Wolfsburg – Volkswagen plant wegen der Produktionseinbrüche durch die Chipkrise vorerst keine weitere Streichung von Schichten außerhalb des Stammwerks Wolfsburg - der Betriebsrat macht aber weiter Druck für einen verbesserten Chip-Einkauf.
„Wir haben an fast allen Standorten die Leiharbeit auslaufen lassen müssen und somit bereits zum Jahreswechsel umgesteuert”, sagte Personalvorstand Gunnar Kilian der Deutschen Presse-Agentur. Werke wie Emden sind zudem schon länger auf einen Zwei- statt Dreischichtbetrieb ausgerichtet.
Schichtenwegfall wegen Elektronikmangel
An seinem Hauptsitz kappt VW ab Mitte April hingegen wohl die meisten Nachtschichten. Grund ist der anhaltende Elektronikmangel. Im vorigen Jahr wurden in Wolfsburg 330.000 Autos weniger gebaut. Und die knapp 400.000 noch gefertigten Fahrzeuge sind ein Tiefstand seit 1958.
Der Betriebsrat hatte die Einkaufspolitik des Managements kritisiert. Er fordert nun einen Ausgleich für den Schichtenwegfall an betroffene Beschäftigte. „Die anderen fahrzeugproduzierenden Standorte sind im Wandel zur E-Mobilität einen Schritt früher dran als Wolfsburg”, sagte die Vorsitzende Daniela Cavallo. „Deswegen haben wir darum gekämpft, den ID.3 hierher zu holen, um genügend Möglichkeiten zu haben.” Das Elektromodell soll von 2023 an teilweise, ab 2024 dann voll auch in Wolfsburg gefertigt werden. In der aktuellen Krise des Stammwerks müsse der Vorstand der Belegschaft aber entgegenkommen.
„Wir haben volle Auftragsbücher - es ist ja nicht so, dass wir generell ein Problem mit der Auslastung hätten”, betonte Cavallo. „Aber die Halbleiter fehlen. Das passt nicht zusammen, und es ist nur schwer auszuhalten.” Die Kollegen sähen, „dass es eigentlich laufen müsste. Da muss also auch das Unternehmen sich bewegen und dieser Situation Rechnung tragen.” Ein finanzielles Abfedern sei nötig.
Klarheit über Schichtmodelle
Kilian meinte zu den Verhandlungen: „Das ist keine einfache Diskussion, in der wir uns gerade befinden.” Es bestehe aber „ein hohes Interesse auf beiden Seiten, der Belegschaft jetzt möglichst schnell Klarheit über die neuen Schichtmodelle zu geben”. Es gehe nicht nur ums Geld, sondern auch um das Privatleben langjähriger Nachtschicht-Kollegen, etwa in der Abstimmung mit Kinderbetreuung oder Pflege. Der Umbau sei insgesamt nicht abzuwenden, erklärte der Konzernpersonalchef: „Wenn wir die entsprechenden Produktionsvolumina nicht erreichen können, wie aktuell durch die Halbleiterkrise, müssen wir handeln. Denn es geht am Ende auch um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und damit um die Sicherheit der Arbeitsplätze.”
Die Folgen der weltweiten Flaute bei Mikrochips seien schwer abzusehen. „Es ist nicht nur eine kurze Phase, über die wir hier sprechen”, sagte Kilian. „Wir sehen, dass wir auch mittelfristig am Standort Wolfsburg nicht mehr mit dem bisherigen Schichtmodell fahren können.” Cavallo bestätigte, die akuten Veränderungen sollten nun rasch besprochen werden: „Wir arbeiten auf Hochtouren daran, dass es zeitnah zu einer Einigung kommt. Die Leute wollen wissen: Ab wann ändern sich Schichtmodelle, und wie wird meine Arbeit dann genau aussehen?” Angrenzende Bereiche neben der Montage dürften ebenfalls von Auswirkungen betroffen sein.
Chipkrise belastet Einkauf
Die Chipknappheit müsse weitreichende Konsequenzen für den Einkauf bei Volkswagen haben, meinte Cavallo, die auch im Aufsichtsrat sitzt. „Sicherlich ist schon einiges passiert. Wir haben die Taskforce zur Halbleiterversorgung. Es geht aber auch darum, ein strategisches, langfristiges Liefermanagement aufzubauen - übrigens nicht nur für Mikrochips.” Andere Hersteller seien zum Beispiel schon beim Chipdesign unterwegs und könnten so bei ihren Lieferanten besser die nötigen Mengen sichern. „Das ist hier erkannt - doch bis das letztlich alles aufgebaut ist, vergeht eine gewisse Zeit.”
Kilian wies darauf hin, dass außer den Autobauern andere Industrien die Schwierigkeiten ebenso unterschätzten. VW-Einkaufsvorstand Murat Aksel kündigte partnerschaftlichere Beziehungen zu Lieferanten an, Konzernchef Herbert Diess setzt unter anderem auf langfristiger angelegte Verträge mit mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten.
Wie man die Arbeitszeitmodelle in der Autoproduktion ähnlich wie für Angestellte im Homeoffice flexibler mache, werde später verhandelt, kündigte Cavallo an. „Das diskutieren wir aktuell nicht, weil wir erst die vielen anderen Themen bewältigen müssen. Es wäre nicht gut, da mehr Unruhe reinzubringen, als wir ohnehin schon haben.” Die Unternehmensleitung sei dazu derzeit wohl auch nicht bereit.
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