Schon morgens um 7.00 Uhr rumort es im Treppenhaus. Ein Gerüst versperrt wochenlang den Blick aus dem Fenster. Und wo im Flur normalerweise die Kinderwagen stehen, lagern jetzt Baumaterialien. Wo gebaut wird, entstehen für Mieter oft erhebliche Beeinträchtigungen. Aber sie müssen sich Baulärm nicht klaglos gefallen lassen. Das gilt sogar, wenn er von Arbeiten außerhalb des eigenen Hauses verursacht wird.
Mit einer Minderung der monatlichen Mietzahlung können Mieter sich für Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten entschädigen lassen. Grundsätzlich kommt eine Mietminderung immer dann infrage, wenn die Wohnung und dazu gehörende Gemeinschaftsflächen - etwa der Hausflur - nicht in gewohnter Weise benutzbar sind. „Dabei ist es nicht entscheidend, ob der eigene Vermieter für den Mangel verantwortlich ist“, erklärt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. „Eine Mietminderung ist berechtigt, wenn ein Mangel vorhanden ist, unabhängig vom Verursacher.“
Mieter müssen den Mangel dem Vermieter oder Verwalter lediglich schriftlich melden und ihn darauf hinweisen, dass sie die Miete mindern wollen. „Der Vermieter muss die Möglichkeit bekommen, den Mangel zu beheben.“ Des Weiteren laute die Gleichung: Wo ein Mangel, da darf gemindert werden - auch bei Baulärm.
Baulücken beim Einzug deuten künftige Maßnahmen an
Ausgenommen von der Möglichkeit einer Mietminderung sind nur Fälle, die Mieter bei Einzug kannten oder „kennen mussten“, wie es laut Ropertz im Gesetz heißt. „Ich kann zum Beispiel nicht in die Einflugschneise des Flughafens ziehen und mich dann über Fluglärm beschweren - oder in ein Neubaugebiet und mich dann wundern, dass nebenan noch ein Haus gebaut wird.“
Gerichte haben zuletzt sogar entschieden, dass Anwohner in einer Straße, in der es Baulücken gibt, zumindest in Großstädten damit rechnen müssen, dass diese eines Tages geschlossen werden - und dass das Baulärm verursacht.
Inka-Marie Storm, Juristin beim Eigentümerverband Haus und Grund in Berlin, verweist auf ein Urteil des Landgerichts Berlin (Az.: 67 S 465/12), in dem festgehalten wurde: Wenn ein Haus einstöckig ist und die umstehenden Gebäude vier Stockwerke haben, müssten die Bewohner und Anwohner damit rechnen, dass eines Tages aufgestockt wird - und die Beeinträchtigungen hinnehmen.
Eine ähnliche Entscheidung hatte das Landgericht Berlin bereits einige Jahre zuvor gefällt (Az.: 63 S 155/07). Hier ging es darum, ob es dem Kläger schon vor seinem Einzug hätte auffallen müssen, dass ein von Unkraut zugewuchertes Nachbargrundstück eine Baulücke darstellt - und dass auftretender Baulärm folglich nicht zur Minderung berechtigt.
Wann ist die Grenze der Zumutbarkeit erreicht?
Doch auch für Vermieter sind Baustellen in der Nachbarschaft ein verzwickter Fall. „Wenn die Mietminderung berechtigt ist, muss der Vermieter das hinnehmen, auch wenn er nicht selbst für den Lärm verantwortlich ist“, sagt Storm. „Ihm bleibt nur die Möglichkeit, beim Verursacher einen Ausgleichsanspruch zu stellen“ - ob das ein privater Eigentümer oder die Kommune ist.
Ob ein Ausgleichsanspruch gerechtfertigt ist, bemessen Gerichte danach, ob die „Grenze der Zumutbarkeit“ für den Vermieter erreicht ist. Das sei der Fall, wenn das Grundstück „nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden“ könne - wenn der Eigentümer also finanziell derart geschädigt wird, dass er seine Wohnungen nicht mehr profitabel vermieten kann.
Gerichte ziehen bei der Berechnung laut Storm die sogenannte Nettorendite einer vermieteten Wohnung heran - in Hamburg also zum Beispiel sechs Prozent. Sie gibt die Auskunft darüber, was ein Vermieter mit der Wohnung nach Abzug aller Kosten mit der Vermietung verdienen kann. Diesen Wert setzen die Richter ins Verhältnis zur vom Mieter vorgenommen Minderung - beispielsweise 20 Prozent. Den Unterschied, also 14 Prozent, könnten Vermieter dann vom Lärmverursacher als Ausgleich fordern.
Eine Ausnahme gibt es bei der Mietminderung außerdem noch: die energetische Sanierung. „Ob das Haus eingerüstet wird oder es laut und dreckig wird: Bei einer energetischen Sanierung können Mieter die ersten drei Monate lang die Miete nicht mindern“, sagt Ropertz. So sieht es das Mietrechtsänderungsgesetz von 2013 vor, mit dem der Gesetzgeber der energetischen Sanierung besondere Vorteile verschafft.
Fotos und ein Lärmprotokoll als Beweise
Und was müssen Mieter tun, um einen Mangel im Zweifel vor Gericht auch belegen zu können? „Wenn der Vermieter die Handwerker bestellt hat, ist der Fall unstrittig“, sagt Ropertz. Geht es aber um Lärm aus der Nachbarschaft, sei es sinnvoll, ein Foto von der Baustelle zu machen und vor allem bei besonders lauten Beeinträchtigungen über einen kurzen Zeitraum ein Lärmprotokoll anzufertigen.
Keine pauschale Regel gibt es für die Höhe einer Mietminderung. Grundsätzlich begründen langwierige und laute Arbeiten eine stärkere Mietminderung. „Es geht um den Grad der Beeinträchtigung“, sagt Ropertz. So sind hohe Mietminderungen von beispielsweise 75 Prozent möglich, wenn die Wohnung durch die Arbeiten quasi unbewohnbar wird. (dpa)