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Stromfischer auf dem MeerRWE plant schwimmende Solaranlagen

Lesezeit 5 Minuten
Die rund 150 Meter mal 50 Meter große Solaranlage des Kiesproduzenten Hülskens schwimmt auf einem Baggersee. Auf 90 Schwimmern sind 2000 Solarmodule montiert, die eine Spitzenleistung von 750 Kilowatt haben.

Bisher gibt es das nur auf Binnengewässern wie hier auf einem Baggersee: Schwimmende Solaranlagen will RWE auch auf hoher See errichten.

Riesige Windparks und Fotovoltaik-Inseln auf hoher See sollen die Energiewende antreiben. Auch RWE hat große Pläne. Dabei sind die technischen Herausforderungen enorm.

Im Rennen um die nachhaltige Energieversorgung der Zukunft zieht es die Stromerzeuger hinaus aufs Meer. Riesige Offshore-Windparks mit über 200 Meter hohen Turbinen sollen in den nächsten Jahren in der Nordsee entstehen. Neue Technologie-Wege geht auch der Essener Konzern RWE, der in rauer See Wind und Sonne kombinieren will: Zwischen den Windrädern sollen schon bald auf der Meeresoberfläche schwebende Solar-Inseln die Stromausbeute erhöhen.

Stürme und meterhohe Wellen

Grüner Windstrom aus dem Meer gilt als Königsklasse der Energieerzeugung. Offshore-Fotovoltaik aber setzt noch einen drauf: Auf hoher See müssen die elektrischen Komponenten Stürme und meterhohe Wellen überstehen und dem Salzwasser trotzen. Eine Antwort darauf hat das niederländisch-norwegische Unternehmen SolarDuck gefunden, das RWE die Technologie liefern wird.

SolarDuck, ein Spin-off des größten niederländischen Schiffbauunternehmens Damen Shipyards, hat dreieckige Plattformen mit einer Seitenlänge von 35 Metern entwickelt, auf denen die Solarmodule installiert sind. Die miteinander verbundenen Plattformen werden von schwimmenden Pfeilern gehalten und schweben so mehrere Meter über der Wasseroberfläche. Wie ein Teppich auf dem Wasser sollen sich die Solarmodule dem Wellengang anpassen. Die empfindliche Elektrik bleibt trocken und sauber, teilt das Unternehmen mit.

Bureau Veritas, eine der wichtigsten Prüfstellen für Offshore-Sicherheit, hat der Konstruktion die weltweit erste Zertifizierung für schwimmende Offshore-Solaranlagen verliehen. Die Anlage sei auf Wellenhöhe von bis zu 7,3 Metern und Wind in Hurrikan-Stärke ausgerichtet, gibt SolarDuck auf Anfrage bekannt. Angaben zu den Kosten einer Insel gibt es nicht.

Flächen an Land sind rar

In der Kombination von Meereswind und Sonnenenergie sieht RWE ungenutzte Möglichkeiten der Stromerzeugung. An Land sind große Flächen für Solarparks rar, auf dem Meer aber gibt es Platz zwischen den Windturbinen, um zusätzlichen Strom zu erzeugen. Auch bei Betrieb und Wartung der Hybrid-Anlagen ergeben sich laut RWE Vorteile. „Gerade für Länder mit geringeren und mittleren Windgeschwindigkeiten, aber hoher Sonneneinstrahlung sehen wir großes Potenzial – etwa im Mittelmeer“, sagt Sven Utermöhlen, CEO Wind Offshore bei RWE Renewables.

RWE, hinter dem dänischen Konzern Ørsted weltweit die Nummer zwei der Offshore-Windbranche, will die schwimmenden Solarinseln in der Nordsee vorantreiben. Wenige Kilometer vor der Küste von Scheveningen in den Niederlanden soll auf einer Testfläche die Pilotanlage „Merganser“ mit einer Leistung von 500 Kilowatt installiert werden und laut RWE in der zweiten Jahreshälfte in Betrieb gehen.

Für RWE soll Merganser der Grundstein für größere Pläne werden: „Wir wollen erste Anwendungserfahrung sammeln und so die vielversprechende Technologie weiterentwickeln“, sagt Utermöhlen. So soll ebenfalls in diesem Jahr das Gemeinschaftsprojekt EU-Scores gestartet werden, bei dem RWE mit anderen Partnern eine drei Megawatt-Offshore-Fotovoltaikanlage des niederländischen Unternehmens Oceans of Energy mit einem Offshore-Windpark vor der Küste Belgiens kombiniert.

Einstieg in den niederländischen Offshore-Markt

Vor wenigen Wochen hat RWE zudem von der niederländischen Regierung den Zuschlag für einen Bauabschnitt des Offshore-Windparks Hollandse Kust West erhalten. Der Windpark soll später rechnerisch Strom für fast eine Million niederländische Haushalte liefern, er liegt etwa 53 Kilometer vor der niederländischen Westküste. Auf dem zugewiesenen Bauabschnitt plant RWE den Bau von Windrädern mit insgesamt 760 Megawatt.

Mit dieser Genehmigung ist RWE zugleich der Einstieg in den niederländischen Offshore-Windmarkt gelungen. Die Niederlande sind für den Essener Energieerzeuger einer der wichtigsten strategischen Wachstumsmärkte in Europa.

Auf der Fläche Hollandse Kust West VII will RWE gemeinsam mit SolarDuck inmitten der Windturbinen einen schwimmenden Solarpark mit einer Leistung von fünf Megawatt als Demonstrationsanlage errichten. Das Hybridprojekt könnte 2026 in Betrieb gehen. „Es wird die Robustheit unserer Lösung demonstrieren“, glaubt SolarDuck-CEO Koen Burgers.

Die Offshore-Parks und Solarinseln sind Teil der milliardenschweren Investitionen in Erneuerbare Energien, mit denen RWE den Umbau des Konzerns vorantreiben will. Den Abschied vom fossilen Erbe aber nimmt dem Konzern nicht jeder ab: Die Auseinandersetzungen um den Tagebau in Lützerath erinnern Kritiker in diesen Tagen an das Bild des alten Kohlekonzerns.

Ein Schwerpunkt der Investitionen in NRW

RWE hat angekündigt, bis 2030 in Deutschland bis zu 15 Milliarden Euro unter anderem in Windkraft, Solar, Speicher und Wasserstoff zu investieren. Ein Schwerpunkt soll NRW sein. Bei der Offshore-Windenergie will RWE die installierte Leistung von derzeit drei Gigawatt bis 2030 auf acht Gigawatt erhöhen – und weiter hinaus aufs Meer ziehen: Schwimmende Turbinen sollen die Windkraft-Potenziale in tieferen Gewässern erschließen. RWE betreibt aktuell 18 Offshore-Windparks in fünf Ländern.

Die Technologie-Offensive deutscher Energiekonzerne zeugt auch von den Hoffnungen der Offshore-Windbranche, die Jahre des stockenden Ausbaus endlich hinter sich zu lassen. Die Hochsee-Technologie galt anfänglich als teuer und unausgereift. Inzwischen kann sie bei den Stromkosten fossiler Quellen mithalten. Das macht Windräder auf dem Meer zu wichtigen Säulen der Energiewende.

15 Jahre hat diese Entwicklung gedauert, nun stehen 1539 Windräder in 28 Windparks vor den deutschen Küsten. Zusammen erzeugten sie 2022 rund 24,7 Terrawattstunden Strom, stellt der Bundesverband WindEnergie in seinem neuesten Branchenbericht fest. Offshore-Wind hatte somit einen Anteil von fünf Prozent an der Nettostromerzeugung Deutschlands.

Den Turbo soll nun das Windenergie-auf-See-Gesetz einschalten, das zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist. Mit den neuen Regelungen sollen Genehmigungsverfahren und Netzanbindung beschleunigt werden. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck will die vor den Küsten Deutschlands installierte Leistung bis 2030 von derzeit knapp acht Gigawatt auf mindestens 30 Gigawatt steigern – und damit vervierfachen.

Um das zu schaffen, müssen größere Windparks und stärkere Anlagen geplant werden. Mit einer Gesamthöhe von 280 Metern und einem Rotordurchmesser von 236 Metern soll die V236 von Vestas schon bald als leistungsstärkste Windkraftanlage der Welt in Betrieb gehen. Ein Dutzend dieser Windräder könnte dann so viel Strom erzeugen, wie eine Großstadt verbraucht.