Kritik an „Fridays for Future“Meteorologe von Storch fordert Lösungen statt Emotion
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Eine Klimaaktivistin sprüht während einer Kundgebung ein Logo der Bewegung Fridays For Future auf ein Transparent.
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Hamburg – Das Elbwasser glitzert in der Sonne und plätschert sanft gegen die Fähre mit der Nummer 62, die noch auf Fahrgäste wartet. Es ist kaum etwas los an diesem kalten Märzmorgen, nur wenige Menschen sind auf den Hamburger Landungsbrücken unterwegs. Hans von Storch steht direkt am Anleger, er trägt seinen Elbsegler, diese schwarze Schiffermütze, und schaut auf das Wasser.
Mit den Worten „Na, dann wollen wir mal losschippern“ betritt der Klimaforscher die Fähre. „Das tut gut, mal wieder auf der Elbe zu sein“, sagt er, als die Fahrt in Richtung Elbstrand Övelgönne losgeht. Aufgewachsen auf der Nordseeinsel Föhr, kommt es für den Wissenschaftler nicht infrage, an einem Ort zu leben, wo es kein Wasser gibt. „Allein die Vorstellung: abscheulich“, sagt er lachend. „Wenn ich über die Elbbrücken fahre, freue ich mich schon wieder darauf zurückzukommen.“ Seit vielen Jahren schon wohnt er mitten in Hamburg, im bunten Stadtteil St. Georg direkt am Hauptbahnhof.
Kritik an „Fridays for Future“
Hans von Storch ist Mathematiker, Physiker und Meteorologe. Er promovierte und habilitierte an der Universität Hamburg, lehrte dort als Professor, war Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Meteorologie und später Direktor am Institut für Küstenforschung in Geesthacht. Als Autor schrieb er außerdem an Berichten des Weltklimarates IPCC mit und gründete in Hamburg das erste Exzellenzcluster zur Klimaforschung mit. Und er ist einer der größten Kritiker der „Fridays for Future“-Bewegung.
Angst ist der falsche Weg, dem Klimawandel zu begegnen, ist Wissenschaftler Hans von Storch überzeugt.
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„Also ich hab keine Angst vor den Konsequenzen des Klimawandels“, sagt er. Sowieso sei Angst der falsche Weg. Im Gegenteil. „Der Klimawandel ist längst da, und der geht auch nicht mehr weg. Da müssen wir hinschauen und uns überlegen, wie wir es hinbekommen, dass er sich nicht weiterentwickelt. Aber wir werden mit dem Klimawandel leben.“
Mit alarmistischer Sprache kann der 70-Jährige nichts anfangen, über „aufgeregte Menschen“, die „Blödsinn“ erzählen, schüttelt er den Kopf. So gebe es beispielsweise nicht mehr Stürme bei uns als früher, das sei wissenschaftlich nie bestätigt worden, und dennoch würde diese Behauptung ständig wiederholt. Es herrsche ein apokalyptisches Narrativ, sagt der Wissenschaftler. Emotionalität stünde im Fokus anstelle von Lösungsansätzen. Auch oder gerade bei „Fridays for Future“.
Nur neue Technologien können helfen
Immer wieder pausiert Hans von Storch kurz das Gespräch, um auf andere Schiffe aufmerksam zu machen oder um das neue Feuerlöschboot zu bewundern, das im Hamburger Hafen liegt. Schiffe faszinieren ihn offenkundig, und so wundert es auch nicht, dass er als einen konkreten Lösungsvorschlag im Umgang mit dem Klimawandel die klimaneutrale Schifffahrt nennt.
Um das Pariser Ziel überhaupt noch zu erreichen, gibt es aus seiner Sicht nur eine realistische Möglichkeit: neue Technologien verfügbar zu machen, die einerseits wirtschaftlich attraktiv sind und andererseits klimafreundlich oder klimaneutral sind. „Wir aus Deutschland könnten uns zum Beispiel um die klimaneutrale Schifffahrt kümmern“, sagt er, „und andere Länder kümmern sich um andere Technologien wie Flugzeugantriebe. Aber dafür bräuchten wir in Deutschland eine Technologiefreundlichkeit, und die haben wir nicht.“
Eine weltweite Anstrengung ist gefordert
Europa allein kann das nicht schaffen. Das betont Hans von Storch immer wieder. Vielmehr brauche es eine weltweite Zusammenarbeit, sagt er. Er kann verstehen, dass die „Fridays for Future“-Bewegung politisch aufrütteln will, aber es sei doch inzwischen deutlich, dass das nicht funktioniere, sagt er. „Da wird gerüttelt und gerüttelt, und viele Menschen in Deutschland sind beunruhigt, aber nicht in China und nicht in Indien oder in anderen Teilen der Welt.“
Aus diesem Grund stört ihn auch der ständige Appell an den Einzelnen, den eigenen Lebenswandel zu verändern. Man habe den globalen Charakter des Klimawandels nicht verstanden, so von Storch. Es werde in der Regel nicht gefragt, welche Wirkung eine Maßnahme hat und das eigentliche Problem nicht ernst genommen. „Da wird beispielsweise gesagt: Wenn du Fleisch isst, bist du mitverantwortlich. Und wenn du es nicht tust, bist du besser als die anderen. Das erlaubt eine Abwertung der anderen.“
„Fridays for Future“ als Phänomen einer gesättigten Gesellschaft
Die „Fridays for Future“-Bewegung sieht er als ein „Phänomen einer gesättigten, westlichen Gesellschaft, die verhältnismäßig sorgenfrei ist“. Die Jugendlichen seien auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Welt zu verbessern. „Aber wo kommen die her? Sind das Dorfkinder? Oder sind die eher städtisch aufgewachsen? Wie bekannt ist ,Fridays for Future„ an den Schulen tatsächlich?“, fragt er sich und hat aus diesem Grund eine Umfrage in Zusammenarbeit mit der Universität Passau zu diesem Thema gestartet. Die Ergebnisse dazu stehen aber noch aus.
Doch Hans von Storch zeigt durchaus auch Verständnis für Greta Thunberg, Luisa Neubauer und die anderen demonstrierenden Kinder und jungen Erwachsenen. Jugendliche würden sich nun mal Freiräume suchen, in denen sie eigene Impulse setzen wollen und dafür kämpfen, es besser als die Alten machen zu wollen. Das sei zwar völlig normal – für die Wissenschaft jedoch unwichtig und sogar schädlich. „Wir brauchen in der Wissenschaft die kritische Nachfrage, und wir brauchen auch, dass ab und zu jemand mal was Merkwürdiges fragt. ,Fridays for Future’ hingegen vermittelt den Eindruck, dass Menschen in weißen Kitteln die objektive Wahrheit kennen, aus der sich unmittelbar politisches Handeln ableitet.“
Parallelen zu Coronaforschung
Gesellschaftspolitisch findet Hans von Storch das problematisch. Gleichzeitig kritisiert er, dass viele Kollegen genau dieses Bild der Wissenschaft befeuern, indem sie immer wieder öffentlich Stellung beziehen – auch zu fachfremden Themen. Ihnen würde die Bodenständigkeit und Bescheidenheit abgehen, sagt er, dies zeige nicht nur die Klima- sondern aktuell auch die Coronaforschung. „Gute Wissenschaftler sind Fachidioten. Die kennen ihre eigenen Gebiete extrem gut, dafür andere eben schlechter. Aber viele reden einfach weiter, weil es ja auch Spaß macht, der große Klugscheißer zu sein.“
Die Hafenrundfahrt nähert sich dem Ende und Hans von Storch steht jetzt oben auf dem Deck und wartet, dass die Fähre wieder an den Landungsbrücken anlegt. „Dahinten war wieder so ein schönes dickes Containerschiff“, sagt er und schaut noch einmal zurück auf die Elbe bevor er das Schiff verlässt.