Zum 21. Juni 1948 kam die deutsche D-Mark an den Start. Sie war die Basis für das Wirtschaftswunder und wird von vielen zurückgewünscht.
75 Jahre NachkriegswährungWie stabil die D-Mark wirklich war – und wie der Euro abschneidet
Die Operation hieß „Bird Dog“. Es war eine von langer Hand geplante Nacht-und-Nebel-Aktion. Fünf Schiffe machten sich 1948 unter höchster Geheimhaltung von Amerika auf den Weg nach Barcelona. Zumindest war das der offizielle Bestimmungsort der rund 23000 Kisten mit der Aufschrift „Doorknob“ – Türgriffe. Doch erstens waren darin keine Türgriffe verwahrt, sondern Geldscheine. Und zweitens liefen die Kisten schließlich wie geplant in Bremerhaven ein. Die Destination Barcelona war ebenfalls nur Teil des Verwirrspiels, um die neuen Scheine sicher nach Deutschland zu bringen.
5,7 Milliarden Deutsche Mark erreichten schließlich von Bremerhaven aus per Lastwagen und Eisenbahn das Reichsbankgebäude in Frankfurt am Main. Von dort ging es an die Landesbanken zur Verteilung. Die Basis für das „Wirtschaftswunder“ war gelegt, ebenso wie der Grundstein für den Mythos D-Mark. „Mit Wirkung vom 21. Juni gilt die Deutsche-Mark-Währung“, hieß es im damaligen Währungsgesetz lapidar.
Ziel: Ende des Tauschhandels
Mithilfe der neuen Währung wollten die drei alliierten Sieger- und Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich in ihren drei Zonen Deutschlands wieder für Stabilität sorgen. Denn die vorher geltende Reichsmark hatte im zerstörten Nachkriegsdeutschland jeden Wert verloren: Der krasse Überhang an umlaufendem Geld bei absolutem Warenmangel hatte zur fast vollständigen Entwertung geführt. „Geschäfte“ liefen ab durch Warentausch, bei dem beispielsweise Zigaretten als gängiges Tauschmittel hoch im Kurs standen.
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Das änderte sich quasi über Nacht vom 20. zum 21. Juni 1948. Als „Kopfquote“ bekam am 20. Juni 1948 jeder Bewohner 40 D-Mark im Tausch gegen die vorher gültige Reichsmark. Mit der Einführung der D-Mark füllten sich in der Nacht auf Montag bereits die Schaufenster der Läden, die ihre Produkte und Waren nun zu Preisen der neuen Währung wieder feilbieten konnten. Das ist Teil der Geschichte, warum die D-Mark zunächst durchaus positiv bei den Menschen ankam.
Kehrseite der D-Mark
Allerdings war die Kehrseite eine massive Enteignung der Vermögen in Reichsmark. Denn für private Bankguthaben galt ein Umtauschkurs von 100 zu 10, schließlich sogar 100 zu 6,5. Für 100 Reichsmark bekamen Bürger also nur 6,50 D-Mark. Löhne, Mieten und Steuern wurden dagegen im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt.
„Das ist keine Währung, das ist ein schlechter Witz“, urteilte damals ein Notenbanker. Hjalmar Schacht, ehedem unter Adolf Hitler Präsident der Reichsbank, rechnete mit einem Zusammenbruch nach ein paar Wochen. Und auch der Leiter des Internationalen Währungsfonds befand, dass aus diesem Projekt nichts werden könne. Denn die neue Währung war nicht durch reale Werte wie Goldvorräte gedeckt. Doch sie alle irrten mit ihren Einschätzungen über den Misserfolg des Projektes.
D-Mark sorgte für das Wirtschaftswunder
Zur ersten Bewährungsprobe kam es schon gut ein Jahr später, als Großbritannien sein Pfund abwertete. Da alle Währungen mit dem Dollar als Weltleitwährung in festem Verhältnis verbunden waren, blieb nichts übrig, als die junge D-Mark abzuwerten – ein erster Vertrauensbruch, denn die Hyperinflation von 1923 war noch in lebhafter Erinnerung.
Dennoch: Die D-Mark existierte weiter, sorgte für Stabilität und das Wirtschaftswunder. Wachstumsraten zeitweilig über zehn Prozent sorgten für Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten, bis 1967 die erste Rezession kam. „Grund für die Rezession 1967 war eine nachlassende Inlandsnachfrage infolge geldpolitischer Entscheidungen“, so das Statistische Bundesamt in einer Revue von 75 Jahren. Die Bundesbank hatte die Leitzinsen drastisch angehoben.
Es folgten andere Krisenzeiten: etwa Ölkrisen und als Folge hohe Inflation 1973/ 1974, 1981 und 1992; jeweils waren Rezessionen die Folge.
Eine weitere Bewährungsprobe kam mit der die Deutschen Einheit. Am 1. Juli 1990 ersetzt die D-Mark die DDR-Mark im Umtauschkurs 1 zu 1. Das Problem: Damit fand sich die Planwirtschaft der untergehenden DDR über Nacht im rauen Wettbewerb der Marktwirtschaft wieder – ein ungleicher Wettbewerb mit bekanntlich ungutem Ausgang für die ostdeutsche Wirtschaft.
„Teuro“ ist ähnlich stabil
Zum Jahreswechsel 2001/ 2002 ersetzte dann schließlich der Euro die D-Mark. Anfangs als „Teuro“ verunglimpft, hat sich der Euro inzwischen als ähnlich stabil oder instabil wie die D-Mark erwiesen. In den 25 Jahren ihres Bestehens hat die Europäische Zentralbank ihr Ziel einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate von zwei Prozent erreicht – bis 2021. Aktuell versucht die EZB die hohe Inflation mit steil steigenden Zinsen wieder in den Griff zu kriegen, nachdem sie mit unorthodoxen Hilfsprogrammen in den Jahren zuvor die Geldmenge gewaltig gesteigert hatte.
Die D-Mark war unter dem Strich eine Erfolgsgeschichte. Sie hat lange Zeit Wachstum für die größte Wirtschaft in Europa gebracht und für Stabilität gesorgt. Der Euro ist die logische Fortsetzung für eine Exportnation wie Deutschland. Auch wenn das jüngste Kapitel der Prüfung durch die hohe Inflation noch nicht zu Ende geschrieben ist.