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Steigende Mehrwertsteuer„Die Kölner Brauhaus-Kultur ist in Gefahr“

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Brauhaus-Gemütlichkeit für jeden Geldbeutel: Diese Tradition sieht Anna Heller durch die Mehrwertsteueränderung in Gefahr.

Brauhaus-Gemütlichkeit für jeden Geldbeutel: Diese Tradition sieht Anna Heller durch die Mehrwertsteueränderung in Gefahr.

Zum Jahreswechsel steigt die Mehrwertsteuer auf Speisen im Lokal. Die Dehoga befürchtet deutliche Folgen für die Ausgehkultur.

Die Backsteinwände, die alten Bierfässer, das blankgescheuerte Holz der Tische, an denen schon so manches Gespräch stattgefunden hat, das Brotkörbchen für 3,50 Euro: „Ich bin nicht Gastronomin geworden, damit die Leute sich das Essen bei mir abholen“, sagt Anna Heller. Einen Ort der Geselligkeit möchte sie bieten. Deswegen gibt es bei ihr im Hellers Brauhaus nicht nur die Grillhaxe zu 21,90 Euro oder den Rheinischen Sauerbraten für 18,60 Euro, sondern auch zahlreiche Gerichte, die preislich zwischen diesen beiden und dem Brotkorb liegen. Und deswegen findet sie es mehr als ungerecht, dass gerade diese Orte der Geselligkeit künftig benachteiligt werden sollen.

Denn das, sagt sie, passiert, wenn ab 2024 Speisen im Lokal wieder mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden, während Take-Away-Gerichte weiterhin zu einem Satz von sieben Prozent verkauft werden. Dafür, dass man in der Gastronomie noch ein schönes Ambiente anbiete und zur Lebensqualität einer Stadt beitrage, werde man also bestraft, fasst die Wirtin, die auch stellvertretende Vorsitzende der Dehoga Köln ist, zusammen. Sie sieht die Kölner Brauhaus-Kultur in Gefahr.

In allen anderen Bereichen ist die Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten, aber in der Gastronomie wurden wir dafür bestraft, dass wir aus einem Produkt etwas Besseres machen.
Anna Heller; Dehoga Köln

„Wir Gastronomen fanden es nie richtig, dass Lebensmittel im Einzelhandel und im Großhandel mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt wurden, in der Gastronomie jedoch traditionell mit 19 Prozent. So mussten wir ja teurere Preise machen. In allen anderen Bereichen ist die Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten, aber in der Gastronomie wurden wir dafür bestraft, dass wir aus einem Produkt etwas Besseres machen“, kritisiert Anna Heller. Als Reaktion auf die Corona-Pandemie wurde der Steuersatz temporär gesenkt. Einige Gastronomen gaben diese Entlastung an ihre Kunden weiter, indem sie die Preise senkten, doch seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine war das immer weniger der Fall.

„Der Ukraine-Krieg traf uns Gastronomen durch die hohen Energiekosten und die generelle Inflation noch viel schlimmer als Corona. Zudem gab es ja – anders als während der Pandemie – null Hilfen. Allein meine Energiekosten sind um 500 Prozent gestiegen. Das konnte ich unmöglich alles auf meine Gäste umlegen“, so Heller. Da aber weiterhin der reduzierte Mehrwertsteuersatz galt, ließ sich die Mehrbelastung ein Stück weit kompensieren: So behalfen sich viele aus ihrer Branche.

NRW hat eine Initiative zur dauerhaften Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurant- und Verpflegungsleistungen ergriffen. Dieser Antrag hat leider im Kreis der anderen Bundesländer keine Mehrheit gefunden.
Berivan Aymaz (Grüne), Vizepräsidentin des NRW-Landtags

Die Dehoga befürchtet: Wenn nun Speisen in der Gastronomie wieder mit 19 Prozent besteuert werden, ergeben sich so hohe Preissteigerungen, dass einige Kunden sich das Ausgehen nicht mehr werden leisten können. Oder eben auf Take-Away-Gerichte ausweichen, die weiterhin dem 7-Prozent-Steuersatz unterliegen, folglich günstiger sind. Ein Szenario, das Anna Heller nicht gefällt: Sie möchte, dass die Gastronomie, insbesondere die Kölner Brauhaus-Kultur, weiterhin ein Treffpunkt für alle Schichten ist. „Die Gastronomie hat eine soziale Funktion, es geht um viel mehr nur um ein warmes Essen.“

Als Inbegriff von Lebensfreude, Gemütlichkeit und Geselligkeit sind Kölns Brauhäuser weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Zahlen zeigen, dass genau solche Treffpunkte gebraucht werden, denn: Rund 14,5 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen leiden unter Einsamkeit, schreibt die Landesregierung, die diesem Phänomen den Kampf ansagen möchte.

NRW-Landesregierung unterstützt das Anliegen der Wirte

Dazu passt, dass die schwarz-grüne Koalition die Forderung der Gastronomen unterstützt: „Im Oktober 2022 hat NRW eine Initiative zur dauerhaften Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurant- und Verpflegungsleistungen auf sieben Prozent ergriffen. Dieser Antrag hat leider im Kreis der anderen Bundesländer keine Mehrheit gefunden“, bedauert Berivan Aymaz (Grüne), Vizepräsidentin des Landtags NRW. Sie sieht den Bundestag am Zug.

Der allerdings hat im September einen Antrag auf dauerhafte Ermäßigung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie, den die CDU/CSU gestellt hatte, abgelehnt – auf Bundesebene wollte sich keine der Ampelparteien vom vorgetragenen Argument überzeugen lassen, dass Restaurants und Wirtshäuser unverzichtbare Treffpunkte und auch unter touristischen Aspekten wichtig seien.

Indem mit dem Jahreswechsel der Stichtag zur Umstellung näher rückt, sinkt bei den Gastronomen die Hoffnung, noch etwas an dem ändern zu können, was auf die zukommt: Im September stimmte der Bundestag in zweiter Lesung gegen die dauerhafte Ermäßigung des Satzes. Nach Einschätzung des Finanzausschusses sind durch die Anhebung 3,3 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen zu erwarten.

Eine Milchmädchenrechnung, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Kölner Dehoga: „Dagegen stehen geringere Umsätze und Schließungen. Und für Gastronomen, die sich nicht trauen, die Preise entsprechend anzuheben, wird es fatal.“