Wie viel Geld darf der Bund im kommenden Jahr ausgeben – und vor allem wofür? Die Regierungsparteien versuchen seit Wochen, auf diese Frage eine Antwort zu finden.
Rundschau-Debatte des TagesGelingt der Durchbruch im Haushaltsstreit?
Die SPD drängelt, die FDP will sich nicht unter Druck setzen lassen: Ob es in den Verhandlungen der Ampel-Koalition über den Haushaltsplan 2025 bis Freitag zu einer Einigung kommt, war tags zuvor völlig offen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) kamen am Donnerstagnachmittag im Kanzleramt zu einer weiteren von unzähligen Verhandlungsrunden in den vergangenen Monaten zusammen.
Ob es die entscheidende sein würde, war zu Beginn noch unklar. Es wurden Gespräche notfalls bis tief in die Nacht erwartet – wieder einmal. Spätestens um kurz vor 7 Uhr am Freitagmorgen sollte aber erst einmal Schluss mit dem Marathon sein. Scholz wurde dann in der SPD-Bundestagsfraktion erwartet, um über den Stand der Dinge zu berichten – auch wenn es bis dann keinen Durchbruch geben sollte.
„Müssen sorgfältig beraten“
Die SPD-Fraktion hatte die Sondersitzung schon vor einigen Tagen angesetzt. Begründung: Der Freitag ist der letzte Sitzungstag vor der parlamentarischen Sommerpause – und die Abgeordneten wollten vorher Klarheit haben. FDP-Chef Lindner wehrte sich allerdings gegen den Druck, eine schnelle Einigung erzielen zu müssen. „Wir müssen sorgfältig beraten. Es geht um die Stabilität unserer Staatsfinanzen in einer unruhigen Weltlage“, sagte er.
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Scholz, Habeck und Lindner wollten eigentlich schon bis zum Mittwoch eine endgültige Verständigung schaffen. Jetzt ist der 17. Juli für den Kabinettsbeschluss im Gespräch. Um diesen Termin zu erreichen, ist aber eine baldige Grundsatzeinigung nötig, weil die Ausarbeitung des Haushaltsgesetzes dann in der Regel noch etwa zehn Tage dauert. Ab Mitte September befasst sich dann der Bundestag mit dem Haushaltsentwurf, der dann im November oder Dezember beschlossen werden könnte.
„Wachstumsturbo“ für die Wirtschaft
Verhandelt wird auch über ein Maßnahmenpaket, um die schwache Konjunktur in Schwung zu bringen. Der Kanzler nennt es „Wachstumsturbo“. Frühere Hilfspakete hatte er „Wumms“ oder „Bazooka“ getauft. In diesem Jahr wird in Deutschland nur ein Mini-Wachstum erwartet. Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, auch der private Konsum kommt nicht in Schwung. Wirtschaftsverbände beklagen seit langem Standortnachteile wie eine hohe Steuer- und Abgabenlast, einen Mangel an Fachkräften und zu viel Bürokratie.
Hier will die Regierung mit dem „Wachstumsturbo“ ansetzen. Scholz hatte bereits gesagt, die Bundesregierung wolle private Investitionen fördern. Er stellte verbesserte steuerliche Abschreibungen für Firmen in Aussicht. Außerdem sollten die Erwerbstätigkeit von Eltern erleichtert und Arbeitsanreize erhöht werden, auch durch steuerliche Vergünstigungen.
Immer noch fehlen Milliarden
Die Einzeletats der Ministerien für 2025 sind weitgehend ausgehandelt, umstritten ist dem Vernehmen nach vor allem noch der Sozialetat. Daneben besteht aber immer noch eine Lücke von rund zehn Milliarden Euro in den Planungen, die geschlossen werden muss. Vor allem die SPD dringt mit Blick auf finanzielle Belastungen durch den Ukraine-Krieg, die Schuldenbremse erneut auszusetzen, um mehr Spielraum für Investitionen zu haben. Für Lindners FDP kommt das bislang nicht infrage.
Die SPD lehnt ihrerseits Kürzungen im Sozialetat ab. Daneben geht es auch um mögliche Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds – aus diesem Sondertopf finanziert die Bundesregierung Projekte für mehr Klimaschutz. Infolge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts fehlen Milliarden in dem Topf.
Lindner: Mut zu Prioritäten
Der Finanzminister äußerte sich zurückhaltend. „Es ist noch einiges an Arbeit zu tun“, sagte Lindner bei einer Veranstaltung in seinem Ministerium. „Unser Land hat keinen Mangel an Geld, sondern oft nur einen Mangel an Mut, Prioritäten zu setzen.“ Lindner sprach sich erneut für Kürzungen bei Sozialausgaben aus. Seit 2022 seien diese um 15 Milliarden Euro angewachsen – allein aufgrund der Ausweitung von Leistungen und der Einführung neuer Leistungen.
Der FDP-Chef nannte als Beispiele den Kindersofortzuschlag, die Ausweitung des Wohngelds und das Deutschlandticket im Nah- und Regionalverkehr zum Preis von 49 Euro im Monat. Lindner sagte weiter, im Zuge der „Wirtschaftswende“ und einer Aktivierung am Arbeitsmarkt müsse es „zwangsläufig“ auch zu Maßnahmen beim Bürgergeld kommen.
Nachtragshaushalt für 2024 erwartet
Im Zuge der Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 und das Wachstumspaket wird erwartet, dass die Bundesregierung auch einen Nachtragshaushalt für 2024 auf den Weg bringt. Damit würde sie sich mehr finanziellen Spielraum verschaffen. Weil die Konjunktur in Deutschland schwächer als erwartet läuft, lässt die Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse eine größere Nettokreditaufnahme zu. Dabei könnte es um bis zu elf Milliarden Euro gehen. Bisher ist für das laufende Jahr im Rahmen der Schuldenbremse eine Nettokreditaufnahme von 39 Milliarden Euro geplant.
Kanzler wirbt für mehr Zuversicht
Scholz ging am Donnerstag beim Festakt zum 75. Gründungsjubiläums des Verbands kommunaler Unternehmen in Berlin nicht auf die Haushaltsverhandlungen ein. Er warb in seiner Rede aber ganz allgemein für mehr Zuversicht. „Die Zuversicht ist die Triebfeder der Moderne“, sagte er. Deutschland bekomme gerade in schwierigen Zeiten sehr viel hin. „All das mit einer unaufgeregten Zuverlässigkeit.“
Zuversichtlich zeigte sich Scholz auch mit Blick auf das Viertelfinale der Fußball-EM, für das er einen knappen Sieg der deutschen Mannschaft erwartet. Auf die Frage, was sein Tipp sei, antwortete er: „Tja, 1:0 für Deutschland.“ Scholz will am Freitag um 18 Uhr in Stuttgart live dabei sein, wenn das Team gegen Spanien antritt. Ob er dann eine Einigung im Haushaltssstreit in der Tasche hat, ist aber fraglich. (dpa)