Köln – Auf die Verbraucher rollt eine Welle von drastischen Preiserhöhungen für Gas oder Fernwärme zu. Die Rheinenergie verlangt für das Gas ab Oktober mehr als das doppelte.
Wie teuer wird das Heizen in der Region?
Gas und Fernwärme in der Region werden drastisch teurer. Die Rheinenergie verdoppelt etwa den Preis fürs Gas, Fernwärme wird um 73 Prozent teurer. Beim Gas in der Grundversorgung steigt für Bestandskunden der sogenannte Arbeitspreis, der pro Kilowattstunde Gas zu entrichten ist von bislang 7,87 Cent ab dem 1. Oktober auf 18,30 Cent. Das ist ein Aufschlag von über 132 Prozent.
Weil der Grundpreis für die Bereitstellung von Gas unverändert bei 172,50 Euro bleibt, steigen die Kosten pro Jahr bei einem Verbrauch von 10 000 Kilowattstunden von 955,55 auf 2002,55 Euro. Bei einem Haus und einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden beträgt der Aufschlag fast 120 Prozent auf 3832,55 Euro. „Das geht ans Eingemachte“, sagte Achim Südmeier, Vertriebsvorstand der Rheinenergie.
Günstige Alternativen sucht man vergeblich
Mit den Erhöhungen steht die Rheinenergie nicht allein. In der Region haben Versorger zuletzt die Preise erhöht oder erhöhen sie demnächst (siehe Infobox). Günstige Alternativen sucht man vergeblich. Das Angebot auf den Seiten der Vergleichsportalen ist überschaubar geworden. Trotz Preiserhöhung bietet Rheinenergie nach eigenen Angaben im Versorgungsgebiet weiter den günstigsten Preis.
Die Region
Die Gaspreise werden auch in der Region deutlich steigen– bei einigen Energieversorgern sogar nicht erst ab Oktober. Die Rhenag hat die Preise bereits zum 1. August erhöht, der Energieanbieter möchte aber nicht öffentlich angeben, um wie viel Cent pro Kilowattstunde die Kosten für Abnehmer gestiegen sind.
Auch bei der GVG zahlen Kundinnen und Kunden seit dem 1. August mehr: Die Preise sind auf über 19 Cent pro Kliowatstunde gestiegen. Das ist, je nach Vertrag, das Doppelte oder sogar das Dreifache des vorherigen Preises, gibt das Unternehmen an. Die Preise für Kunden, deren Erstlaufzeit im Herbst oder Winter ausläuft, müssen zum 1. Oktober beziehungsweise 1. Januar mit Erhöhungen rechnen.
Die E-Regio aus Euskirchen erhöht zum 1. September um 2,90 Cent pro Kilowattstunde und kommt somit aufeinen Preis von 12,42 Cent pro Kilowattstunde. Damit liegt sie deutlich unter den Preiskalkulationen der anderen Anbieter. Bei der Belkaw steigt der Arbeitspreis für die verbrauchte Kilowattstunde um über 10 Cent. Ab dem 1. Oktober zahlen Kundinnen und Kunden nun 17,99 Euro je Kilowattstunde.
Bei der Aggerenergie steigen die Preise ebenfalls zum 1. Oktober. Es stehen noch keine konkreten Zahlen, die Preise werden aber ebenfalls bei knapp unter 20 Cent pro Kilowattstunde liegen, teilt das Unternehmen mit. Es erhöhe vorsorglich die Monatsabschläge, damit Kundinnen und Kunden nicht von hohen Nachzahlungen überrascht werden. Die Abschläge könnten von den Kunden aber jederzeit wieder gesenkt werden.Die Stadtwerke Bonn, die Preise Anfang Juni um etwa zwei Drittel erhöht hatte, planen bis zum Frühjahr keine Preiserhöhungen, gibt eine Sprecherin an. (abr)
Fernwärme verteuert sich bei der Rheinenergie um 73 Prozent auf 705 Euro, 73 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei einem Vergleich ist zu bedenken, dass mit Gas oft nicht nur geheizt wird, sondern auch Wasser erwärmt wird. Das erledigen bei Fernwärme mit Strom betriebene Durchlauferhitzer.
Wen treffen die anstehenden Preiserhöhungen?
Die Preiserhöhungen beim Gas treffen Kunden, die Verträge ohne feste Laufzeiten und Garantiepreise mit der Rheinenergie geschlossen haben. Sie gilt für Bestands- und für Neukunden, die um den Jahreswechsel zum Unternehmen gekommen waren. Mit unterschiedlichen Preisen in der Grund- und in der teureren Ersatzversorgung ist demnächst Schluss. Bei Verträgen, bei denen die Preise eine Zeit lang garantiert sind, änder sich die Preise nicht.
Bei Bewohnern von Mietwohnungen beschaffen vor allem größere Wohnungsgesellschaften das Gas, verlangen Vorauszahlungen und rechnen Heizkosten dann nach Verbrauch ab. In welchem Umfang die Preise hier steigen, lässt sich nicht sagen. Die Unternehmen haben die Wahl zwischen unterschiedlichen Anbietern und unterschiedlichen Vertragslaufzeiten.
Da kann sich ein Unternehmen vor den Preissprüngen noch günstig mit Gas eingedeckt haben. So könnten auch die Mieter noch eine gewisse Zeit von dem günstigen Einkauf profitieren. Andere müssen vielleicht gerade jetzt zu hohen Preisen einen neuen Liefervertrag mit einem Versorger abschließen. Wie teuer das Heizen wirklich war erfahren die Mieter wenn die Nebenkosten fällig wird. Für das laufende Jahr werden die Abrechnungen erst 2023 erstellt.
Was sind die Gründe für den Preissprung?
Gas war 2020 noch günstig. Die Rheinenergie bezahlte etwa für die Beschaffung für das Gaswirtschaftsjahr 2020/2021, das vom 1. Oktober bis zum 30. September reichte, den Lieferanten einen Durchschnittspreis von 18 Euro. Im folgenden Wirtschaftsjahr waren das bereits 23 Euro. Eine höhere Nachfrage ließ die Preise 2021 zunächst langsam klettern, im September aber noch oben schnellen, wegen extrem niedriger Füllstände in den Gasspeichern.
Um den Jahreswechsel kostete Gas zeitweise 140 Euro. Und mit dem russischen Angriff auf die Ukraine schnellten die Preise von etwa 50 Euro je Megawattstunde hoch bis auf etwa 150 Euro. Jedenfalls kostet die Beschaffung für das Gaswirtschaftsjahr 2022/2023 die Rheinenergie im Durchschnitt 107 Euro pro Megawattstunde.
Drohen demnächst weitere Aufschläge?
Ja. Die Bundesregierung hat zwei neue Umlagen beschlossen, um die Großhandelsunternehmen zu entlasten. Die müssen ausfallende russische Gaslieferungen teuer an den Weltmärkten nachbeschaffen, können diese Kosten aber nicht an die Kunden weitergeben. Wann sie fällig wird und wie hoch diese Umlage ausfällt, ist noch nicht klar. Die Rede ist von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde. Auch soll es eine Umlage für die Füllung der Gasspeicher geben.
Was sagen die Betroffenen zu den Preiserhöhungen?
Hart wird die Gaspreiserhöhung Menschen auch treffen, die bislang nicht mit ganz spitzem Bleistift rechnen mussten - vor allem Angehörige der unteren Mittelschicht. 1000 Euro oder mehr pro Jahr für Heizen und warmes Wasser - dass kann bei Angestellten und Arbeitenden in unteren Lohngruppen schnell das Aus für den Jahresurlaub bedeuten.
Der Mieterverein Köln rät Mieterinnen und Mietern, selbst dafür zu sorgen, dass sie so viel Gas sparen, wie sie können. Das heißt zum Beispiel, kürzer und nicht unbedingt jeden Tag duschen, die Fenster nicht auf Kipp stehen lassen und weniger Heizen. Aber gerade in Wohnungen bis 70 Quadratmetern würden alle Bemühungen höchstens zu einer Ersparnis von 15 Prozent führen. „Deswegen muss von allen Seiten etwas getan werden“, sagte Hans Jörg Depel, Pressesprecher des Mietervereins.
Die Vermieter müssten mehr in die Pflicht genommen werden: „Sie müssten Effizienzmaßnahmen umsetzen“, erklärte er. Das sähe zum Beispiel vor, dass alte Gebäude nach modernen Standards saniert werden. So könne man bereits viel Energie sparen. Eine sinnvolle Maßnahme, um energiesperren zu verhindern, sei außerdem ein Kündigungsmoratorium, ähnlich dem, das zu Anfangszeiten der Corona-Pandemie gegeben habe.
Das solle sechs Monate greifen, sodass Kundinnen und Kunden ein halbes Jahr Zeit haben, offene Rechnungen zu begleichen, ohne dass ihre Energieversorgung eingestellt wird. „Dann ist der Winter rum und es fallen nicht mehr so viele Heizkosten an“ erklärt Depel. Außerdem fordert der Mieterverein einen dauerhaften Heizkostenzuschuss und eine Reform des Wohngeldes. Das müsse so berechnet werden, dass auch Menschen einen Anspruch auf einen Zuschuss haben, die sich aktuell an der Grenze befinden, denn für die seien die gestiegenen Kosten besonders hart zu verkraften.
Jetzt würden sich die gestiegenen Kosten noch nicht vollends bemerkbar machen, „aber mit der Nebenkostenabrechnung im kommenden Jahr, könnten Mieterinnen und Mietern vor Nachzahlungen von bis zu 3000 Euro stehen“, sagte er. Damit dürften die Menschen nicht alleine gelassen werden. Auch für solche fälle fordert der Mieterverein stattliche Lösungen vom Gesetzgeber. „Gerade ist politisch einiges in Bewegung. Wir müssen darauf achten, dass das nicht nur Aktionismus bleibt“, gab er zu bedenken.
Welche Hilfen gibt es bei hohen Energierechnungen?
Wer die Gasrechnung nicht bezahlen kann, sollte sich möglichst früh Rat holen. Den können Verbraucherzentralen geben oder auch die Versorger - vor allem, wenn Sperrungen drohen. Die Reinenergie will die nach eigenem Bekunden vermeiden. Auf einer Hotline gibt es Expertentipps. Der Versorger bietet auch die Möglichkeit, Zahlungen zu verschieben, Stundungen oder Ratenzahlungen.
Wie lässt sich die teure Energie sparen?
Tipps gibt es viele. Duschen statt Baden, kurz duschen, vielleicht kalt, Restwärme von Kochplatte oder Backofen nutzen und Wärme vor Ende der Garzeit reduzieren. Raumtemperatur reduzieren. Jedes Grad bring eine Einsparung von sechs Prozent. Aber mehr als eine Einsparung zwischen zehn und 15 Prozent in einer Wohnung sind ohne energetische Sanierung kaum drin. Das fängt also nicht alle Mehrkosten auf.
Wie entwickeln sich die Gaspreise weiter?
Die derzeitigen Rekordpreise haben vielleicht nicht für immer Bestand. Angst vor der Gasmangellage oder auch Spekulation könnten eine Rolle spielen. So billig wie das Gas war, wird es aber auch nicht wieder. Russisches gas, das über Pipelines zu uns kam war nur halb so teuer wie LNG, also verflüssigtes Gas, auf das etwa Asien gesetzt hatte.
Da LNG auch bei uns verstärkt eingesetzt werden soll, gibt es insgesamt höhere Preise für Gas. Wie hoch der genau sein wird, traut sich derzeit aber niemand zu sagen. Zu viele Faktoren sind ausschlaggebend wie etwa auch eine hohe Nachfrage wegen eines kalten Winters.