90 Millionen zurückgestelltImplantat-Skandal belastet den TÜV Rheinland

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Köln – Der TÜV Rheinland ist im abgelaufene Jahr in die roten Zahlen gerutscht. Das operative Ergebnis (Ebit) sank auf minus 23,6 Millionen Euro, nachdem der TÜV im Vorjahr noch einen Gewinn von 135,6 Millionen eingefahren hatte. Schuld daran ist aber nicht etwa die Corona-Pandemie, verantwortlich sind Sondereffekte, wie TÜV-Chef Michael Fübi bei der Vorlage der Bilanz am Mittwoch erläuterte.
Im seit über zehn Jahre andauernden Rechtsstreit rund um den französischen Herstellers von Brustimplantaten PIP hat der TÜV jetzt eine Rückstellung von 90 Millionen gebildet. Der TÜV hat zwar nicht die Implantate selbst geprüft, die oft mit nicht geeignetem Silikon gefüllt waren, sondern das Qualitätsmanagement des Unternehmens. Dennoch versuchen betroffenen Frauen und ihre Anwälte auch Schadenersatz vom TÜV zu erhalten.
Das Prüfunternehmen hat zwar mehr als 200 Schadenersatzprozesse gewonnen, aber auch zwei Niederlagen in Frankreich hinnehmen müssen. Nach einem Gericht in Toulon im Jahre 2017 hat in diesem Jahr auch ein Berufungsgericht in Aix-en-Provence geurteilt, dass der TÜV genauer hätte hinsehen müssen. Damit musste der TÜV eine Rückstellung bilden für mögliche Schadenersatzzahlungen.
In den 90 Millionen ist laut Fübi auch ein zweistelliger Millionenbetrag für Rechtsanwalts- und Gerichtskosten enthalten. Dabei ist der Rechtsstreit ist für den TÜV-Chef noch keineswegs entschieden. Der TÜV geht vor dem höchsten französischen Gericht in Berufung. Bis zu einem Urteil könnten zwei bis drei Jahre vergehen. Und über einen möglichen Schadenersatz müssten auch im Falle eines Urteils gegen den TÜV die unteren Instanzen dann wieder befinden. Der Rechtsstreit könnte sich so noch fünf bis zehn Jahren hinziehen, so Fübi.
Kosten für Restrukturierung drücken Gewinn
Verfehlungen des TÜVs sieht er nicht. Der TÜV sei wie viele andere von PIP betrogen worden. „Dass wir für Betrug eines anderen haften sollen, kann ich nicht verstehen“, sagte Fübi.
Zusätzlich drücken Kosten für eine Restrukturierung den TÜV-Gewinn. Wie vor vier Wochen berichtet, streicht der Prüfkonzern in den kommenden 20 Monaten insgesamt 600 Stellen in der Verwaltung. 150 Stellen fallen in Köln weg, wo der TÜV insgesamt 2500 Mitarbeitende hat.
Der Abbau soll sozialverträglich erfolgen. Den Mitarbeitenden werden etwa Abfindungen angeboten und der Wechsel in eine Transfergesellschaft. Die Angebote werden laut Fübi gut angenommen Zwei Drittel des geplanten Abbaus sei bereits vereinbart.
Neues Geschäft durch Corona
Mit dem operativen Geschäft zeigte sich Fübi sehr zufrieden. Der Umsatz sank zwar leicht auf 1,95 Milliarden. Weiterbildungseminare, Führerscheinprüfungen und die Kontrolle von Fahrzeugen oder großen Industrieanlagen ruhten zeitweise. Andererseits gab es neues Geschäft etwa aus der Prüfung von Schutzausrüstung oder Raumlustanlagen, die ja Aerosole herausfiltern und nicht verwirbeln sollen. Dafür und auch in IT und Digitalisierung hat der TÜV 69 Millionen investiert, eine Summe auf Vorjahreshöhe. Das um die Sondereinflüsse bereinigte operative Ergebnis betrug 133,6 (2019: 150,7) Millionen.
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„Der Tüv hat sich in der Pandemie robust und stabil gezeigt“, sagte Fübi. Ein Stau bei Führerscheinprüfungen sei bis zum Jahresende abgebaut worden, nachdem das Unternehmen Prüfräume Corona-konform ausgestattet hatte und die Kapazitäten von praktischen Prüfungen zum Jahresende auf über 30 000 Prüfungen pro Monat - 10 000 mehr als in normalen Monaten - hochgefahren worden seien. Derzeit würden Rückstände aufgeholt, die im Januar und Februar aufgelaufen seien.
Im laufenden Jahr erwartet Fübi einen Umsatz etwa auf der Höhe des Jahres 2019, obwohl das Seminargeschäft wohl erst nach den Sommerferien wieder anlaufen werde.. Da operative Ergebnis soll 150 Millionen erreichen.