Wann verkehren wieder durchgehend Züge auf der Eifelstrecke? – Die Bürgermeister der Anlieger-Gemeinden äußern ihren Unmut.
WiederaufbauBahn hält trotz Zweifeln am Zeitplan für die Strecke Kall-Gerolstein fest
Noch ist südlich des Kaller Bahnhofs keine Schaufel Schotter und kein Meter Gleis neu verlegt: Die Arbeiten zum Wiederaufbau der bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021 nahezu vollständig zerstörten Bahnstrecke im Urfttal kommen nur langsam voran. Trotzdem hält die Bahn an dem gesetzten Termin fest. „Ziel aller Beteiligten ist es trotz aller Herausforderungen, den Wiederaufbau in diesem Abschnitt im zweiten Quartal 2024 fertigzustellen“, teilte ein Sprecher der Deutschen Bahn auf Anfrage dieser Redaktion mit.
Für Verwirrung sorgte in diesem Zusammenhang jedoch eine Info-Tafel, die in dieser Woche am Euskirchener Bahnhof aufgestellt wurde, um die Fahrgäste über geplante Streckensperrungen und die Abfahrtsorte des Schienenersatzverkehrs zu informieren. Dort ist zu lesen, dass der Streckenabschnitt Kall-Nettersheim-Gerolstein bis voraussichtlich 2. September 2024 gesperrt bleiben wird.
Bei dem Schild handele es sich um eine „Baustellenübersicht des Zweckverbands go.Rheinland“, stellte ein Bahnsprecher klar: „Der 2. September bezieht sich auf das Ende der geplanten Sperrpause für die Elektrifizierung.“ Dieses Datum sei wohl mit dem Wiederaufbau „vermischt“ worden.
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Bau-Experte spricht von einem „sehr ambitionierten“ Ziel der Bahn
Ob das Ziel zweites Quartal 2024 tatsächlich erreichbar ist – daran dürfen ob der Vielzahl der noch zu bewältigenden Aufgaben durchaus Zweifel angemeldet werden. Und auch ein Mitarbeiter einer am Wiederaufbau beteiligten Baufirma, der namentlich nicht genannt werden möchte, spricht von einem „sehr ambitionierten Ziel“, das die Bahn da verfolge: „Da muss wirklich alles passen, sonst haut das nicht hin.“
Zuletzt hatte die Bahn im vergangenen Frühjahr ihren Zeitplan korrigiert: Statt bis Ende 2023 sollten sich die Arbeiten nun bis Mitte 2024 hinziehen. Da war aber auch noch nicht bekannt, dass die Bahnbrücke im Bereich „An der Spick“ zwischen dem Zementwerk bei Sötenich und Urft komplett neu gebaut werden muss.
Erst im November 2023 hat die Bahn die alte Brücke in mehreren Schritten abgerissen. Bei den Arbeiten wurden im Bereich der Brücke insgesamt sechs Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden – einer davon musste kontrolliert gesprengt werden. „Sobald die Witterung dies zulässt, starten die Arbeiten zum Neubau der neuen Brücke. Die Baufachleute beginnen im ersten Schritt mit der Tiefgründung für die neuen Widerlager, die künftig die neue Brücke tragen“, teilte die Bahn mit.
Wenig überraschend: Auch das Winterwetter sorgte für Verzögerungen
Verzögerungen gab es auch durch das Wetter: „Leider haben die starken und dauerhaften Regenfälle seit dem letzten Herbst die Bauarbeiten erschwert. Sie hatten insbesondere Auswirkungen auf die Arbeiten zur Beseitigung der Schlammstellen und zur Verbesserung und Stabilisierung der Bodenverhältnisse“, so der Bahnsprecher weiter. Wenig überraschend: „Auch Frost, Eis und Schnee haben dafür gesorgt, dass einige Arbeiten später als geplant gestartet sind – beispielsweise Betonierarbeiten.“
Eine zusätzliche Herausforderung für die Bautrupps sei auch der besonders harte Untergrund, auf dem momentan die Stützwand zur Urft in Sötenich gebaut wird. „Hier musste harter Fels zunächst weggestemmt werden, bevor die Bohrpfähle für die Stützwand gesetzt werden konnten“, heißt es dazu von der Bahn. Man habe deshalb den Bauablauf kontinuierlich angepasst und wichtige Arbeiten neu eingetaktet.
Bürgermeister aus Nettersheim, Blankenheim und Dahlem sind verärgert
Was zudem stutzig macht: Bei ihren Zeitplänen bezieht sich die Bahn nur auf den Wiederaufbau der Strecke – von der Wiederaufnahme des Zugverkehrs ist derzeit noch nicht ausdrücklich die Rede. Verhaltener Unmut wird daher jetzt auch aus der Politik laut. „Jeder Tag, an dem die Bahn nicht fährt, tut weh“, sagt der Nettersheimer Bürgermeister Norbert Crump: „Wir sind bemüht, einen konkreten Termin genannt zu bekommen.“
Ähnlich geht es Crumps Amtskollegen aus den Kommunen, die sich in Richtung Süden entlang der Bahnstrecke anschließen. „Es ist in der Tat sehr ärgerlich“, so Blankenheims Bürgermeisterin Jennifer Meuren: „Wir wünschen uns verlässliche Angaben.“
„Natürlich sind wir mit dem aktuellen Stand nicht zufrieden“, sagt Jan Lembach. Mit Blick auf die besonders hohe Auspendlerquote in seiner Gemeinde ergänzt der Dahlemer Bürgermeister: „Unser Bahnhof wurde bereits vor der Flut komplett saniert und wartet seitdem auf die Wiederaufnahme des Bahnverkehrs.“ Dabei schaut Lembach nicht nur auf die Strecke in Richtung Köln: „Von Dahlem und Schmidtheim aus sind etliche Bürger vor der Flut auch nach Jünkerath oder Gerolstein gependelt – auch in der Richtung geht es ja noch nicht weiter.“
Keine Bahn: Tourismusbetrieben in der Eifel fehlen die Tagesgäste
Das – so sagt Bürgermeisterin Jennifer Meuren – sei keine gute Nachricht für den Tourismus in der Region: „Weil Tagesgäste häufig mit der Bahn anreisen, bekommen das auch die touristischen Betriebe immer mehr zu spüren.“
Droht den Betrieben in der Region nach Corona und der Flut also noch ein weiteres verlorenes Jahr? Die Besucherzahlen seien im vergangenen Jahr rückläufig gewesen, was aber auch am noch nicht wieder durchgängig befahrbaren Ahrtalradweg liege, betont Meuren: „Radtouristen ergänzen ihre Touren sehr gerne mit dem ÖPNV, deshalb ist für sie die Bahn besonders wichtig.“
Neben Touristen und Berufspendlern hat Norbert Crump noch ein weiteres Klientel im Auge: den Schülerverkehr. „Wir haben bei der Konzeption der Gesamtschule Eifel mit den beiden Standorten Blankenheim und Nettersheim ganz bewusst sehr stark auf die Bahn gesetzt. Auch deshalb brauchen wir einen verlässlichen Termin von der Bahn, um hier planen zu können“, so der Nettersheimer Bürgermeister: „Für den Ort und die ganze Region ist die Bahn essenziell wichtig. Deshalb muss es so schnell wie möglich weitergehen mit den Bauarbeiten.“
Nicht nur Pendler sind betroffen
Im Schmidtheimer Rathaus macht Bürgermeister Lembach die fehlende Bahnanbindung auch für die schleppende Vermarktung von Neubaugrundstücken mitverantwortlich. „Wir haben für die Erschließung des Plangebiets Auf Schieferstein viel Geld in die Hand genommen. Ich bin sicher, dass der Verkauf wieder anzieht, wenn die Bahnanbindung endlich wieder hergestellt ist“, so Lembach.
Auch für die Bauarbeiten im Urfttal hat Lembach, der die örtlichen Gegebenheiten kennt, einen Vorschlag: „Ich weiß nicht, ob es wirklich immer notwendig ist, so viele und so komplizierte Vorgaben für den Bau der Strecke zu machen“, sagt er mit Blick auf die sogenannten Schlammstellen, die die Bahn dort ausgemacht hat und mit deren Verfestigung im vergangenen Jahr begonnen wurde: „Immerhin ist die Bahn da ja schon 130 Jahre lang problemlos drübergefahren.“
Und selbst, wenn die durchgängige Befahrbarkeit der 160 Kilometer langen Strecke von Köln nach Trier wieder hergestellt ist, gehen die Bauarbeiten weiter: „Gleichzeitig laufen die Planungen für die Elektrifizierung der Strecke auf Hochtouren. Damit Ende 2026 die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, will die DB mit den Bauarbeiten schnellstmöglich starten“, so ein Sprecher der Bahn. Dazu erfolgen derzeit Detailabstimmungen mit den Baufirmen, Planern, Aufgabenträgern und allen anderen Beteiligten. „Die erste größere Sperrpause ist ab Ende Juni 2024 geplant“, so der Unternehmenssprecher.
Eifelstrecke: Schienenersatzverkehr bleibt auch 2024 an der Tagesordnung
Fahrgäste der Bahn müssen in den kommenden Wochen und Monaten mit einigen Einschränkungen auf der Eifelstrecke rechnen. Folgende gibt die Deutsche Bahn (DB) bekannt:
Kall-Nettersheim-Gerolstein: Wegen des Wiederaufbaus der Eifelstrecke infolge der Flutkatastrophe 2021 bleibt der Abschnitt zwischen Kall und Nettersheim weiterhin gesperrt. Es gibt einen Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Kall und Nettersheim beziehungsweise Gerolstein.
Erftstadt-Köln-Messe/Deutz: Aufgrund der Arbeiten für das neue elektronische Stellwerk wird der Abschnitt zwischen Erftstadt und Köln-Hauptbahnhof vom 1. bis 22. März 2024 gesperrt. Die Züge der Linien RE22 und RB24 aus Kall enden dann bereits in Erftstadt. Es gibt einen Ersatzverkehr mit Schnellbussen zwischen Erftstadt und Köln-Hauptbahnhof sowie einen Ersatzverkehr mit Lokalbussen zwischen Erftstadt und Hürth-Kalschueren mit Zwischenhalten in Brühl-Kierberg und Hürth-Fischenich.
Mechernich-Kall: Für die Zeit vom 23. bis 28. März 2024 ist eine Sperrung zwischen den Bahnhöfen Mechernich und Kall geplant. Der Grund sind Weichenerneuerungen. Die Züge der Linien RE22 und RB24 fahren von Köln Messe/Deutz kommend nur bis Mechernich. „Der auf der Relation Gerolstein bis Kall verkehrende Hochwasser-Schienenersatzverkehr wird ab Kall bis Mechernich verlängert“, teilt die DB mit. In der Gegenrichtung gebe zudem einen Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Mechernich und Kall.
Hürth-Kalscheuren-Köln Messe/Deutz: Wegen Brückenarbeiten kommt es vom 8. bis 12. April sowie am 10. und 14. Mai 2024 zu Sperrungen zwischen Hürth-Kalscheuren und Köln Messe/Deutz. Die Züge (RE22 und RB24) enden dann in Hürth-Kalscheuren. Als Ersatzverkehr sollen Busse zwischen Erftstadt und Hürth-Kalscheuren beziehungsweise Erftstadt und Köln-Hauptbahnhof eingesetzt werden. (sch)