Nach ZeugenaussagePfarrer U. wird im Gerichtssaal verhaftet – Wiederholungsgefahr
Köln – „Ich habe eigentlich gedacht, dass er sich in einer Art Untersuchungshaft befinden müsste“, hatte am Donnerstag noch Kirchenrechtler Günter Assenmacher gesagt über den Priester (70), gegen den vor dem Landgericht Missbrauchsvorwürfe verhandelt werden. „Nein. Er wohnt zu Hause, feiert Messen und hat weiterhin Kontakt zu Kindern“, lautete darauf die Antwort des Vorsitzenden Richters Christoph Kaufmann.
Pfarrer U. wird noch im Gerichtsaal verhaftet
Nun hat sich die Situation für den angeklagten Kleriker verändert: Am Donnerstagabend entschied die Kammer, dass er noch aus dem Gerichtssaal heraus in Untersuchungshaft abzuführen sei. Das bestätigte Gerichtssprecher Jan F. Orth der Rundschau. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatte zuvor ein weiteres potenzielles Opfer ausgesagt und mutmaßliche Taten aus dem Jahr 2019 geschildert. Richter Kaufmann sah daraufhin Wiederholungsgefahr und ließ U. festnehmen und ins Gefängnis bringen.
Wiederholungsgefahr bedeutet laut Orth, dass die Gefahr besteht, dass der Angeklagte „ähnlich schlimm gelagerte Taten in Zukunft wieder begehen könnte“. Bislang sei die Kammer nicht von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen, da die im Verfahren verhandelten Vorwürfe aus dem Jahr 2011 und früher stammten. Vor dem Hintergrund der nun für das Jahr 2019 von einer Zeugin erhobenen Vorwürfe habe die Kammer die Lage nun neu bewertet.
Als Pfarrer U. in Raum Zülpich zieht, sind Vorwürfe nicht bekannt
Als der Angeklagte vor einigen Jahren aus dem Bergischen in den Raum Zülpich umzog, wurde der dortige Vorgesetzte nach eigenen Angaben nicht darüber informiert, dass gegen den Mann schon seit 2010 schwere Vorwürfe im Raum standen. „Das zeigt, dass es viel zu wenige Verschränkungen gab. Die Horizonte haben sich verändert, man ist viel aufmerksamer geworden“, kommentierte dazu Günter Assenmacher im Zeugenstand und räumte Versäumnisse ein.
Auf die konkrete Frage des Vorsitzenden, welche Maßnahmen denn seitens der Kirche geändert ergriffen worden seien, um solche Situationen heute und künftig zu verhindern, konnte er allerdings keine Antwort geben.
Fall Pfarrer U.: Immer mehr mutmaßliche Missbrauchsopfer melden sich
Die Vorfälle, die ursprünglich Gegenstand der Anklage waren, liegen lange zurück. Nebenklägerinnen im Verfahren sind die drei Nichten des Angeklagten, die ihm 31 Fälle zur Last legen, die in den 1990er Jahren stattgefunden haben sollen. Eine weitere Nebenklägerin ist eine junge Frau, die durch die Familie ihrer besten Freundin aus Kindertagen mit dem Priester in Kontakt gekommen sein soll.
Im Jahr 2011 soll der Priester sie zweimal missbraucht haben. Außerdem soll U. im Januar 2011 während seiner Tätigkeit als Krankenhausseelsorger in Wuppertal einer Elfjährigen sexuelle Gewalt angetan haben.
Neue Fälle könnten durch Nachtragsklage in aktuellen Prozess Eingang finden
Während des Verfahrens hatten sich weitere mutmaßliche Opfer zu Wort gemeldet. Ob die Zeugin vom Donnerstag eines dieser vier genannten mutmaßlichen Opfer ist, blieb zunächst unklar.
So stellte sich etwa heraus, dass eine junge Frau im Zuschauerraum, die während des Prozesses in Tränen ausgebrochen war, ebenfalls von U. missbraucht wurde. Nachdem der Richter die weinende Frau ansprach, gab diese an ebenfalls ein Opfer zu sein.
Ob die weiteren, jetzt bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Pfarrer U. im Rahmen einer Nachtragsanklage noch Teil des laufenden Prozesses werden, wird laut Landgerichtssprecher Jan F. Orth derzeit erörtert.
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Die Verhaftung von U. war am Freitagmorgen in den Fluren des Justizzentrums an der Luxemburger Straße Thema unter Anwälten und Justizmitarbeitern. Wie die Rundschau von einem Justizmitarbeiter erfuhr, habe der Angeklagte „sehr ungehalten“ auf die angeordnete Untersuchungshaft reagiert. Ein Augenzeuge sagte über den Moment der Haftbefehlsverkündung: „Seinen Blick hätten Sie sehen müssen. Der wollte das überhaupt nicht glauben.“