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Rundschau-Debatte des TagesLöst ein Ringtausch das Taurus-Problem?

Lesezeit 5 Minuten
ARCHIV - 05.03.2024, Bayern, Schrobenhausen: Ein Ausstellungsstück eines Taurus KEPD 350 Marschflugkörpers ist im Showroom des Rüstungsunternehmens MBDA ausgestellt.

Begehrte Waffe: Von der Präzision der Taurus-Marschflugkörper erhofft sich die Ukraine einen entscheidenden Vorteil auf dem Schlachtfeld.

Der Streit um Taurus-Marschflugkörper kann innenpolitisch zur Zerreißprobe werden. Jetzt deutet Großbritannien eine mögliche Lösung in der Dauer-Debatte an. Doch die passt nicht allen.

Der Ampel-Koalition steht in der Taurus-Debatte erneut eine schwierige Woche bevor. Kurz vor einer neuen Abstimmung im Bundestag hat nun Großbritannien auf den Widerstand von Kanzler Olaf Scholz zur Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine reagiert.

Was genau schlagen die Briten nun vor?

Außenminister David Cameron machte dem deutschen Kanzler in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ am Wochenende eine Tür auf: Sein Land sei entschlossen, „engstens mit unseren deutschen Partnern zusammenzuarbeiten, um der Ukraine zu helfen“, sagte er. Nicht ausgeschlossen sei ein Tauschhandel, der die Bedenken von Scholz gegen die Waffenlieferungen zerstreuen könnte. Bei einem sogenannten Ringtausch würde Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben – und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern. Deutschland könnte die Ukraine damit indirekt unterstützen, ohne dass Taurus-Marschflugkörper mit ihrer hohen Reichweite ins Kriegsgebiet geliefert würden. „Wir sind bereit, uns alle Optionen anzuschauen, um den maximalen Effekt für die Ukraine zu erzielen“, sagte Cameron. Er werde aber „keine Details nennen und unseren Gegnern verraten, was wir vorhaben“.

Wie bewerten die Briten die Haltung von Scholz zum Thema Taurus?

Scholz lehnt die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Deutschland könne „nicht tun, was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird“. Dies wurde von einigen als Zeichen dafür verstanden, Scholz traue den Ukrainern nicht, die Raketen verantwortungsvoll einzusetzen. Cameron wies die Sorge zurück, die Lieferung könne zu einer Eskalation des Krieges führen. Es sei „absolut möglich, Beschränkungen beim Einsatz dieser Waffen festzulegen, um sicherzustellen, dass sie in keiner Weise zu einer Eskalation beitragen. Und das tun sie auch nicht“, sagte er. Großbritannien vertraue entsprechenden Zusicherungen der Ukraine. Man sei zufrieden mit den Arrangements, die man getroffen habe.

Ist die Idee eines solchen Ringtauschs schonmal aufgekommen?

Über einen Taurus-Ringtausch wird schon länger nachgedacht. Bereits im Januar gab es nach dpa-Informationen Überlegungen, Nato-Partnern wie Großbritannien oder Frankreich Taurus-Raketen der Bundeswehr zu liefern. Medienberichten zufolge bot Großbritannien an, der Ukraine im Gegenzug weitere seiner Storm-Shadow-Marschflugkörper zu überlassen. Zu einem Tauschhandel als indirekter Variante der Militärhilfe hatte Scholz auch schon zu Beginn des Ukraine-Kriegs gegriffen, als er noch keine Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine schicken wollte. Bündnispartner wurden damals mit Leos unterstützt, um ihre deutlich weniger leistungsfähigen Panzer aus Sowjetzeiten in die Ukraine zu liefern.

Wie bewerten die Kritiker den neuen Vorschlag aus London?

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter rief dazu auf, ein Ringtausch-Angebot anzunehmen. Die beste Lösung wäre eine direkte Taurus-Lieferung, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Aber bevor die Ukraine gar keine weiteren Marschflugkörper bekommt, ist der Ringtausch eine Möglichkeit.“ Scholz dürfe „dem nicht auch noch im Wege stehen“. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hält einen Ringtausch dagegen nicht für ausreichend. Er wäre „nur ein schwacher Trost“, sagte sie am Sonntag. „Es würde nur dazu führen, dass wir mit dem Taurus modernstes Material abgeben würden, was dann wieder nicht der Ukraine, sondern einem starken Partnerland wie Großbritannien zugutekäme, das sich dann auf Kosten der Bundeswehr modernisieren würde.“ Die Ukraine brauche den Taurus direkt. Ähnlich äußerte sich Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU) in der „Rheinischen Post“. Das britische System könne den Taurus in Reichweite, Präzision und Durchschlagskraft nicht ersetzen.

Wie ist der Stand der Debatte um die Marschflugkörper in der Regierung?

Die Ampel-Koalition steht in der Taurus-Debatte gespalten da. Das dürfte sich auch in der kommenden Woche zeigen, wenn die Union im Bundestag erneut einen Antrag stellen will, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das weitreichende Waffensystem „unverzüglich“ an die Ukraine abzugeben. Es gibt Anzeichen, dass dieser Antrag auch aus den Reihen von FDP und Grünen unterstützt werden könnte. Strack-Zimmermann kündigte ihre Zustimmung an - ähnlich wie bei einem ähnlichen Unions-Antrag vor zwei Wochen. FDP-Vize Wolfgang Kubicki will sein Votum laut „Rheinischer Post“ von der Formulierung des Antrags abhängig machen. Der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz warf der Union im „Tagesspiegel“ vor, sie wolle „den Taurus dafür nutzen, die Koalition zu zerschießen“.

Vizekanzler Robert Habeck sieht Abweichlern dagegen gelassen entgegen. „Wir hatten ja bei verschiedenen Abstimmungen immer wieder ein paar Stimmen, die sich anders verhalten haben. Das hält die Koalition gut aus“, sagte der Grünen-Politiker bei Welt TV. Zugleich riet er aber dazu, einen Showdown zu verhindern. Die Tage bis zur geplanten Abstimmung am Donnerstag „sollten wir klug nutzen“, appellierte Habeck. Er hoffe, dass es bis dahin eine Dynamik gebe, der Ukraine „schnell weitere militärische Unterstützung geben zu können“.

Wie geht es nun in Sachen Taurus-Lieferung weiter?

Vor der Abstimmung im Bundestag wird Scholz am Mittwoch in der Regierungsbefragung den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Es ist zu erwarten, dass es auch hier um die Taurus-Lieferungen gehen wird. Bereits am Montag kommt der Verteidigungsausschuss zu einer Sondersitzung zur Taurus-Abhöraffäre zusammen. Hier soll Verteidigungsminister Boris Pistorius sprechen. Der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte erwartet von dem SPD-Politiker Aufklärung, ob deutsche Soldaten im Falle einer Taurus-Lieferung in der Ukraine gebraucht würden. Otte sagte der „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“, im Gegensatz zu Bundeskanzler Scholz habe die Luftwaffen-Führung deutlich gemacht, dass ein Einsatz deutscher Soldaten hier nicht nötig sei. „Wir sollten also liefern können“, betonte Otte. Otte verlangte dazu Aufklärung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses. Dort soll es vor allem um das von Russland veröffentlichte abgehörte Gespräch deutscher Luftwaffen-Offiziere zu Taurus gehen. (dpa)