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NachhaltigkeitEU-Parlament beschließt Gesetz für „entwaldungsfreie Lieferketten“

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Der Cerrado in Brasilien ist durch Raubbau bedroht.

Straßburg – Wer Schokolade im heimischen Supermarkt kauft, ein Rindersteak in Sevilla isst, eine Ledertasche in Venedig erwirbt oder einen Kaffee in Lissabon trinkt, trägt ohne Absicht häufig zur Zerstörung von Wäldern in anderen Teilen der Welt bei. Woher etwa die Rohstoffe stammen, darüber können die Verbraucher oft nur rätseln, wenn sie Alltagsprodukte mit Kakao und Palmöl oder Möbel aus Holz erstehen. Das will die Europäische Union nun ändern.

Am gestrigen Dienstag stimmte das EU-Parlament für eine Verordnung, nach der Unternehmen künftig dazu verpflichtet sind, nachzuweisen, dass ihre Produkte nicht auf abgeholzten Flächen hergestellt wurden. „Wir schieben importierter Entwaldung endlich den Riegel vor“, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Konkret heißt das: Unternehmen müssen künftig Informationen über entsprechende Risiken und damit eventuell verbundene Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten sammeln, auswerten und Gegenmaßnahmen ergreifen.

Riesiger Schritt zu nachhaltigem Konsum

Vorgesehen ist zudem, dass der Ursprung von Rohstoffen mit Hilfe von sogenannten Geolokalisierungsdaten bis auf das Feld zurückverfolgbar sein muss. Wurden Wälder und andere Ökosysteme im großen Stil abgeholzt oder brandgerodet, um Platz zu schaffen für den Anbau von Soja oder Kakao? Als Stichdatum gilt der 31. Dezember 2019.

„Mit dem Gesetz machen wir einen riesigen Schritt in der Kehrtwende, was nachhaltiger Konsum für die Europäer bedeutet“, sagte die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt. Bislang handele es sich um eine „Lifestyle-Entscheidung“. Verbraucher müssten in den Bio-Supermarkt, um sicherzugehen, ein zertifiziertes, entwaldungsfreies Produkt zu kaufen. Demnächst wird es zum Standard auf dem europäischen Markt. Cavazzini sprach von einem „Paradigmenwechsel in der EU“. Es gehe um die Frage, wie die Staatengemeinschaft ihre internationalen Wirtschaftsbeziehungen organisieren will.

Das Problem drängt. „In Bezug auf den Pro-Kopf-Verbrauch hat Europa die meisten Bäume auf dem Gewissen“, so Burkhardt. Insgesamt 16 Prozent der globalen Tropenabholzung, die im Zusammenhang mit internationalem Handel steht, gehen auf das Konto der EU, wie eine Studie der Umweltschutzorganisation WWF im vergangenen Jahr anprangerte. Damit sei die Staatengemeinschaft weltweit der zweitgrößte Waldzerstörer nach China.

Gesetz hat Löcher

Bis zuletzt war umstritten, vor allem unter Konservativen und Liberalen, ob auch Finanzinstitute zusätzlichen Anforderungen unterworfen werden sollen, um zu gewährleisten, dass ihre Aktivitäten nicht zur Entwaldung beitragen. Am Ende sprach sich eine Mehrheit im Parlament dafür aus, dass auch Banken unter den Anwendungsbereich fallen.

Umweltschützer führen immer wieder den Cerrado als Beispiel an, die artenreichste Waldsavanne der Welt und nach dem Amazonasregenwald das zweitgrößte Ökosystem Brasiliens. Obwohl wichtig für den internationalen Klimaschutz ist er durch Raubbau extrem bedroht. Dass Savannen wie das Gebiet in Südamerika nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen und die Prüfung der Aufnahme „dieser wertvollen Ökosysteme“ erst nach der Verabschiedung des Gesetzes erfolgen soll, bleibe ein „Wermutstropfen“, räumte der Europaabgeordnete Martin Häusling (Grüne) ein.

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