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Zwei Monate nach der FlutWie die „AHRche“ das Leben in Ahrweiler wiederaufbauen half

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Nach der Flut an der Ahr 2

Färben, Waschen und Schneiden heißt es an der Ahr nun im Friseurzelt.  

Ahrweiler – Während Friseurin Yvonne im Zelt Haarsträhnen blondiert, kann Kundin Rebecca der Ahr zuschauen. Sie plätschert harmlos ein paar Schritte vom Notprovisorium entfernt dahin – als hätte es die Flut vom 14. Juli nicht gegeben. Dabei hat der Fluss nahezu alle Geschäfte im Tal zerstört.

Im Camp „Die AHRche“, das Lucas Bornschlegl mit mehr als 100 Freunden und fremden Helfern südlich der Ahrweiler Altstadt an der Straße zum Kloster Kalvarienberg aus dem Boden gestampft hat, fängt das Traditionsgeschäft Heuwagen neu an. Auch einen Waschsalon gibt es im Camp, medizinische Versorgung, Zugriff auf Hilfsgüter zum Überleben und Aufräumen, etwas zu Essen sowieso, aber auch Seelsorge. Im „Café“ erzählen Menschen, wie knapp sie die Flut überlebten.

Nach der Flut an der Ahr

Das hat der berühmte Paul Mitchell sich sicher so nicht vorgestellt: Seine neuen Haarschnitte gibt es in Ahrweiler nach dem Hochwasser nur im Zelt. 

Auch einige wenige andere Geschäfte sind wieder in Betrieb. Die Ahrtorapotheke hat etwas oberhalb vom Niedertor ein Notquartier bei „Geschier“ gefunden, der Optiker Eberle firmiert in einem Container vor der Stadtmauer (Joerresstraße). Andere bereiten sich vor: Der Bäcker Schmitz will vor Weihnachten seine beiden Filialen in Bachem und Ramersbach wieder beliefern, kann in Ahrweiler aber erst nächstes Jahr wieder richtig starten.

Alles zum Thema Technisches Hilfswerk

Feuerwehrmann Lucas brach seinen Urlaub ab, um zu helfen

Während das Technische Hilfswerk die eingestürzte Ahrtorbrücke durch eine Notlösung ersetzt, berichtet Lucas Bornschlegl der Rundschau, wie er auf dem zerstörten Campingplatz das Notwendigste für die Nahversorgung aufbaute. Den einfachen Truppmann der Feuerwehr Grafschaft, der Nachbarkommune im Norden von Ahrweiler, hatte die Nachricht von der Katastrophe am zweiten Tag im Urlaub erreicht. Den brach der 29 Jahre alte Student ab und rückte mit den Kameraden aus. Dabei stellte er fest, was den Menschen in ihren zerstörten Häusern fehlt. Er bepackte seinen Lastwagen mit allem „Übermaterial“ seiner Feuerwehr. „Lichtmast, Zelt, Wassertank, Generator – es war alles da“, stellte Bornschlegl fest – und vor ihm lag eine Aufgabe, die genau für ihn geschaffen schien. „Organisationsentwicklung ist genau das, was ich in Koblenz, Luxemburg, Rheinbach und Chemnitz studiert habe: Wirtschaftspsychologie.“ Zwei Wochen vor dem Master informierte er seinen Professor, dass er vor dem Abschluss erst in der Flut helfen muss und stieß auf Verständnis. Den Abschluss darf er nachholen. „Hier habe ich die Chance, ein Mal im Leben etwas Wichtiges zu tun“, sagt er.

Zunächst aus eigener Kasse geholfen

Seitdem ist er in Helferkreisen „Lucas, der Feuerwehrmann“. Petra Schmitt und Thomas Schröder überließen ihm den Campingplatz. Internet gab es keins mehr. „Als mir jemand eine Funkkarte schenkte, habe ich vor Freude geweint.“ Den Start finanzierte Bornschlegl mit eigenem Geld. „Das waren in der ersten Woche 3000 Euro für Getränke, Essen, Gasflaschen. Das Stromaggregat hat 40 Liter Treibstoff am Tag gefressen.“ Bornschlegel gründete „Die AHRche – Verein für Katastrophenhilfe und Wiederaufbau“, muss mangels Eintragung aber Spendengelder privat annehmen.

THW-Helfer

Lucas, der Feuerwehrmann 

Seine Projektskizze für einen Stadtteiltreff aus 20 bis 60 Containern, wo es auch eine medizinisch-therapeutische Grundversorgung, Kinder-, Jugend- und Mehrgenerationenarbeit und beheizte Wohnplätze für den Winter geben sollte, legte er der ADD vor – der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, die als unterste Landesbehörde in Rheinland-Pfalz zwischen Kommunen und Land steht. Die betrachtet ihn zwar inzwischen als den „Verbandsführer an der Ahr“, hatte aber für das Vorhaben nichts übrig. Rund 300.000 Euro für den Aufbau und bis zu 1,5 Millionen jährliche Betriebskosten hatte Bornschlegel errechnet und dem Papier eine Standort- und Demografie-Analyse beigefügt.

Als ein Dienstleister die Not-Toiletten mangels Finanzierung abbauen wollte, verfasste er einen „Brandbrief“ – und fand wieder kein Gehör. Eine Unfallhilfsstelle der Johanniter, eine Essensausgabe des DRK, eine Trinkwasserstelle von THW und DRK, eine Radstation, ein Werkzeugverleih sowie eine Helfervermittlung und – zunächst – eine Tankstelle der Bundeswehr für Helferfahrzeuge ließen sein Angebot wachsen. Alles rund um die Uhr besetzt. Für die Tankstelle sah die ADD keinen Bedarf mehr. Bornschlegl: „Danach stand hier nach 15 Minuten Fahrtzeit ein Kettenbagger, der tanken wollte.“ Doch solche Rückschläge stoppen ihn nicht. Er will möglichst professionell vorgehen, ließ von Fachleuten ein Abwassersystem bauen und stellte den Brandschutz auch für Nachbarhäuser her. „Auch für das Haus, in dem der Landrat wohnt“, sagt Bornschlegel. Er weiß, wie wenig beliebt der Politiker ist, dem Versagen in der Katastrophe vorgeworfen wird.

Notlösungen

Die Gasleitungen in Bad Neuenahr-Ahrweiler lassen sich offenbar alle schon vor dem Winter reparieren. Dies teilte Marcelo Peerenboom, Sprecher der Energie-Versorgung Mittelrhein den Menschen mit. Zwar müssen die Transportleitungen noch an 1000 Stellen aufgebohrt werden, um Schlamm und Geröll aus dem zerfetzten Netz zu spülen. Dennoch kommen die Reparaturarbeiten weit zügiger voran als befürchtet. Am Fuß der Weinberge ist teils nur mit Kunststoffrohren eine Notleitung gelegt worden. Eine Herausforderung: Vor der Wiederinbetriebnahme muss in jedem Haus zuerst der Gasanschluss versiegelt sein. Es gibt aber nicht mehr alle Häuser, oder viele sind derzeit unbewohnt.

An der Mittelahr ist derweil der Aufbau von Wärmenetzwerken im Gange.

Die Brücken, die für den Autoverkehr wichtig sind, sollen noch diesen Monat hergestellt werden. Es sind Notbrücken. Die Kitas und Schulen sind meist in Notunterkünften in Betrieb. Jüngere Schüler werden dorthin gebracht. Berufsschüler müssen selbst pendeln – teils bis Koblenz. (mfr)

Bornschlegel steht mit dem Stadtbürgermeister Guido Orthen und dem Kreisbeigeordneten Horst Gies in gutem Kontakt, wie er sagt. Auch diese beiden würden von der ADD immer wieder ausgebremst. Er weiß: „Wenn die Brücke fertig ist, kommt die ganze Altstadt zu uns.“ Doch sein Zentrum entwickelt sich auch ohne Landeshilfe.

Vorrang hat derzeit die Wärmeversorgung für den Winter. 1000 Klimageräte, die auch heizen können, hat der Verein bereits für ein eigenes „Wärmeprojekt“ aufgetrieben. Nach den ersten fünf Tagen waren 140 Geräte installiert. Den Bedarf schätzt Bornschlegel auf mehr als 4000 Geräte, die er kostenlos überlassen will. Dazu muss er aber noch mehr als 1,4 Millionen Euro auftreiben. Dankschreiben „weil die Eltern wieder lachen und es nicht mehr Schlimm ist, dass sie erst im November eine neue Küche bekommen“ geben Bornschlegel Auftrieb. Doch er weiß, dass die Kraft endlich ist: „Auch ich muss in mich hineinhören, wo habe ich einen Schaden von der Flut genommen.“ Und er hat sich eine Frist gesetzt: „Ich mach das noch zwei Monate. Dann muss das Projekt selbst laufen. Aber ich habe hier meine Kompetenz erkannt. Ich kann für Firmen mit mehr als 60 Mitarbeitern organisieren.“