands nächster Mann im All. "Es gibt noch so viel zu erforschen. Der Mensch ist zwar seit drei Millionen Jahren ein Entdecker - aber erst seit 50 Jahren fliegen wir ins All", betont der 38-Jährige mit dem kahlgeschorenen Kopf.

Gerst hat Geophysik in Karlsruhe studiert und an der Universität Hamburg über Vulkane geforscht. "Bei Vulkanen schaut man ins Innere der Erde, vom Kosmos aus werde ich auf ihr Äußeres schauen", sagt der Wissenschaftler aus Künzelsau (Baden-Württemberg). "Ich bin überzeugt, dieser Blick hilft, unseren Planeten besser zu verstehen."

Alexander Gerst startet mit seinen Kollegen Maxim Surajew (Russland) und Gregory Wiseman (USA) am Mittwoch um 21.56 Uhr. Der Start wird live auf den Alter Markt in Köln übertragen. Die Veranstaltung beginnt um um 20 Uhr. (EB)

Rund drei Jahre lang trainierte Gerst für die Reise zu den Sternen, in Russland sowie in den USA und in Deutschland - etwa im Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. "Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht - aber trotzdem erscheint es mir wie eine Ewigkeit, wenn ich auf all das zurückschaue, was in den vergangenen Jahren passiert ist", erzählt er in leicht schwäbischem Dialekt der Nachrichtenagentur dpa. Völlig angstfrei sei er nicht. "Aber Angst ist ein Gefühl, das sich entwickelt, wenn man meint, die Kontrolle zu verlieren. Das wollen wir vermeiden, deswegen trainieren wir so."

Gerst wird - im Gepäck ein Stückchen vom Kölner Dom und eine Deutschlandfahne - zusammen mit dem Russen Maxim Surajew und dem US-Astronauten Reid Wiseman in einer Sojus zur ISS starten. Seit die USA ihre Space Shuttles 2011 einmotteten, müssen Nasa-Astronauten in den russischen Kapseln mitfliegen. Umgerechnet 50 Millionen Euro zahlen die USA für einen Platz - fast ebenso viel soll die Mitfluggelegenheit für Gerst kosten. Die internationale Zusammenarbeit mache Sinn, sagt René Pischel von der Esa-Vertretung in Moskau. Heute seien Aufgaben im All nur gemeinsam zu bewältigen.

Als bisher letzter Deutscher flog Hans Schlegel 2008 zur ISS. Gerst wird der elfte Deutsche im All sein und der dritte Deutsche auf der Raumstation - und vielleicht der letzte Deutsche: Denn Russland hat nach mehr als 15 Jahren ein Ende seines Engagements beim fliegenden Labor für 2020 angekündigt. Dabei handelt es sich wohl auch um eine Reaktion auf US-Sanktionen im erbitterten Ukraine-Konflikt.

Experten fürchten nun, dass auf dem Außenposten der Menschheit die Lichter ausgehen könnten. Russlands westliche Partner zeigten sich enttäuscht. Denn nach dem kosmischen Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA im Kalten Krieg ist die ISS heute auch ein Symbol der Völkerverständigung.

Gerst äußert sich dazu nicht öffentlich. Er hat in Baikonur die deutsche Fahne vor dem Hotel "Kosmonaut" gehisst, daneben weht die Flagge Russlands und die der USA - eine Tradition jeder Crew. Seine Musik für den Start hat er ausgewählt: das Lied "Rückenwind" des deutschen Hip-Hop-Sängers Thomas D. "Ihr seht mich als Punkt am Horizont verschwinden, um ein Stück weiter hinten mich selbst zu finden", heißt es darin. Besser, meint Gerst, sei das Gefühl vor dem Start nicht auszudrücken.