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Industriegas wird knapp und teuerSchlachtern fehlt CO2 für Betäubung

Lesezeit 3 Minuten
Schwein guckt traurig

Ein Schwein im Stall eines Mastbetriebes 

Berlin – Im Schatten der Gaskrise hat sich ein zweites Problem breitgemacht. Das Kohlenstoffdioxid wird knapp, auch bekannt als CO2 . Nicht das CO2 , das dem Klima schadet und von dem bekanntlich viel zu viel ausgestoßen wird. Es geht um CO2 , das in vielen Bereichen zum Einsatz kommt: in Schlachthöfen, bei Getränke-Herstellern, auf dem Operationstisch. Die Wirtschaft warnt. Die Politik beschwichtigt.

Betäubung erfolgt mithilfe von CO2

Die letzte Reise der Schweine endet zum Beispiel in großen Schlachthöfen im CO2 -Bad. So heißt die Vorrichtung in der Fleischbranche, bei der die Tiere in einer Art Gondel in einen Raum mit hoher Kohlenstoffdioxid-Konzentration herabfahren. Im CO2 verlieren die Schweine das Bewusstsein, bevor sie per Kehlstich durch Entbluten getötet werden.

Getränkebranche auch betroffen

Die Knappheit macht sich auch in anderen Bereichen bemerkbar. Die Getränkebranche braucht Kohlenstoffdioxid für die Kohlensäureproduktion in Cola und Co. Einzelne Hersteller haben in den vergangenen Tagen bereits Produkte aus der Produktion genommen. Bei der Brennerei Berentzen in Niedersachsen zum Beispiel ist von einer „CO2 -Mangellage am Markt“ die Rede.

Offenbar nicht betroffen ist nach Auskunft von Kliniken bislang der Medizin-Bereich. Hier wird CO2 beispielsweise bei Bauchoperationen verwendet, um das Operationsfeld aufzublähen. (df)

So oder so ähnlich läuft das in fast allen größeren Schweineschlachthöfen in Deutschland tausendfach am Tag ab. Auch Geflügelfleischproduzenten setzen auf Kohlenstoffdioxid. Das Industriegas, so heißt es in der Fleischbranche, sei unersetzlich, um Tiere tierschutzgerecht zu töten. „Ohne CO2 drohen massive Tierschutzprobleme“, bestätigt Heike Harstick, Geschäftsführerin beim Verband der Fleischwirtschaft (VdF), dem Dachverband großer Schlachtkonzerne. Genau dieses Szenario ist aber offenbar derzeit realistisch. Vielen großen Schlachtern geht das CO2 aus. Die Lage, heißt es in der Branche, sei durchaus zum Verzweifeln. Wer noch Kohlenstoffdioxid bekommt, zahlt horrende Preise. „Der Preis ist teilweise um das Zehnfache gestiegen“, sagt Verbandschefin Harstick.

Der Grund für die Engpässe: Das Industriegas fällt als Nebenprodukt bei der Düngerproduktion an. Infolge der stark gestiegenen Energiepreise haben aber viele Düngerhersteller ihre Werke heruntergefahren. Kein Dünger bedeutet kein CO2 .

Mit Industriegas werden Schweine bislang vor der Tötung betäubt. Aufgrund der Energiekrise ist das Gas aber knapp.

Und ohne das Industriegas können die großen Schlachter nicht arbeiten. Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft hat sich in einem Brief an das Bundeslandwirtschaftsministerium gewandt. Das Schreiben ist ein Hilferuf. Darin heißt es: Es drohe „eine gravierende Tierschutzproblematik aufgrund des Rückstaus der Tiere in den Ställen“. Ohne Kohlenstoffdioxid müssten die Betriebe heruntergefahren werden. Der Verband bittet die Bundesregierung, „all Ihre Möglichkeiten auszuschöpfen“, dass das CO2 weiter fließen kann.

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Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es indes auf Anfrage: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass sich aufgrund eines CO2 -Mangels an Schlachthöfen Tierschutzprobleme abzeichnen.“ Grundsätzlich käme für Schweine und Geflügel auch eine Betäubung per Strom infrage. Hühner werden dabei etwa kopfüber durch ein unter Strom stehendes Wasserbad gezogen.

Die Fleischwirtschaft hält eine großflächige Umstellung aber für „vollkommen unrealistisch“. Auch das Landwirtschaftsministerium teilt mit, dass dies kurzfristig wohl nicht möglich sei in größeren Betrieben. Verbandsgeschäftsführerin Harstick sagt: „Ich habe den Eindruck, die Bundesregierung und das Bundeslandwirtschaftsministerium haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt.“