„Spanien steht in Flammen“Wie sehr Europas Süden unter der extremen Dürre leidet
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Madrid/Rom – In Spanien dauerte es jüngst drei Wochen, bis auch die letzten Glutnester des riesigen Waldbrandes gelöscht waren. Mindestens 250 Quadratkilometer Naturlandschaft verbrannten in der Provinz Zamora – was einer Fläche von Großstädten wie Frankfurt entspricht. Die Bergregion Sierra de la Culebra gleicht einer Friedhofslandschaft.
Das Buschfeuer, das vermutlich durch ein Trockengewitter ausgelöst wurde, war eines der größten in der jüngeren spanischen Geschichte. Allein in diesem Jahr verbrannte in Spanien, nach Angaben des satellitengestützten EU-Beobachtungsprogramms Corpernicus, bereits sechsmal mehr Waldfläche als im Schnitt der letzten 20 Jahre. Täglich werden aus irgendeiner Region des Landes neue Waldbrände gemeldet. „Spanien steht in Flammen“, titeln spanische Zeitungen.
Gerade erst hat das Königreich die wärmsten Monate Mai und Juni des Jahrhunderts erlebt – mit Spitzen von bis zu 43 Grad. Der in Spanien besonders heiße Sommer verlängert sich von Jahr zu Jahr, berichtet der spanische Wetterdienst Aemet.
Der jüngste UN-Klimabericht warnt ebenfalls, dass Waldbrände und Extremwetter zunehmen werden: Schon bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter werde sich die Zahl der Trockenperioden verdoppeln – derzeit liege der mittlere weltweite Anstieg der Oberflächentemperatur bereits bei 1,2 Grad.
„Das, was wir in Spanien erleben, bestätigt dies“, sagt Regierungschef Pedro Sánchez. Der spanische Mittelmeerraum gehöre jetzt schon zu den am meisten durch den Klimawandel betroffenen Zonen.
Das Problem der Trockenheit
Rhein könnte austrocknen
Die Trockenheit macht auch vor dem Rhein nicht halt. Wie mehrere Medien berichteten, warnt der Klimaforscher Mojib Latif, dass der große Fluss austrocknen und zu einem kleinen Rinnsal werden könnte. Professor Karl Schneider vom Geographischen Institut der Universität Köln bestätigt dies im Gespräch mit der Rundschau: „Latif hat Recht, die Möglichkeit, dass der Rhein austrocknet, besteht.“ Grund dafür sei unter anderem, dass Hochdruckgebiete sich länger halten und es weniger Niederschlag gibt. Ob der Rhein aber eines Tages komplett trocken fallen könnte, ließe sich laut Schneider aber nur mit speziellen Berechnungen einschätzen. (crb)
Trockenere Sommer in ganz Europa
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) geht in einer Klimastudie davon aus, dass trockene Sommer, aber auch Niederschlagsmangel im Winter künftig das Wetterbild in Teilen des Kontinents prägen können. Im Sommer bestehe für die Zukunft die Gefahr verstärkter Trockenheit auch in Mittel- und vor allem Westeuropa. Zur Entwicklung in diesem Jahr erklärten die Klimatologen, seit dem Frühjahr verzeichne Europa eine ausgedehnte Trockenheit mit zum Teil bedeutenden Auswirkungen auf die Wasserstände. In der zentralen Mittelmeerregion war das Frühjahr das vierttrockenste seit 1901, in Deutschland waren fast alle Frühjahre seit 2009 zu trocken. (dpa)
Immer wärmer, immer trockener, immer unwirtlicher: Die Wüstenbildung, die in Nordafrika bereits ein Riesenproblem ist, schreitet auch auf der Iberischen Halbinsel voran. 75 Prozent der Landfläche sind bereits von Erosion und Austrocknung bedroht, sagt Spaniens Umweltministerin Teresa Ribera.
Durch Wassermangel, landwirtschaftliche Übernutzung oder auch Waldbrände verschwindet die natürliche Vegetation. Auf den Kanarischen Inseln und in Südspanien ist diese Landverödung besonders spürbar. Die Dürre spiegelt sich zudem unübersehbar in Spaniens Talsperren: Sie sind im nationalen Schnitt nur noch zu 45 Prozent gefüllt.
Die Felder der Landwirte vertrocknen
Die andalusischen Bauern mussten bereits die Bewässerung ihrer Plantagen, auf denen Oliven, Getreide, Reis, Gemüse und Obst wachsen, stark reduzieren. Ein Sprecher der Bauernvereinigung klagt: „Unsere Felder vertrocknen.“ Im iberischen Nachbarland Portugal sieht es nicht besser aus. Wegen der wachsenden Wassernot beginnen jetzt immer mehr Regionen, Notpläne zu erarbeiten und die Bevölkerung zum Sparen anzuhalten. Im Nordosten Portugals wird bereits daran gedacht, das Trinkwasser nachts ganz abzustellen.
Auch in Italien ist die Lage dramatisch, insbesondere im Norden. Die Regierung beschloss Anfang der Woche, den Wassernotstand in mehreren Regionen auszurufen. Mit dem Dekret haben die örtlichen Behörden nun eine Handhabe, Maßnahmen gegen Wasserverschwendung zu ergreifen. In Verona und Pisa gibt es demnach bereits Einschränkungen bei der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung.
Und auch hier besteht eine enorme Gefahr für die Ernte: Die Padana-Ebene im Einzugsgebiet des Po ist eigentlich die bedeutendste landwirtschaftliche Ressource des Landes, doch in diesem Jahr droht ein totaler Ausfall der Ernte. Schon die Zuflüsse des Po, wie die im Monte-Rosa-Massiv entspringende Sesia, sind vollkommen ausgetrocknet. Im Delta östlich von Ferrara ist der Pegelstand des Flusses so niedrig, dass das Salzwasser aus der Adria flussaufwärts dringt und die Felder verseucht.
Kein sorgsamer Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser
Umweltverbände beklagen seit Langem, dass der Wassermangel häufig auch hausgemacht ist. „Wir haben in Italien 7596 Wasserläufe, davon sind 1242 Flüsse. Normalerweise regnet es bei uns im Durchschnitt mehr als im Resteuropa – doch entweder sind es so starke Niederschlägen, dass das Wasser über alle Ufer tritt, oder die Zeiten sind so trocken wie gerade jetzt, dass alle Bäche und Flüsse versiegen“, meint Erasmo D’Angelis, ehemaliger Umweltstaatssekretär.
D’Angelis, der zu den profiliertesten Wasserexperten des Landes zählt, weist darauf hin, dass die Politik es über Jahrzehnte versäumt hat, sorgsam mit der Ressource Wasser umzugehen. Jüngste Statistiken vermelden, dass etwa ein Drittel allen Trinkwassers bereits aus den Leitungen versickert, bevor es überhaupt in Haushalten oder landwirtschaftlichen Betrieben ankommt. Der Zustand der meisten Stauseen und -becken sei derart desolat, dass sie das Regenwasser gar nicht speichern können.
Ein ähnliches Problem ist auch in Spanien bekannt. Bei der Überprüfung der Rohre in der spanischen Provinz Málaga, eine jener Regionen mit chronischem Wassermangel, entdeckte man: Nur 25 Prozent des eingespeisten Wassers kommt tatsächlich beim Verbraucher an. In anderen Worten: Drei von vier Litern versickern dort im Erdboden. Das Leitungsnetz soll nun repariert werden.