Berlin/Köln – Nach Hochrechnungen von Experten ist jetzt weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung Mitglied in den beiden großen Kirchen. „Es ist eine historische Zäsur, da es im Ganzen gesehen, seit Jahrhunderten das erste Mal in Deutschland nicht mehr „normal“ ist, Kirchenmitglied zu sein“, sagt Sozialwissenschaftler Carsten Frerk von der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (Fowid).
„Die Abwärtsentwicklung ist schon seit längerem zu beobachten, hat sich in den vergangenen sechs Jahren aber stärker beschleunigt als vorher angenommen.“ Ostern als wichtigstes Fest der Christen findet deshalb wohl erstmals nach Jahrhunderten in einem mehrheitlich nicht mehr kirchlich gebundenen Deutschland statt.
Viele Austritte aus katholischer Kirche in Köln
Die Entwicklung in Gesamtdeutschland spiegelt sich auch in Köln wider. Im ersten Quartal dieses Jahres erklärten 5780 Kölnerinnen und Kölner ihren Austritt, berichtet der „Express“. Im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres sei das ein Anstieg um 73 Prozent beziehungsweise um 2434 Personen. 2021 waren demnach laut Amtsgericht insgesamt 19.372 Kölner und Kölnerinnen aus der katholischen Kirche ausgetreten – doppelt so viele wie im bisherigen Spitzenjahr 2019.
Der Anteil katholischer und evangelischer Christen war in Köln unterdessen bereits Ende 2016 unter die 50-Prozent-Marke gesunken, zeigen Daten der Stadt Köln. Zusammengerechnet kamen die beiden Konfessionen schon damals nur noch auf einen Anteil von knapp unter 50 Prozent an der Kölner Bevölkerung.
Offizielle Zahlen erst im Sommer
Vor 30 Jahren waren noch um die 70 Prozent in Deutschland in der römisch-katholischen Kirche und der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland). Vor rund 50 Jahren waren noch mehr als 90 Prozent Kirchenmitglied - zumindest in der damaligen Bundesrepublik (einschließlich West-Berlin). Eine Projektion der Kirchen sagt voraus, dass 2060 wohl nur noch rund 30 Prozent der Bevölkerung katholisch oder evangelisch sein werden.
Offiziell werden die neuesten Zahlen (Stand für Ende 2021) erst im Sommer von den Kirchen veröffentlicht. Ende 2020 waren noch etwa 51 Prozent in Deutschland Kirchenmitglied gewesen. Nach Hochrechnungen ist die Quote nun aber unter die 50-Prozent-Marke gerutscht.
Die EKD rechnete schon hoch, Ende 2021 nur noch etwa 19,7 Millionen Mitglieder zu zählen (ein Jahr vorher noch 20,2 Millionen). Prognosen etwa von der Fowid sehen zudem noch etwa 21,8 Millionen Katholiken (ein Jahr vorher 22,2 Millionen).
Mehrheit der Bevölkerung immer noch christlich
Dennoch ist die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland noch offiziell christlich, denn neben Mitgliedern der beiden großen Kirchen gibt es ein paar Millionen weitere Christen, zum Beispiel Freikirchler und Orthodoxe.
In Deutschland sind inzwischen mehr als 40 Prozent der Einwohner konfessionslos, etwa vier Prozent der Bevölkerung werden als konfessionsgebundene Muslime gezählt, die übrigen verteilen sich auf andere Religionen, darunter sind zum Beispiel Juden. (mit dpa)