- Der Absturz der Bayer-Aktie geht weiter.
- Bayer war mal der wertvollste Konzern und ist nun die Nummer drei der Chemie nach Merck und BASF.
- Abwehrpläne gegen eine feindliche Übernahme liegen bereits in der Schublade.
Leverkusen – Es war eine Art Weihnachtsgeschenk für die Aktionäre und Mitarbeiter von Bayer: Im Dezember 2014 waren die Leverkusener rund 100 Milliarden Euro wert und zum wertvollsten deutschen Konzern aufgestiegen. Nicht SAP, nicht Siemens und auch nicht der Chemieriese BASF – nein: Bayer stand auf dem Treppchen ganz oben und Marijn Dekkers konnte sein Glück kaum fassen. Als erster externer Chef war der niederländische Chemiker auf Vorbehalte gestoßen, doch seine konsequente Stärkung des Pharmageschäfts überzeugte.
Im März 2015 erreichte der Aktienkurs gar die Marke von 141 Euro. Sechs Jahre und eine Monsanto-Übernahme später ist alles vorbei: Die Bayer-Aktie ist seitdem um mehr als zwei Drittel gefallen, am Mittwoch ging es bergab auf 42,50 Euro. Bayer ist nicht mal mehr der wertvollste deutsche Chemie-Konzern. In diesen Tagen hat sich der Darmstädter Pharmakonzern Merck an die Spitze gesetzt. Der stille Familienkonzern ist nun 56 Milliarden Euro wert und hat die Schein-Riesen BASF (50 Milliarden) und Bayer (44 Milliarden) auf die Plätze verwiesen.
Ein Riesenproblem für Bayer
Das ist bitter für die Aktionäre und ein Riesenproblem für Bayer. Denn nun wird das Unternehmen, das sich durch die Übernahme des umstrittenen US-Konzerns Monsanto eigentlich vor einer feindlichen Übernahme schützen wollte, zu einem Schnäppchen. „Über kurz oder lang kann das Thema Aufspaltung auf die Tagesordnung rücken“, warnt Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment, einer der großen Bayer-Aktionäre.
Bayer hat, wie andere Dax-Konzerne auch, bereits eine Verteidigungsstrategie gegen feindliche Übernahmen ausgearbeitet. Dazu gehören zum Beispiel konkrete Pläne zur Kommunikation mit Investoren und Öffentlichkeit, entsprechende Experten sind laut Branchenkreisen bereits beauftragt. Bayer erklärte, das kommentiere man nicht. Der Konzern jedenfalls hat in vielen Disziplinen Probleme.
Speich: Monsanto-Strategie gescheitert
Monsanto-Deal Ingo Speich, Manager bei der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka, hat sein Urteil gefällt: „Die Monsanto-Strategie ist unterm Strich bisher gescheitert, die vergangenen Quartalszahlen haben für einen erneuten Vertrauensverlust am Kapitalmarkt gesorgt.“ Auf dem Kurs würden die ungelösten Rechtsrisiken weiter lasten. Im September 2016 hatten sich Bayer und Monsanto nach einer spektakulären Übernahmeschlacht geeinigt. Doch schon bevor Bayer die Schlüssel in der Zentrale in St. Louis in die Hand bekam, schwoll die Klagewelle an. Inzwischen gibt es 125.000 Kläger, die Monsantos Unkrautvernichter Glyphosat für ihre Krebserkrankung verantwortlich machen. Nachdem Bayer drei Prozesse verloren hatte, lenkte der Konzern ein. Im Sommer bot er elf Milliarden Dollar an und glaubte, die Klagen damit vom Tisch zu haben. Doch US-Richter Vince Chhabria kippte den Vergleich. Kein Wunder: Danach sollten Wissenschaftler über künftige Klagen entscheiden, der Gang vor das Gericht aber ausgeschlossen sein. Zwar will Bayer seitdem Fortschritte mit den Klägeranwälten gemacht haben. Doch die Aktionäre bleiben nervös.
Corona setzt auch der Agrarbranche zu
Zumal selbst das operative Geschäft der Agrarsparte schwächelt. Die Pandemie setzt auch der Agrarbranche zu, entsprechend weniger Saatgut und Pflanzenschutz fragen Bauern nach. „Investoren sind verunsichert, da zu den Glyphosat- und Dicamba-Klagen jetzt auch noch operative Probleme bei Crop Science kommen“, so Fondsmanager Manns. Bayer hat bereits Abschreibungen zwischen fünf und zehn Milliarden Euro angekündigt. Mit Spannung blicken die Aktionäre nun auf den 3. November, wenn Bayer einen aktuellen Stand bei den Klagen und Quartalszahlen nennen will.
Pharmageschäft Auch im Pharmageschäft sorgt die Pandemie für Probleme, weil planbare Operationen etwa in Augenarzt-Praxen verschoben wurden. Entsprechend fiel der Umsatz der Augenarznei Eylea im ersten Halbjahr. Hoffnungen, Bayers altes Malaria-Mittel Chloroquin eigne sich zur Behandlung von Covid-19-Patienten, zerschlugen sich ebenfalls.
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Gravierender ist das mittelfristige Problem: Denn die Zeit für Eylea und Bayers anderen Kassenschlager Xarelto läuft ab. Das Wirkstoffpatent für Xarelto läuft in Deutschland bis 2023 und in den USA bis 2024, das Eylea-Patent in Deutschland läuft bis 2025. Danach können auch Nachahmer die Mittel produzieren, Preis- und Umsatzeinbruch sind programmiert. Nun versucht Bayer, die Patente etwas zu erweitern. Der Xarelto-Wirkstoff Rivaroxaban soll zur Behandlung von Kindern mit venösen Thromboembolien zugelassen werden, Bayer hat einen entsprechenden Antrag gestellt.
Milliarden-Umsätze sind nicht in Sicht
Doch ähnlich starke Nachfolger sind in der Pipeline der Innovationen nicht in Sicht. Es gibt Hoffnungsträger wie Vericiguat, ein Mittel gegen Herzinsuffizienz, das gerade ein beschleunigtes Zulassungsverfahren in den USA durchläuft und auch in anderen Ländern zur Zulassung eingereicht wurde. Oder wie Finerenon zur Behandlung chronisch Nierenkranker mit Typ-2-Diabetes. Doch Milliarden-Umsätze wie Xarelto sind hier nicht zu erwartend.
Erschwerend kommt hinzu, dass Bayer im Rahmen seines 2018 verkündeten Sparprogramms auch die Reduzierung der eigenen Forschung verkündet hat. Statt dessen will man stärker auf den teuren Einkauf externer Innovationen oder Forschung mit Partnern setzten. „Macht die Forschung nicht kaputt“, hatten Bayer-Mitarbeiter 2018 bei ihren Demonstartion in Wuppertal gefordert.
Vorstand Als Konzern-Chef Werner Baumann 2018 mit anderen Wirtschaftslenkern Donald Trump in Davos zum Essen traf, hatte er sich noch vorgestellt als der Chef von der Aspirin-Company. Das war selbst Trump ein Begriff. Er nehme jeden Tag eine Aspirin, hatte der US-Präsident erklärt. Doch von dem Erfindern großer Pillen ist nicht viel übrig geblieben. Dennoch hat der Aufsichtsrat unlängst den Vertrag von Werner Baumann bis 2024 verlängert. Beobachter erwarten nicht, dass es dabei bleibt. „Der Zeitpunkt der Vertragsverlängerung von Herrn Baumann ohne eine Einigung bei Glyphosat erzeugt Stirnrunzeln“, sagt Fondsmanager Manns. Auch ein Managementwechsel könne auf die Tagesordnung rücken.