Wipperfürth/Gummersbach – Annegret Lüttgenau gehört mit ihren 85 Jahren zur Altersgruppe, die sich jetzt gegen das Corona-Schutzvirus impfen lassen kann. Am Sonntag hatte die Wipperfürtherin um 16.10 Uhr einen Termin im Gummersbacher Impfzentrum.
Großer Andrang im Impfzentrum
„Wir kamen um kurz vor 16 Uhr an, da waren Menschenmassen“, berichtet die Seniorin, die sich von ihrer Tochter Eva Lüttgenau begleiten ließ. „Und dabei bekommt man doch immer gesagt, man soll größere Menschenansammlungen meiden.“
Zunächst einmal hieß es Warten vor dem Impfzentrum, dort, wo die ehemalige Eisdiele war – dort aber saßen und standen schon viele andere Senioren und ihre Begleiter. Und dann seien aus verschiedenen Richtungen immer mehr Menschen gekommen, berichtet Eva Lüttgenau.
„Eine Frau, die vor mir stand, berichtete, dass sie einen Termin für 14 Uhr gehabt habe und immer noch warte“, schildert Annegret Lüttgenau. „Weil es voll und die Luft auch sehr schlecht war, wurde mir übel.“ Ein junger Mitarbeiter des Impfteams, so schildert es Eva Lüttgenau, habe dann sehr freundlich erklärt, dass sie mit noch zwei bis drei Stunden Wartezeit rechnen müssten.
Darauf entschieden sich Mutter und Tochter, nach einer Stunde vergeblichen Wartens, zur Rückfahrt nach Wipperfürth. Annegret Lüttgenau will mit der Impfung jetzt warten, bis dies beim Hausarzt möglich ist.
Impflinge müssen sechs Formulare ausfüllen
Ganz ungewöhnlich scheinen solche längeren Wartezeiten vor und im Gummersbacher Impfzentrum nicht zu sein. „Anfangs wurden dort täglich 300 bis 400 Personen geimpft, jetzt sind wir bei täglich über 800 Personen“, berichtet ein Arzt, der anonym bleiben will. Zudem sei das Anmeldeverfahren sehr bürokratisch, jeder müsse vor der Impfung sechs Formularblätter ausfüllen, das aber koste Zeit.
Generell gebe es in Deutschland im Umgang mit der Pandemie eine schreckliche, lähmende Bürokratie in vielen Bereichen des Gesundheitssystems. „Dabei brennt hier die Hütte!“
Personal ist wegen überlanger Arbeitszeiten überlastet
Zusätzlich habe es am Montag einen EDV-Fehler im System gegeben, weshalb um 20.50 Uhr nochmals deutlich über 200 Menschen zur Impfung nach Gummersbach kamen. Das Impfen habe dann bis 23 Uhr gedauert. Für die Ärzte und die ärztlichen Mitarbeiter, die im Impfzentrum arbeiten, bedeute das eine extrem hohe Belastung.
„Eine Schicht, die um 13 Uhr beginnt, sollte eigentlich gegen 20 Uhr enden“, so der Arzt. Tatsächlich aber dauere die Schicht oft bis 22.30 Uhr, oder noch länger. Er fordert, eine zweite Schicht einzuführen – das aber kostet mehr Geld.
Der Impfrückstand ist abgearbeitet
Ein Problem ist, dass jetzt mit der Wiederzulassung von Astrazeneca zwei Impfstoffe für zwei Altersgruppen zur Verfügung stehen. Weil Astrazeneca vergangene Woche einige Tage lang nicht verimpft werden durfte, bildete sich ein Rückstau. „Es ist uns gelungen, diesen Rückstau am Wochenende abzuarbeiten“, erklärt Dr. Johannes Schlechtingen, der ärztliche Leiter des Impfzentrums.
Zusätzliche Impfdosen führten zu noch mehr Andrang
Dazu kam am Sonntag ein zweites Problem. Kurzfristig wurden dem Kreis 200 Biontec-Impfdosen angeboten, die sonst verfallen wären. „Darauf haben wir kurzfristig 200 Personen zum Impfen einbestellt, in zwei großen Gruppen um 14 und um 16 Uhr. Diesen Menschen haben wir aber von vorne herein gesagt, dass sie sich auf eine Wartezeit einstellen müssen“, sagt Schlechtingen. Tatsächlich sei der zusätzliche Impfstoff erst um 17 Uhr geliefert worden.
Personen mit regulären Impftermin hätten dagegen keine lange Wartezeiten gehabt, betont der Leiter des Impfzentrums. Warum aber Annegret Lüttgenau , die zu dieser Gruppe gehörte, dennoch so lange warten muss, kann er sich nur mit einer Verwechslung erklären. „Dann muss sie irgendwie in die zweite Gruppe gerutscht sein und hat das nicht deutlich gemacht.“
Wipperfürtherin widerspricht dem Leiter des Impfzentrums
Eva Lüttgenau widerspricht. „Das stimmt nicht. Ich habe mich mit mehreren Senioren, die schon seit längerem warteten, unterhalten, und die hatten alle einen regulären Termin.“ Die Situation im Wartebereich sei unerträglich gewesen.
„Die Menschen waren sehr gereizt, einige haben sich vorgedrängelt, ein Mann mit einem Bein wurde an den Rand gedrängt. Man kann doch nicht einfach 200 Leute zusätzlich ins Impfzentrum einbestellen, wenn gleichzeitig schon so viele Senioren einen Termin haben.“
Oberbergischer Kreis bedauert Verzögerungen
Auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte der Oberbergische Kreis, dass es zu Verzögerungen kam. Das bedauere man. „In den vergangenen Tagen wurde versucht, die Termine wieder aufzuholen, die durch das Aussetzen des Impfstoffs von Astrazeneca abgesagt werden mussten. Hierdurch ist es am Wochenende zwischenzeitlich zum Rückstau bei allen Terminen gekommen. Mit den Nachholterminen werden wir bis Donnerstag durch sein, sodass die ausgefallenen Termine dann vollständig wieder aufgeholt sind. Die Nachholtermine sind mittlerweile so eingeplant, dass es auch bis dahin nicht mehr zu einem Rückstau kommen sollte.“