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Rundschau-Debatte des TagesWorum dreht sich eigentlich der Streit um die Migration?

Lesezeit 4 Minuten
Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) spricht auf der Bühne bei der Wahlkampfveranstaltung.

Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) spricht auf der Bühne bei der Wahlkampfveranstaltung.

Migration bleibt ein zentrales Thema in Deutschland. CDU-Chef Merz fordert strikte Grenzkontrollen und strengere Regelungen gegen illegale Zuwanderung. Und die anderen?

Im vergangenen Jahr äußerte Friedrich Merz noch die Hoffnung, dass Migration „nicht das Hauptthema im Bundestagswahlkampf“ wird. Nach dem Anschlag in Magdeburg und der Messerattacke von Aschaffenburg befeuert der CDU-Chef nun selbst die Debatte mit kontroversen Vorschlägen. Doch worüber genau streiten die Parteien beim Thema Migration?

Dauerhafte Grenzkontrollen

Die Union will, dass die deutschen Grenzen zu allen Nachbarstaaten „dauerhaft kontrolliert werden“. So steht es in ihrem Fünf-Punkte-Plan, den Kontrollen an allen deutschen Grenzen gibt es bereits seit Mitte September – sie gelten allerdings bisher als vorübergehend und sind lageabhängig, also nicht flächendeckend. Gut 3800 Kilometer deutsche Landgrenze wirklich lückenlos zu kontrollieren, dürfte personell nur schwer umzusetzen sein. Die Gewerkschaft der Polizei übte bereits Kritik an den Plänen und schätzt, dass dazu bis zu 10.000 zusätzliche Bundespolizisten nötig wären.

Zurückweisungen an den Grenzen

Laut Bundespolizei gibt es bereits jeden Monat tausende Zurückweisungen. Es ist aber ein rechtlich schwieriges Thema: Wer Asyl fordert, müsste nach geltender Rechtslage zur Prüfung seines Anspruchs ins Land gelassen werden. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz fordert nach dem Messeranschlag von Aschaffenburg nun ein „faktisches Einreiseverbot“ für alle Menschen ohne gültige Dokumente – ausdrücklich auch für „Personen mit Schutzanspruch“.

Im Wahlprogramm von CDU und CSU wurden bereits „konsequente Zurückweisungen“ auch von Asylbewerbern verlangt, die über einen anderen EU-Staat einreisen wollen – da diese ihren Asylantrag eigentlich in dem Land stellen müssten, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Die FDP unterstützt laut Wahlprogramm eine „modellhafte Erprobung von Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen“. Die AfD will „Gewahrsamszentren“ an den Grenzen einrichten, damit Zurückweisungen erfolgreich sind. Grüne und Linke lehnen Zurückweisungen dagegen generell ab, auch die SPD ist gegen „Pauschalzurückweisungen“.

Abschiebehaft für Ausreisepflichtige

Merz will Ausreisepflichtige in Ausreisegewahrsam oder -haft nehmen und dann so schnell wie möglich abschieben. Die Bundespolizei soll auch die Befugnis bekommen, selbst Haftbefehle zu beantragen – dazu will die Union in dieser Woche einen entsprechenden Antrag in den Bundestag einbringen. Das Thema wird schon seit Jahren immer wieder auch zwischen Bund und Ländern diskutiert, deutschlandweit stehen aber weniger als 800 Haftplätze zur Verfügung.

Abschiebung nach Syrien und Afghanistan

Dass der Täter von Aschaffenburg aus Afghanistan kam, heizt die Debatte um Abschiebungen in das von den radikalislamischen Taliban regierte Land wieder an. Im Falle des Bürgerkriegslands Syrien ist dies bereits seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad Anfang Dezember der Fall. Vertreter von AfD und CDU/CSU sahen darauf keinen Fluchtgrund mehr und verlangten rasche Rückführungen. Die rot-grüne Bundesregierung sieht bisher aber keine grundsätzliche Veränderung der Situation, da angesichts unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen weiter eine prekäre Sicherheitslage herrscht. Am weitesten geht die AfD in der Abschiebedebatte: Sie machte sich in ihrem Wahlprogramm auch die umstrittene Forderung nach „Remigration“ zu eigen. Der Begriff steht bei Rechtsextremisten für die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund – im Zweifel auch derer, die ein Bleiberecht oder gar die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

Passentzug bei Doppelstaatlern

Anfang Januar schoss Merz auch gegen das von der Ampel-Koalition beschleunigte Einbürgerungsverfahren, das doppelte Staatsbürgerschaften grundsätzlich ermöglicht. Deutschland hole sich damit „zusätzliche Probleme ins Land“, sagte er. Deer CDU-Chef forderte, es müsse deshalb auch „eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben“. Dies stieß auf heftige Kritik von SPD, Grünen und Linken. Sie warfen Merz vor, er wolle eingebürgerte Deutsche zu Bürgern zweiter Klasse machen.

Der Unionskandidat ging mit dieser Forderung über das Wahlprogramm von CDU und CSU hinaus: Dort wird der Entzug der Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatlern nicht bei jeder Straftat gefordert, sondern explizit nur bei der Unterstützung von Terror-Organisationen, beim Aufruf zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie bei der Verurteilung wegen einer antisemitischen Straftat.

Asylverfahren in Drittstaaten

Die Union will „Asylverfahren in sicheren Drittstaaten“ – und zugesprochenen Schutz dann dort gewähren. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) setzt auf Asylverfahren außerhalb der EU – gleichfalls die FDP, sofern dort Rechtsstaatlichkeit gewährleistet ist. Die AfD verlangt, dass Anträge für Schutzsuchende „zukünftig außerhalb Deutschlands gestellt und bearbeitet werden“. Die SPD lehnt hingegen „die Externalisierung von Asylverfahren“ ab, ebenso wie Grüne und Linke.

Sozialleistungen für Geflüchtete

CDU/CSU wollen bei Ausreisepflichtigen die Leistungen auf „Bett, Brot und Seife“ reduzieren und „wo immer möglich“ ganz streichen. Ansonsten soll der „Vorrang von Sachleistungen“ vor Geldzahlungen an Asylbewerber gelten. Die AfD will nur Sachleistungen und Menschen, die nicht aufenthaltsberechtigt sind, die Sozialleistungen streichen. Beim BSW heißt es, wer kein Recht auf Aufenthalt und Asylverfahren habe, der habe „auch keinen Anspruch auf soziale Leistungen“.

Familiennachzug

Bei Geflüchteten, die kein Asyl bekommen, aber aus anderen Gründen „subsidär“ schutzberechtigt sind, wollen Union und FDP den Familiennachzug aussetzen, die AfD ihn streichen. Die SPD will die Familienzusammenführung hingegen „weiterhin ermöglichen, da sie eine entscheidende Voraussetzung für eine gelungene Integration darstellt“. Die Grünen wollen zudem „existierende Einschränkungen aufheben“. (afp)