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Interview mit GerstIch habe 15 Jahre in WGs gewohnt

Lesezeit 3 Minuten

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst in Köln bei der ESA (European Space Agency) in einem Trainingsmodul.

Wie real ist das für Sie, jetzt bald ins Weltall fliegen?

Manchmal wache ich morgens auf und weiß nicht, ob ich das alles nur geträumt habe. Das wird jedoch seltener, weil ich mich in vielen Lebensbereichen darauf eingestellt habe. Aber manchmal hab ich noch den Wow-Effekt, vor allem wenn ich durch das Sternenstädtchen laufe und die alten Trainingsräume sehe, wo auchschon Juri Gagarin trainiert hat.

Wollten Sie immer schon Astronaut werden?

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie man das nicht wollen kann. Aber mich hat von klein auf alles interessiert, nicht nur das Weltall, sondern auch die Erde, wie Stürme entstehen und Vulkane. Deshalb bin ich auch Geowissenschaftler geworden. Mein Opa war auch einer von vielen Auslösern: Ich habe mit sechs Jahren in sein Funkgerät gesprochen und meine Stimme ist dann vom Mond reflektiert. Als ich dann die Gelegenheit hatte, mich zu bewerben, habe ich gedacht, das bin ich mir schuldig. Aber ich hatte mir keine großen Chancen ausgerechnet.

Wie haben Sie sich auf diese ganz spezielle WG vorbereitet?

Ich habe im Studium 15 Jahre lang in WGs gewohnt. Man hatRegeln, man verteilt die Arbeiten, hat auch mal ein Missverständnis oder unterschiedliche Ansichten - das muss man klären. Im Training wurden wir natürlich immer wieder in Extremsituationen gebracht: Wirhaben zusammen Tage bei minus 30 Grad in einem russischen Wald verbracht, ohne Schlafsack und Zelt, und mussten uns durchschlagen. Danach kennt man die Macken der anderen und weiß auch, wie man selbst reagiert. Aber die größte Herausforderung für mich war es, Russisch zu lernen.

Schlägt die Reise ins All auch eine Seite außerhalb ihres Forscherdaseins in Ihnen an?

Ich bin mit religiösen Werten aufgewachsen. Aber als Wissenschaftler möchte ich Dinge wertneutral von außen anschauen und - ich weiß, dass man das meiste noch nicht weiß. Ich bin mir klar darüber,dass es nicht bei dem rationalen Weltbild bleibt, das wir jetzt haben, sondern dass es noch sehr viel mehr dahinter gibt. Das kann ich sehr gut vereinbaren mit der Position als Wissenschaftler. Das Buch "Pale Blue Dot" beschreibt die Perspektive, die die Voyagersondeauf dem Weg raus aus dem Sonnensystem noch einmal auf die Erde hatte: Man sieht sie als kleinen blauen Pixel. Das zeigtsehr gut, wie zerbrechlich und einsam unsere Erde doch ist. Und wir haben nichts weiter als dieses kleine blaue Raumschiff. Das ist eine Perspektive, die einzigartig ist.

Was sagt Ihre Lebensgefährtin dazu? Und was Ihre Familie?

Meine Lebensgefährtin ist Physikerin und ebenfalls fasziniertvon der Raumfahrt. Sie hat mich oft besucht bei den Trainings. Auch meine Familie ist begeistert.

Was glauben Sie, werden Sie vermissen?

Vermutlich die Alltagsdinge, die man da oben nicht hat. Mal 'nen Salat essen, mal im Regen joggen. Das habe ich auch schon in der Antarktis gemerkt, wo es nie geregnet hat. Als ich zurückkam, hab ich draußen im Regen gestanden und mich gefreut, wie das riecht. (dpa)