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Rundschau-Debatte des TagesMuss das Asylrecht eingeschränkt werden?

Lesezeit 4 Minuten
Flüchtlinge verlassen ein Schiff. Ein Mann zeigt ihnen die Richtung, in die sie gehen sollen.

Vor allem an den Außengrenzen der EU – wie hier in Spanien – kommen wieder deutlich mehr Migranten an. Damit verschärft sich auch die Situation in Deutschland.

Die Zahl der Menschen, die nach Europa flüchten, steigt wieder an. Großbritannien will Migranten ohne Visum bald nach Ruanda ausfliegen. So etwas lehnt die EU ab – doch andere Lösungen fehlen bislang.

In Deutschland und der EU wird fieberhaft nach Lösungen gesucht, die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge zu begrenzen. Denn viele Aufnahmeeinrichtungen sind überlastet, Kommunen fühlen sich alleingelassen, die Länder fordern mehr Geld vom Bund. Auch in Brüssel ist die Anspannung groß. Was tun?

Erst im Februar rief EU-Ratschef Charles Michel einen Sondergipfel zum Thema Migration ein. Grund sind fast eine Million Asylanträge im vorigen Jahr, so viele wie seit 2016 nicht. Hinzu kamen fast vier Millionen Menschen aus der Ukraine, die keinen Asylantrag stellen müssen. Ein Problem für Länder wie Deutschland ist vor allem die sogenannte Sekundärmigration – also das unerlaubte Weiterziehen von Asylsuchenden von einem EU-Land ins nächste.

Warum kommen Asylbewerber aus anderen EU-Staaten zu uns?

Die europäischen Regeln sehen vor, dass jeder in dem EU-Staat, in dem er zuerst registriert wird, seinen Asylantrag stellen muss. Manche Asylbewerber vermeiden eine Registrierung deshalb, etwa in Italien oder Griechenland. Vor allem aus zwei Gründen: Entweder, der Betreffende möchte zu Verwandten oder Freunden etwa nach Deutschland. Oder er erhofft sich hier bessere Chancen auf einen gut bezahlten Job beziehungsweise eine bessere Versorgung durch den Staat.

Kann jeder, der nach Deutschland kommt, einen Asylantrag stellen?

Grundsätzlich kann jeder ein Schutzersuchen stellen. Allerdings gelten die EU-Staaten sowie acht weitere Länder in Europa und Afrika als sogenannte sichere Herkunftsländer, bei denen davon ausgegangen wird, dass ein positiver Asylbescheid bei Antragstellern aus diesen Staaten sehr unwahrscheinlich ist. Ist ein anderer EU-Staat nach den sogenannten Dublin-Regeln für das Asylverfahren eines Antragstellers zuständig, kann der Schutzsuchende dorthin zurückgeschickt werden. Allerdings klappt das häufig nicht, vor allem bei Italien.

Worum geht es beim Streit zwischen Bund und Ländern?

Länder und Kommunen fordern vom Bund mehr Geld, um etwa Unterkünfte, Kita-Plätze und Integrationskurse zu bezahlen. Die Kommunen wollen zudem, dass Asylbewerber mit schlechter Bleibeperspektive in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder bleiben, idealerweise bis zur Abschiebung. Dann blieben mehr Kapazitäten, um sich um diejenigen zu kümmern, die länger in Deutschland bleiben. Der Deutsche Städtetag hat vorgeschlagen, der Bund solle selbst Einrichtungen für Flüchtlinge bereithalten. Vor allem Unionspolitiker wollen außerdem, dass Innenministerin Nancy Faeser bereits zugesagte Aufnahmeprogramme stoppt, etwa für Menschen aus Afghanistan oder für Bootsflüchtlinge aus Italien.

Wo bleibt die EU-weite Verteilung der Schutzsuchenden?

Faeser wird nicht müde, von ihren EU-Kollegen Solidarität bei der Aufnahme Schutzsuchender einzufordern. Jedoch hat die SPD-Politikerin kaum noch Mitstreiter an ihrer Seite. Über eine verbindliche Quote will in Brüssel niemand mehr reden. Auch auf freiwilliger Basis nehmen kaum noch Staaten Asylsuchende aus den Ländern an den EU-Außengrenzen, die besonders unter Druck stehen, auf. Die meisten Länder setzen auf einen restriktiven Kurs in der Asylpolitik. Sie fordern, dass Zäune an den Außengrenzen aus dem EU-Haushalt bezahlt werden. Österreich fordert die Möglichkeit zur Zurückweisung von Migranten an den Außengrenzen – dabei muss es nach internationalem Recht erlaubt sein, einen Asylantrag zu stellen. Derzeit ziehen viele Migranten von Italien oder Griechenland weiter nach Deutschland, Österreich oder die Niederlande. Faeser forderte Rom deshalb zuletzt erneut dazu auf, Asylbewerber zurückzunehmen. Das Land hält sich allerdings schon seit Monaten nicht mehr an diese Regel.

Was wird auf EU-Ebene gegen die hohen Flüchtlingszahlen getan?

Eigentlich verhandeln die EU-Staaten und das Europaparlament derzeit über eine Reform der Asyl- und Migrationspolitik. Da es dies nur zäh vorangeht, wird zusätzlich an kurzfristigen Maßnahmen gearbeitet. Dazu gehört, mehr abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Denn die sogenannte Rückführungsquote der EU ist notorisch niedrig, zuletzt lag sie bei 21 Prozent. Dafür soll über die Visa-Politik Druck auf die Herkunftsländer gemacht werden. Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll häufiger für Sammelabschiebungen eingespannt werden. Zudem sollen Abschiebe-Entscheidungen anderer EU-Staaten häufiger von anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden.

Wäre das verschärfte britische Modell eine Option für die EU?

In Großbritannien Asyl zu beantragen soll nach Plänen der Regierung deutlich schwieriger werden. Stattdessen sollen Migranten, die über den Ärmelkanal ins Land kommen, so schnell wie möglich nach Ruanda ausgeflogen werden, wo ihr Asylantrag bearbeitet werden soll. Dass es dazu in Deutschland oder der gesamten EU kommt, ist nicht zu erwarten. EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas sagte: „Das ist nicht unser Europa. Das ist nicht die europäische Lebensart.“ (dpa)


„Zahl wird steigen“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) geht davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland erreichen, in den kommenden Monaten weiter deutlich ansteigen wird. Andreas Roßkopf, GdP-Verantwortlicher für den Bereich der Bundespolizei, sagte unserer Redaktion: „Wir stellen derzeit etwa 1500 illegale Einreisen pro Woche an den Grenzen fest. Dabei wird es sicherlich nicht bleiben. Mit jedem Monat, der wärmer wird, kommen mehr Menschen.“

Die Masse der Migranten werde mittlerweile von professionellen Banden durch Europa geschleust, so Roßkopf: „Das sind Vollprofis, die mit einer Erfolgsgarantie werben.“ Die Bundespolizei müsse technisch besser ausgestattet werden – etwa mit Drohnen, Kameras und moderneren Einsatzfahrzeugen. Zugleich sprach sich Roßkopf gegen feste Grenzkontrollen aus. „Das können wir in Deutschland gar nicht leisten, so viele Polizeibeamte haben wir gar nicht.“ Stattdessen müssten die EU-Außengrenzen besser abgesichert werden. (df)