Von Wildpferden bis FlamingosDie besten Ausflüge zu wilden Tieren in NRW
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Wer den kleinen Spaziergang von der Biologischen Station Zwillbrock bis zum See im Venn hinter sich gebracht hat, wird von lautem Geschnatter begrüßt. Die meisten Besucherinnen und Besucher kommen wegen der Flamingos nach Zwillbrock, doch erst einmal stehlen die Lachmöwen den rosa Vögeln die Show – zumindest akustisch. Mehrere Tausend Möwen brüten alljährlich im Zwillbrocker Venn, und sie sind offenbar ein Grund, warum sich die Flamingos dort so wohl fühlen.
Möwen sorgen für Futter und Sicherheit
Biologe Sebastian Wantia führt Besuchergruppen durch das Moorgebiet und erklärt den Ausflüglern die ungewöhnliche Wohngemeinschaft, von der die Flamingos gleich doppelt profitieren: Erstens sorgen die Möwen für ein besonders gutes Futterangebot. Sie fliegen eifrig in der Umgebung umher, fressen mal hier, mal da – und schleppen durch ihren Kot allerlei verschiedene Nährstoffe in den See. Dadurch gedeihen die Kleinstlebewesen im Wasser, die den Flamingos als Nahrung dienen, besonders gut.
Außerdem machen die Möwen das Leben im Venn sicherer. Während Flamingos eher friedliche Tiere sind, sind Möwen ständig auf der Hut und schrecken Feinde ab. „Wenn etwa ein Bussard in die Nähe der Insel kommt, fliegen schnell mehrere Hundert Möwen auf ihn zu und attackieren ihn, bis er abdreht“, sagt Wantia.
Leider sind besonders die Flamingoküken leichte Beute. Vor allem Füchse werden in der Brutzeit zur Gefahr – und die trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben das Problem noch verstärkt. 2019 trocknete der See zum ersten Mal seit den 70er Jahren komplett aus, im Jahr darauf geschah noch einmal dasselbe. Für die mehrere Dutzend Tiere starke Flamingo-Kolonie ist das eine Katastrophe, denn die sonst gut geschützte Brutstätte auf der Insel ist für die Raubtiere dann trockenen Fußes zu erreichen. Um die Möwen und Flamingos zu schützen, hat die Biologische Station die dicke Schlammschicht am Grund des Sees ausbaggern lassen, damit er wieder tiefer wurde.
Vom Schlüpfen zur Selbstständigkeit
Vom Frühjahr bis in den September hinein halten sich die Flamingos im Zwillbrocker Venn auf. Die ersten Tiere sind meist schon im Februar und März da, mit etwas Glück lässt sich dann ihre eindrucksvolle Gruppenbalz beobachten. Die meisten Flamingos sind im April und Mai am See, jetzt bauen sie ihre Nester und legen Eier. Um diese Zeit sind oft um die 60 Tiere im Venn. Im Juni schlüpfen die Küken, sie werden schnell selbständig und verlassen ihr Nest. Die Jungvögel werden dann in einer Art Kindergarten betreut: Wenige erwachsene Vögel bleiben bei einer ganzen Gruppe von Küken.
Im August und September werden die kleinen Vögel dann flügge, nach und nach verlassen alle Flamingos das Venn. Ihr Winterquartier befindet sich nicht etwa im Süden, sondern in den – im Winter ebenfalls eher ungemütlichen – Niederlanden. „Flamingos sind relativ kälteunempfindlich“, sagt Biologe Sebastian Wantia. Rund zwei Drittel der Zwillbrocker Flamingos sind Chileflamingos. In ihrer südamerikanischen Heimat brütet diese Art in den Anden, dort trotzen die Vögel Sturm, Hagel, Schnell und Nachttemperaturen unter minus 20 Grad.
Das Winterquartier an der niederländischen Nordsee und im Rheindelta hat einen anderen Vorteil: Während der höchstens eineinhalb Meter tiefe See im Venn bei Minusgraden schnell zufriert, ist die Nahrungsversorgung der Tiere dort den ganzen Winter über sichergestellt. Mit ihren Lamellenschnäbeln fahren die Flamingos durchs Wasser, das sie gleichzeitig mit den Füßen aufwühlen. Anschließend drücken sie das Wasser wieder aus dem Schnabel, zurück bleiben viele kleine Krebstierchen. Ihr Verzehr sorgt für die rosarote Färbung des Gefieders.
Kräftige und blasse Farben
Im Zwillbrocker Venn lassen sich zwei Flamingo-Arten beobachten: Die kräftig gefärbten Chileflamingos, die etwa zwei Drittel der Brutpaare ausmachen, und ihre etwas blasseren europäischen Verwandten, die Rosaflamingos. Sie sind etwa aus der Camargue in Frankreich bekannt und haben sich möglicherweise einfach irgendwann ins Venn verflogen. Die Chileflamingos dürften aus Zoo oder Privathaltungen entwischt sein, bevor sie sich in Zwillbrock niederließen.
Mitarbeiter der Biologischen Station beringen die Jungvögel Mitte Juli, um sie ihr Leben lang identifizieren zu können. Und ein Flamingo-Leben kann durchaus lang sein: Das älteste in Gefangenschaft lebende Exemplar wurde über 80 Jahre alt, in freier Wildbahn können die Tiere leicht um die 30 werden. Der älteste Bekannte der Zwillbrocker Naturschützer hat die Nummer ZV03 und kommt seit mehr als 25 Jahren ins Venn.
Wer die Flamingos beobachten möchte, muss keine Angst haben, sie zu stören: An einem Rundweg von etwa sechs Kilometern durch das Venn befinden sich zwei Aussichtskanzeln und ein Aussichtsturm, die jeweils etwa 300 Meter von der Brutstätte entfernt sind. Wer eins hat, sollte ein Fernglas mitbringen, es gibt aber auch Münzfernrohre. Besonders viel über die Flamingos, die Lachmöwen und den Naturschutz im Venn erfährt man bei den Führungen, die die Biologische Station regelmäßig für Besucher anbietet.
Infos zum Tipp
Anfahrt: Von Düsseldorf aus ist das Zwillbrocker Venn in gut eineinhalb Stunden mit dem Auto zu erreichen.
Führungen: Die Biologische Station bietet zwei verschiedene Flamingo-Touren an. Eine davon richtet sich speziell an Familien mit Kindern ab fünf Jahren. Mitzubringen sind ein Fernglas und festes Schuhwerk.
Rundweg: Ein etwa sechs Kilometer langer Spaziergang, der an drei Aussichtspunkten vorbeiführt, ist ausgeschildert. Wer weniger gut zu Fuß ist, hat schon von der ersten Aussichtsplatform einen guten Blick auf die Flamingos.
Flamingoroute: Die 450 Kilometer lange Fahrradstrecke führt durchs Westmünterland und die Niederlande. Die Flamingos von Zwillbrock haben der Route ihren Namen gegeben und sind eine der Attraktionen an der Strecke.
Von den Dülmener Wildpferden hat fast jedes Kind in NRW schon einmal gehört. Im Jahr 1316 wurde die Herde erstmals urkundlich erwähnt. Noch heute leben in einem Reservat am Merfelder Bruch knapp 400 Wildpferde. Die Tiere sind komplett auf sich allein gestellt, nur in den Wintermonaten werden sie an einigen Futterstellen mit Heu versorgt. Sie haben sich inzwischen perfekt an die Lebensbedingungen im Merfelder Bruch angepasst. Deshalb versuchen Naturschützer, ihren Lebensraum genau so erhalten, wie er ist: Moor, Heideflächen, Nadelwälder und Eichenbestände sorgen für ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot. Samstags, sonntags und an Feiertagen können Besucher die Pferde beobachten.
Vogelfreunden bietet sich auf der Bislicher Insel bei Xanten ein ganz besonderes Spektakel: Jedes Jahr im Oktober fliegen rund 25.000 Wildgänse aus der Arktis in ihr (im Vergleich) wohlig-warmes Winterquartier am Niederrhein. Sie bleiben dort bis Ende Februar. Schon seit den 1960er Jahren ist die Bislicher Insel das Ziel ihrer rund 6000 Kilometer weiten Reise. Doch auch im Sommer ist das Naturschutzgebiet einen Ausflug wert, denn hier leben noch viele andere Wasservögel und auch Biber.
Außerdem grasen dort Wasserbüffel, die einem Landwirt gehören. Die Bislicher Insel ist eine von wenigen noch verbliebenen Auenlandschaften in Deutschland. Streng genommen ist sie gar keine Insel: Sie entstand durch Verlagerungen des Rheins und die künstliche Anlage des Bislicher Grabens, der den Fluss begradigen sollte. Ein guter Ausgangspunkt für Erkundungstouren ist das Naturforum Bislicher Insel.
Im Rothaargebirge in Südwestfalen streift die einzige freilebende Wisent-Herde Westeuropas umher. 2013 wurden dort acht Tiere in die Freiheit entlassen. Wisente sind die größten Landsäuger Europas und vom Aussterben bedroht. Sie zu Gesicht zu bekommen, ist gar nicht so einfach: Ihr Aktionsradius im Rothaargebirge ist groß, und die Tiere sind scheu.
Wer die wolligen Riesen aus der Nähe sehen möchte, hat aber noch eine zweite Möglichkeit: In der Wisent-Wildnis am Rothaarsteig lebt in einem umzäunten, 20 Hektar großen Areal eine weitere Wisent-Herde. Besucherinnen und Besucher können die Tiere von einem rund drei Kilometer langen Wanderpfad aus beobachten.
Hirsche, Rehe, Mufflons und Wildschweine – all diese Tiere bekommt man bei einem Spaziergang durch den Wildwald Vosswinkel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vors Fernglas. Ein 4,5 Kilometer langer Wanderweg führt durch das Hirschrevier, in dem die Tiere fast wie in freier Wildbahn leben. Von Beobachtungskanzeln aus und bei der täglichen Fütterung kann man die Tiere besonders gut beobachten.
Ein weiterer, ebenfalls 4,5 Kilometer langer Rundweg führt durch das Wildschwein-Revier. In der Nähe des Eingangs leben in naturnahen Gehegen Nachtjäger wie Marderhunde und Uhus. Zum Wildwald gehören außerdem ein Abenteuerspielplatz und ein Barfußpfad.
Bis vor 130 Jahren war der Biber in der Eifel zu Hause, dann wurde er dort ausgerottet. Doch seit den 80er Jahren sind die Tiere in der Nordeifel wieder heimisch. Zwölf Biber wurden damals angesiedelt – inzwischen sind es wieder rund 400. Auf dem sechs Kilometer langen Biberpfad im Hürtgenwald kann man mit sehr viel Glück eins der Tiere zu Gesicht bekommen.
Falls das nicht klappt, gibt es entlang des Weges immerhin das Werk der fleißigen Nagetiere zu besichtigen: Gefällte Bäume, Staudämme und Nagespuren. Junge Besucher, die von der Baukunst fasziniert sind, können den Tieren anschließend auf den bundesweit ersten Biberspielplätzen in Heimbach und Hürtgenwald nacheifern. Dort kann man zum Beispiel selbst in einem Bach einen Damm bauen oder einen Teich anstauen.
Das Urfttal in der Eifel ist ein Paradies für Falter: Mehr als 70 Arten wurden hier schon beobachtet. An sonnigen Tagen in den Sommermonaten ist die Chance, möglichst viele Exemplare zu Gesicht zu bekommen, am größten. Bei regnerischem Wetter verstecken sie sich zwischen den Blättern der Pflanzen.
Der Schmetterlingspfad bei Nettersheim führt durch das idyllische Urfttal und bietet neben besten Chancen auf Falter-Sichtungen auch jede Menge Informationen über die Tiere und ihren Lebensraum.
Rosenthalstraße, 53947 Nettersheim
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