Seit 20 Monaten läuft in Köln der Prozess gegen Reemtsma-Entführer Drach. Ihm werden vier Raubüberfälle vorgeworfen, er bestreitet alles.
Bis zum Lebensende hinter Gittern?Drach-Prozess in Köln vor dem Ende
Seit nunmehr fast 100 Verhandlungstagen steht Deutschlands wohl bekanntester Schwerverbrecher vor dem Kölner Landgericht. Als der Prozess gegen den Reemtsma-Entführer Thomas Drach am 1. Februar 2022 begann, waren noch weit weniger Termine geplant, das Urteil sollte im September 2022 gesprochen werden. Doch die Verhandlung, reich an überraschenden Wendungen und schillernden Eklats, läuft immer noch. Jetzt allerdings soll es auf die Zielgerade gehen: Voraussichtlich an einem der nächsten Verhandlungstage – der Prozess wird am 7. November fortgesetzt – sollen Staatsanwaltschaft und Verteidiger ihre Plädoyers halten.
Köln: Reemtsma-Entführer Thomas Drach bestreitet die Vorwürfe
Dem 62 Jahre alten Drach werden vier Raubüberfälle auf Werttransporter in Köln, Frankfurt am Main sowie im hessischen Limburg in der Zeit von März 2018 bis November 2019 zur Last gelegt. Zudem wirft ihm die Staatsanwaltschaft versuchten Mord vor, weil er am Flughafen Köln/Bonn und vor einem Ikea-Markt in Frankfurt auf Geldboten geschossen und diese erheblich verletzt haben soll. Laut Staatsanwaltschaft soll Drach bei den Überfällen insgesamt rund 230.000 Euro erbeutet haben. Er selbst bestreitet, auch nur irgendetwas mit den Taten zu tun zu haben.
Von Beginn an schien der Prozess unter keinem guten Stern zu stehen. Schon beim Auftakt verzögerte sich die Verlesung der Anklage stundenlang – wegen hoher Sicherheitsvorkehrungen der Polizei, die den Prozess mit schwer bewaffneten Einsatzhundertschaften im Kölner Justizzentrum und drumherum absichert. Im weiteren Verlauf fielen Verhandlungstage reihenweise aus. Zum einen, weil Drachs niederländischer Mitangeklagter über starke Schulterschmerzen klagte, zum anderen, weil sich wiederholt Prozessbeteiligte mit Corona infizierten. Immer wieder von den Verteidigern vorgebrachte Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter oder die gesamte Strafkammer streuten zusätzlich Sand ins Getriebe.
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Ab Mai 2022 nahm das Verfahren Fahrt auf. Augenzeugen schilderten ihre Erlebnisse. Ein Zeuge hatte das Pech, gleich bei zwei der Überfälle als Geldbote ins Visier der Täter geraten zu sein. Ein Kollege von ihm wurde am Flughafen Köln/Bonn gar von der Kugel eines Täters im Oberschenkel getroffen. „Ich träume jede Nacht davon“, sagte er im Zeugenstand.
Ein in Frankfurt ebenfalls am Oberschenkel angeschossener Wertbote zeigte sich bei seiner Zeugenaussage auch äußerlich schwer angeschlagen. Auf einen Rollator gestützt schleppte er sich in den Zeugenstand und berichtete von einem Schusswechsel, den er sich mit einem Räuber geliefert habe.
Probleme mit Miangeklagten: Prozess findet ein langsames Ende
Im Juni sagte ein ehemaliger Mitgefangener vor Gericht aus, Drach habe ihm gegenüber zugegeben, drei der vier Überfälle begangen zu haben. An dieser Stelle wirkte Drach erstmals angefasst und beleidigte den Zeugen.
Geradezu komödiantisch wurde es am diesjährigen Aschermittwoch. Eine Einsatzhundertschaft der Polizei sicherte das Justizzentrum, alle Verfahrensbeteiligten waren anwesend, nur der Hauptakteur fehlte: Es war vergessen worden, Drach mit dem Hubschrauber zum Gericht zu fliegen. „Sie sehen, der Karneval ist noch nicht ganz zu Ende“, kommentierte der Vorsitzende Richter.
Frühjahr und Sommer 2023 waren von einem zunehmend feindlichen Klima zwischen Gericht und Verteidigern geprägt. Vor allem ein Verteidiger von Drachs Mitangeklagtem geriet immer wieder mit dem Vorsitzenden Richter aneinander: Nicht selten wurde es persönlich. Schließlich trennte das Gericht das Verfahren des Niederländers ab.
Nun werden also bald Plädoyers und Urteil erwartet. Für Drach, der 1996 wegen der Entführung des Tabakkonzernerben Jan Philipp Reemtsma bereits zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, brechen damit Schicksalstage an. Es geht darum, ob er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen wird. Im Falle einer Verurteilung würde das Gericht wohl – wie von der Staatsanwaltschaft bereits beantragt – Sicherungsverwahrung anordnen. Nach verbüßter Haftstrafe käme Drach dann nicht wieder auf freien Fuß, sondern würde in den Maßregelvollzug überstellt. Dort würde der Mann, der immer nach einem Leben im Luxus strebte, weiter hinter Gittern sitzen. (dpa)