Hamburg – Galeria Karstadt, Kaufhof, Esprit, Hallhuber oder Bonita: Die Liste der Modehändler, die in diesem Jahr ins Schlingern geraten sind und Insolvenzverfahren durchlaufen mussten, ist lang. Die Corona-Pandemie traf die ohnehin durch den Siegeszug des Online-Handels angeschlagene Branche wie ein Tsunami. Und rasche Besserung ist wohl nicht in Sicht. Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet in den kommenden Monaten mit weiteren Insolvenzen.
Vor allem die umsatzschwache „Saure-Gurken-Zeit“ von Januar bis März werde für einige Unternehmen zu einer Zerreißprobe werden, sagte der Deutschland-Chef des Kreditversicherers, Ron van het Hof, der Deutschen Presse-Agentur. „Nur wer jetzt wenigstens im Weihnachtsgeschäft ein kleines Polster anlegen kann, wird sich bis zum Frühjahrsgeschäft über Wasser halten können.“
Pech beim Black Friday
Doch gerade das dürfte für viele Händler in den Fußgängerzonen der Innenstädte in diesem Jahr fast unmöglich sein. Denn Corona und der für den November verhängte Teil-Lockdown sorgen ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäft für leere Innenstädte.
Schon in den letzten Oktoberwochen waren die Besucherzahlen in den Einkaufsstraßen wieder deutlich zurückgegangen, hatte das Unternehmen Hystreet festgestellt, das auf die Messung von Kundenfrequenzen in den Innenstädten spezialisiert ist. Und die Schließung von Kneipen, Restaurants, Kinos, Theatern und Fitnessstudios Anfang November ließ die Zahl der Besucher dann noch weiter schrumpfen.
In den ersten Tagen der verschärften Corona-Regeln seien von den Geschäften Umsatzeinbrüche von bis zu 80 Prozent gemeldet worden, berichtete der Präsident des Handelsverbandes Textil (BTE), Steffen Jost. Zusätzliches Pech für die Branche: Auch der normalerweise umsatzstarke Rabatttag Black Friday am 27. November dürfte noch in die Phase des Teil-Lockdowns fallen.
Acht Großinsolvenzen im Modehandel dieses Jahr
Die Krise trifft eine ohnehin geschwächte Branche. Bereits in den ersten neun Monaten dieses Jahres zählte Euler Hermes acht Großinsolvenzen im Modehandel. Gegenüber dem Vorjahr sei dies eine Zunahme um rund 166 Prozent, betonte der Kreditversicherer - und das in einer Zeit in der die Insolvenzrate in Deutschland rückläufig war.
Die Branche kämpft seit Jahren mit einem tiefgreifenden Strukturwandel - dem Aufstieg von Textildiscountern wie Primark sowie dem Siegeszug des Online-Handels. Viele klassische Textilgeschäfte steckten deshalb schon vor der Pandemie in Schwierigkeiten, wie der Kreditversicherer betonte.
Dieses Jahr war dann ein rabenschwarzes Jahr für die Branche. Euler Hermes schätzt die Umsatzverluste der Textilhändler wegen der Pandemie auf rund 12 Milliarden Euro - fast ein Fünftel des Jahresumsatzes. Die Corona-Krise wirkte wie ein Katalysator und legte Stärken, aber auch Schwächen der einzelnen Unternehmen erbarmungslos offen.
Online-Handel boomt
Krisengewinner war vor allem der Online-Handel. Und dessen Aussichten seien auch 2021 gut, heißt es bei Euler Hermes. Wichtig für die Händler sei deshalb aktuell vor allem ein Online-Standbein. „Wer sich schon vor der Pandemie gut auf den Strukturwandel vorbereitet und investiert hatte, konnte vom Online-Boom in Zeiten von Covid profitieren“, betonte der Branchenkenner. Wer diesen Trend verpasst habe, dessen Zukunft hänge am seidenen Faden. „Es wird also weiterhin Insolvenzen geben“, ist Van het Hof sicher.
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Die Händler suchen unterdessen nach einem Weg, um das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Dass die Antworten auf Herausforderungen der Pandemie dabei denkbar unterschiedlich ausfallen, zeigt wohl nur, wie beispiellos die Herausforderungen sind. Tom Tailor-Chef Gernot Lenz etwa erteilte im Branchen-Fachblatt „Textilwirtschaft“ großen Rabattaktionen eine klare Absage: „Es wird auf alle Fälle keine massiven Reduzierungen geben“, kündigte er an.
Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof geht einen ganz anderen Weg. Sie startete nach eigenen Angaben nach dem Start des Teil-Lockdown „die größte Rabattaktion ihrer Geschichte“. (dpa)