Zehn Menschen erzählen zu WeihnachtenWas gut war an diesem verrückten Corona-Jahr
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Das Jahr 2020 war überschattet von Corona, von großer Unsicherheit und Existenzängsten.
Hatte unter diesen Vorzeichen das Jahr auch gute Seiten?
Eine sehr persönliche Frage an 10 bekannte und weniger bekannte Menschen.
Alexander Wehrle, 45, Geschäftsführer 1. FC Köln: „Durch Corona haben für mich Familie und Freundschaften noch einmal erheblich an Bedeutung gewonnen. Vor allem während des Lockdowns im Frühjahr habe ich gemerkt, welch hohen Wert sie für mich besitzen. Darüber hinaus finde ich, dass die Pandemie auch insgesamt das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gesellschaft gestärkt hat. Es geht schließlich nicht nur darum, sich selbst zu schützen, sondern eben auch die anderen. In meinem Umfeld habe ich eine gewisse Entschleunigung festgestellt, und das obwohl wir beim FC und im DFL-Präsidium auf Grund der Pandemie im Arbeitsalltag erheblich mehr zu tun hatten.“
Chilly Gonzalez, 48, Pianist: „Einer der positiven Aspekte dieses Jahres ist, dass wie durch einen Röntgenstrahl eine ganze Menge Wahrheit hervortrat. Und Wahrheit kann schwierig, aber auch manchmal eine angenehme Überraschung sein. Ich spreche ja nicht gerne über mein Privatleben, aber einige meiner persönlichen Beziehungen wurden stärker dadurch, dass ich nicht die ganze Zeit non-stop auf Reisen war. Und ich glaube, viele Menschen haben Dinge für sich verändert, wodurch jeder die Möglichkeit hat, zu sehen, was wirklich wichtig ist.“
Husch Josten, 51, Schriftstellerin: „Ich geb‘s zu: Weltretter wie John McLane, Jack Bauer und James Bond lassen mein Herz höher schlagen. Fast hätte ich den preisgekrönten Showmaster John Oliver (Last Week Tonight, HBO) dazugezählt, aber nein, doch nicht. Denn dass er zuletzt das Jahr 2020 sinnbildlich in die Luft gejagt hat (siehe Youtube), spricht zwar Millionen Menschen aus der Seele (siehe Likes), sprengt jedoch zugleich das Gute. Zum Beispiel, dass 2020 auch ein lehrreiches Jahr war. Für jeden einzelnen. Und alle zusammen. Es war Gr und dafür, dass der unschätzbare Wert von Demokratie, Menschenrechten, Gemeinschaft und Freiheit und der unverzichtbare Wert sozialer Berufe deutlich sichtbar wurden. Dass die Notwendigkeit von Kultur selbst Kulturbanausen einleuchtete, dass sogar notorische Nörgler einräumten, gerade lieber nicht in der Haut der Entscheider stecken zu wollen. Donald Trump wurde abgewählt, auch das, dazu musste nicht mal 007 her; und ja: es gibt noch viel zu tun, viel zu diskutieren, viel durchzustehen, viel zu retten, überall. Aber immerhin: für all das haben wir jetzt ein bisschen dazugelernt…“
Volker Weininger, 49, Kabarettist und Büttenredner: „Das Jahr war eine Bereicherung für meine Familie und mich, weil wir mehr Zeit miteinander hatten. Und ich habe deutlich öfter gekocht als sonst und mich in die indische Küche eingearbeitet. Gekocht habe ich schon immer gerne, aber meistens hat mir die Zeit gefehlt. J etzt konnte ich in Ruhe einkaufen und nach außergewöhnlichen Zutaten suchen, das hat Spaß gemacht. Und das würde ich in Zukunft gerne ein Stück weit beibehalten.“
Mona Neubaur, 43, Vorsitzende der Grünen NRW: „Positiv an 2020 waren frühmorgendliche Telefonkonferenzen im Sonnenschein am Rhein, statt am Schreibtisch. Auf die Idee bin ich vorher nie gekommen. Hat wunderbar geklappt. Durch Corona sind wir auch als Gesellschaft wacher geworden. Und menschlicher. Die unerträglichen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie wurden aus der „Unsichtbarkeit“ geholt. Und ebenso, wie wenig wir bislang die Arbeit in der Pflege wertschätzen. Wenn dieses Bewusstsein jetzt politisch für neue Gestaltungsmacht genutzt wird, ist das etwas Gutes in diesem krisenhaften Jahr.“
Markus N. (Name geändert), 54, Diplom-Volkswirt, war 2020 an Covid-19 erkrankt: „Mir geht es mittlerweile wieder gut. Anfang März war ich an Corona erkrankt und rund zwei Monate außer Gefecht gesetzt. Dabei verlor ich irritierenderweise zeitweise meinen Geschmacks- und Geruchssinn. Positiv nehme ich aus diesem Jahr mit, dass ich in meinem Alter das Glück hatte, eine körperliche Konstitution zu haben, mit der ich Corona gut überwinden konnte. Vielleicht haben wir ja auch im Corona-Jahr alle gelernt, weniger zu konsumieren – das tut nicht nur den Menschen gut, sondern auch dem Klima.“
Dominik Schönenborn, 33, Keyboarder von Cat Ballou: „Ich denke, es sind die kleinen Dinge, die bei vielen Menschen wieder an Bedeutung gewonnen haben. Dinge, die vorher für uns viel zu selbstverständlich waren, haben wir erst durch ihren Verlust noch einmal neu und vor allem mehr zu schätzen gelernt. Ich hoffe, dass dieses Bewusstsein nach der Pandemie, die hoffentlich bald endet, bl eibt.“
Philine Gätjen, 18, Abiturientin 2020, absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr bei den Maltesern: „Natürlich überwiegen die negativen Aspekte. Man sollte aber trotzdem versuchen, auch die „positiven“ Dinge zu sehen. Ich denke, dass wir alle ein Stück weit Solidarität gespürt haben und das allgemeine Bewusstsein in der Gesellschaft geschärft wurde. Dieses Jahr hat außerdem gezeigt, dass wir eigentlich alle im gleichen Boot sitzen, auch wenn der Eine mehr betroffen ist als der Andere. Ich persönlich habe auch gelernt, die alltäglichen Dinge mehr zu schätzen. Außerdem, dass es für alles Alternativen gibt.“
Markus Herzberg, 43, Citykirchenpfarrer an der Kölner Antoniterkirche: „Was für ein Jahr!? Die Pandemie, die unser Jahr bestimmte, hat mich erneut gelehrt welch ein hohes Gut unsere Gesundheit ist und in welch gutem Gesundheitssystem wir leben dürfen. Besonders hat sich gezeigt, dass die große Mehrheit unserer Gesellschaft zueinander steht und Rücksicht aufeinander nimmt. Mir persönlich hat dieses Jahr vor Augen geführt, dass mein Leben nicht in meiner Hand liegt und so vieles im Leben alles andere als selbstverständlich ist. Geschenkte und kostbare Zeit aus Gottes Hand. Demut ist meine einzige Antwort darauf.“
Moritz Müller, 34, Kapitän der Kölner Haie: „Als Eishockey-Profi bin ich oft auf Reisen. Während einer Saison verbringen wir mit den Kölner Haien viele Stunden im Mannschaftsbus auf der Autobahn. Dazu kommen dann noch Einsätze für die Nationalmannschaft, beispielsweise bei der Weltmeisterschaft. Insgesamt bin ich daher selten zu Hause. Gerade die Zeit während des harten Lockdowns habe ich deshalb genutzt, um viel Zeit mit meinen beiden Kindern und meiner Frau zu verbringen. Diese Phase habe i ch unglaublich genossen.“