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Raue Sitten auf dem StrommarktWas tun, wenn der Anbieter plötzlich mehr Abschlag will

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Stromzähler Symbol

Symbolbild 

Köln – Auf seinen Stromlieferanten ist Peter Meier sauer. Der Mann aus dem Bergischen, der seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, hatte einen Stromliefervertrag mit Lieferung ab dem Frühjahr mit der Rheinischen Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH mit der Marke Immergrün abgeschlossen.

Die sitzt zwar in Köln, hat aber nichts mit der Kölner Rheinenergie zu tun. Der Strompreis war recht günstig, eingeschränkte Preisgarantie, ein Neukundenbonus winkte, Vertragslaufzeit 12 Monate. Vor gut zwei Wochen erhielt er dann eine überraschende Nachricht. Der Versorger verlangte mit Blick auf die Marktsituation einen Erhöhung der Abschlagszahlung um fast 50 Prozent.

Meier ist kein Einzelfall. „Seit zwei Wochen beobachten wir krasse Erhöhungen der Abschlagszahlungen durch einige Energieanbieter“, sagt Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW. Gerechtfertigt seien die kaum. „Erhöhungen der Abschlagszahlungen sind rechtlich unzulässig, wenn sie sich nicht am tatsächlichen Verbrauch in der Vergangenheit orientieren oder auf vorangegangenen wirksamen Preiserhöhungen beruhen“, so Schneidewindt. Das bestätigt die Bundesnetzagentur. Neben dem vorangegangenen Verbrauch könne sich der Abschlag auch nach dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richten. An diese Regelung müssten sich alle Energielieferanten halten. Sie hat ein Aufsichtsverfahren gegen Immergrün eingeleitet (siehe Kasten).

Verbraucher können nach erzwungenem Wechsel Schadenersatz geltend machen

Meier überprüfte seinen Verbrauch, bot eine moderate Mehrzahlung an. Der Versorger kündigte kurz später eine Verdoppelung des Verbrauchspreises (Arbeitspreis) binnen Monatsfrist an, räumte Meier einen Rabatt ein – und kegelte ihn raus, nachdem der nicht darauf einging. Immergrün bestätigte in einem Schreiben eine „Sonderkündigung“ durch Meier und kündigte an, die Netzabmeldung für ihn zu übernehmen. Für Schneidewindt ist das erst recht nicht in Ordnung. „Die Umdeutung von Rückfragen von Verbrauchern in eine ,Kündigung‘, wegen der kurzfristig die Belieferung eingestellt wird, ist rechtlich unzulässig und stellt eine Nötigung dar!“, sagt er.

Aufsichtsverfahren gegen Immergrün

Die Bundesnetzagentur hat ein Aufsichtsverfahren gegen die Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH mit der Marke Immergrün eingeleitet. „Wir prüfen, ob das Unternehmen Erhöhungen von Abschlagszahlungen vorgenommen hat, die das Gesetz nicht erlaubt“, sagt Behördenpräsident Jochen Homann. Grundlage seien Beschwerden von Verbrauchern insbesondere bezüglich des Verhaltens der Marke Immergrün.

Das Unternehmen verschickte am 22. und 23. Oktober laut Netzagentur Schreiben zur Erhöhung von Abschlagszahlungen. Es begründete dies etwa mit gestiegenen Beschaffungskosten. „Eine Erhöhung von Abschlagszahlungen mit dieser Begründung ist allerdings nicht zulässig“, so die Behörde. (raz)

Meier stellte noch klar, dass er nicht gekündigt habe, verlangte die weitere Stromlieferung für die vereinbarte Laufzeit. Liefern muss der Versorger auch laut Bundesnetzagentur, wenn die Sonderkündigung unwirksam ist. Und das Amtsgericht Bottrop hat in einer einstweiligen Verfügung in einem Verfahren gegen einen anderen Versorger so bereits entschieden.

Abgemeldet wurde Meier von Immergün, die nicht auf eine Bitte um Stellungnahme vom Freitag reagierten, dennoch. Er bekam jedenfalls ein Schreiben seines Grundversorgers, der ihm mitteilte, die Stromlieferung zu übernehmen. Das wird teurer für Meier. Aber dafür können Verbraucher laut Netzagentur wegen eines erzwungenen Wechsels Schadenersatz geltend machen. Zumindest für die Zeit der Ersatzversorgung bietet Immergrün eine Kompensation an. Das reicht Meier, der inzwischen einen neuen Stromlieferanten hat, nicht. Er will Strafanzeige gegen den Vorstand der Rheinischen Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH stellen.