Stuttgart – Wenn Lita Silje Jänisch von ihrer Arbeit erzählt, dann klingt sie wie eine Kriminalpolizistin. Sie spricht dann von Razzien, versteckten Produktionsstätten und organisierter Kriminalität. Von Fälschernetzwerken, Hintermännern und Beschlagnahmungen. Dabei arbeitet die Volljuristin beim Autobauer Mercedes-Benz.
Als Markenschützerin versucht sie, gefälschte Mercedes-Teile aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen. „Von Produktfälschungen geht ein erhebliches Risiko für die Kundinnen und Kunden aus”, sagt Jänisch und zählt eine Reihe von Beispielen auf. Bremsteile mit minderwertigen Bestandteilen und deshalb längeren Bremswegen. Bremsbeläge mit giftigen Stoffen wie Blei und Arsen. Windschutzscheiben aus einfachem Fensterglas. Luftfilter, die nicht aus flammenhemmenden Material bestehen. Die Liste ist lang.
„Fast nichts, was es nicht gibt”
Schaut man auf die Zahlen der Autobauer, werden immer mehr solcher Fälschungen aus dem Verkehr gezogen. VW berichtet für die Marken Volkswagen Pkw und VW Nutzfahrzeuge von Beschlagnahmungen bei Razzien und Zollfällen im Wert von circa 14 Millionen Euro für 2021. Das ist fast doppelt so viel wie noch im Vorjahr, als Waren im Wert von rund 8 Millionen Euro beschlagnahmt wurden. Bei Mercedes waren es mehr als 1,86 Millionen Produktfälschungen, die im vergangenen Jahr in über 650 Razzien von Zoll- und Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt wurden. Das entspreche einem Plus von sechs Prozent im Vergleich zu 2020.
„Es gibt fast nichts, was es nicht gibt”, sagt Markenschützerin Jänisch. Vom Mercedes-Stern über Alufelgen, Airbags und Scheinwerfer bis hin zu Bremsteilen, Filter oder Zündkerzen. Auch Prüfingenieur Thomas Schuster von der Überwachungsorganisation KÜS berichtet von einem Trend nach oben. Teils seien minderwertige Bauteile im Umlauf, die andere Verkehrsteilnehmer gefährden könnten. Andererseits gehe es auch um das Kopieren von Markenbauteilen ohne Auswirkungen auf die Sicherheit - aber mit wirtschaftlichem Schaden für die Hersteller.
Ob nun mehr potenziell gefährliche Teile in den Autos verbaut werden und damit auch auf deutschen Straßen unterwegs sind, ist nicht so einfach zu ergründen. Zahlen liegen weder dem Bundeskriminalamt noch dem Kraftfahrt-Bundesamt vor. Es gebe dafür aber etliche rechtliche Hürden, sagt der Leiter der Technischen Prüfstelle für den Kfz-Verkehr in Bayern beim TÜV Süd, Philip Puls. Die hohen Zahlen, von denen die Autobauer berichteten, deuteten eher darauf hin, dass schon vor der Montage mehr Fälschungen auffielen. „Wer viel kontrolliert, findet viel.” Bei den Hauptuntersuchungen würden gefälschte Teile zudem schnell erkannt. Originalteile oder genehmigte Nachbauten seien mit entsprechenden Prüfnummern versehen.
einfacher zu erkennen als andere
Etwas anders klingt KÜS-Prüfingenieur Schuster. Hauptuntersuchungen seien montage- und zerlegungsfreie Untersuchungen, sagt er. „Teile wie Luftfilter, Zündkerzen oder Bremsbeläge sind so verbaut, dass wir Fälschungen nicht ausmachen können.” Gut erkennbar seien hingegen unzulässige Bauteile bei der Lichttechnik, den Rädern oder im Tuningbereich. Besonders anfällig für Fälschungen seien Felgen und Lichter. Gerade bei gefälschten Leuchten sei gefährlich, dass sie andere Autofahrer blenden könnten.
Dass versucht werde, nicht genehmigte Räder in Umlauf zu bringen, sei ein üblicher Fall, bestätigt auch TÜV-Mann Puls. „Da beschädigt man das Rad vielleicht am Bordstein und ist versucht, ein günstigeres Ersatzteil zu finden, verglichen mit dem Preis des Originalersatzteils.” Gerade bei Rädern sei das aber sehr gefährlich. „Es gibt nur ganz oder kaputt.” Ein Gewaltbruch bei höheren Geschwindigkeiten sei nicht mehr einzufangen.
Wer sich selbst um ein Ersatzteil für sein Auto kümmern und nicht versehentlich eine minderwertige Fälschung kaufen will, sollte aus Sicht der Experten vor allem einen Punkt beachten: „Dem Verbraucher sollte bewusst sein, dass bei größeren Preisunterschieden zu den Originalteilen etwas nicht stimmen kann”, sagt Schuster. Wer dennoch sparen wolle, ergänzt Puls, solle eher auf genehmigte Zubehörteile statt auf Originalteile zurückgreifen - und darauf achten, dass diese eine Genehmigung haben.
Kooperation mit Zoll- und Strafverfolgungsbehörden
Die Branche arbeitet intensiv daran, Produktfälschungen zu bekämpfen. Der Volkswagen-Konzern habe die Zusammenarbeit mit Behörden im In- und Ausland verstärkt, teilte eine Sprecherin mit. Mercedes-Markenschützerin Jänisch und ihr Team sammeln Hinweise, arbeiten mit den Zoll- und Strafverfolgungsbehörden zusammen, durchforsten Online-Marktplätze und unterstützen auch die Ermittlungsbehörden bei der Vorbereitung von Razzien.
Konkrete Zahlen veröffentlicht der Sportwagenbauer Porsche nicht. Doch auch Porsche gehe systematisch gegen Marken- und Produktfälschungen vor, teilte ein Sprecher mit. Online habe Porsche große Plattformen wie Ebay, Amazon und die Plattformen der Alibaba-Gruppe im Fokus. Offline setze Porsche insbesondere in China auf Razzien vor Ort und arbeite mit den Zollbehörden zusammen.
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