Erstmals in Deutschland: die Weltsportspiele für Soldaten mit Handicap. Ein Ausblick des britischen Generalkonsuls auf den royalen Besuch.
Invictus GamesWas Prinz Harry und Meghan in Düsseldorf erwartet
Prinz Harrys Autobiografie „Spare“ will Nick Russell bis zum Wochenende noch rasch lesen. Der pikante Enthüllungsbestseller über die Royal Family gehört eigentlich nicht zur Pflichtlektüre des neuen Generalkonsuls für das Vereinigte Königreich und Nordirland in Düsseldorf. Schließlich ist Harry kein aktiver Abgesandter der Krone mehr, der bei seinem bevorstehenden mehrtägigen Deutschland-Besuch ab Samstag Anspruch auf diplomatische Begleitung hätte. Doch Russell und den Duke of Sussex verbindet ein gemeinsames Thema.
Prinz Harry hat vor neun Jahren die „Invictus Games“ ins Leben gerufen, die Weltsportspiele für Soldatinnen und Soldaten, die im Dienst für ihr Land an Körper oder Seele verletzt wurden. Vom 9. bis 16. September finden sie in Düsseldorf und damit erstmals in Deutschland statt. Erwartet werden 500 Athleten aus 21 Nationen, die sich auf dem Stadiongelände in Disziplinen wie Rollstuhl-Basketball, Tischtennis, Bogenschießen oder Sitz-Volleyball messen. Es soll ein Familienfest werden, zu dem Zuschauer freien Eintritt haben.
Generalkonsul scheut keine körperliche Anstrengung
Harry wird nach Angaben des Veranstalters die gesamten Invictus Games vor Ort begleiten, seine Frau Meghan soll zeitweise ebenfalls nach Düsseldorf reisen. Für Generalkonsul Russell geht es weniger um den Promi-Faktor als solchen, als vielmehr um das Anliegen des prominenten Prinzen. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es Menschen mit Behinderung haben“, sagt Russell. Der 37-Jährige leidet selbst unter einer äußerst seltenen genetischen Erkrankung. Russell geht offen damit um, dass er episodische Ataxie hat und ihn diese schwere Koordinierungsstörung jederzeit unvermittelt aus der Bahn werfen kann.
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„Ich will über mein Handicap sprechen und finde es wichtig, dass auch die Invictus Games zeigen, was Menschen mit Handicap leisten können“, sagt Russell. Am kommenden Samstag wird Prinz Harry zu einem nicht-öffentlichen Empfang der britischen Invictus-Mannschaft in der Residenz des Generalkonsuls in Düsseldorf-Wittlaer stoßen, bevor er zu einem bereits im Vorfeld viel beachteten Auftritt ins ZDF-Sportstudio weiterfährt. Russell freut sich auf seinen Hausgast, auch wenn Harry kein „Royal in Working“ mehr sei, der das große protokollarische Besteck der amtlichen Vertretung des Königreichs in NRW erwarten könnte.
Russell selbst scheut trotz seiner Behinderung keine körperliche Anstrengung. Der unkonventionelle Generalkonsul hat mit seiner Frau bereits die USA zu Fuß durchquert, knapp 5000 Kilometer von Küste zu Küste, täglich 40 bis 50 Kilometer. Im kommenden Jahr will er NRW wandernd vermessen.
Erste politische Bewährungsprobe
Für Russell sind die Invictus Games auch politisch die erste große Bewährungsprobe auf seinem neuen Posten. Der Vater von zwei kleinen Töchtern ist erst seit wenigen Wochen in Düsseldorf. Russell ist kein Karrierediplomat, sondern hat nach dem Politik-Studium in London als Digitalexperte für die britische Regierung gearbeitet. Zwischen 2013 und 2018 lebte er in Brüssel und hat das Brexit-Abkommen mit der EU maßgeblich mitverhandelt.
Dass der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union auch die Wirtschafsbeziehungen zu Nordrhein-Westfalen geschwächt hat, ist kaum zu übersehen. Doch Russell glaubt an eine Vertiefung der Zusammenarbeit durch den technologischen Fortschritt. Der riesige Bedarf Deutschlands an Strom und Wasserstoff ließe sich perspektivisch auch mit Windkraft auf hoher See vor Schottland decken. „Wir haben nicht sehr viel Sonne, aber viel Wind“, sagt er mit britischem Witz. Schon heute sei der Essener RWE-Konzern der größte Windkraft-Investor im Königreich. Das Gerede von Deutschland als dem „kranken Mann Europas“ hält er für übertrieben. „In den letzten 20 Jahren war reihum jeder Mal der kranke Mann Europas.“
Die menschlichen Beziehungen haben nach Russels Einschätzung unter dem Brexit ohnehin nicht gelitten. Vielmehr habe der Ukraine-Krieg vor Augen geführt, wie wichtig die deutsch-britische Freundschaft ist. Beide Länder sind nach den USA die wichtigsten Unterstützer der von Russland überfallenen Ukraine. Wie rasant sich das historisch belastete Verhältnis der Deutschen zum Militär seit der „Zeitenwende“-Rede des Bundeskanzlers gewandelt hat, scheint ihn nach wenigen Monaten im Gastland noch immer zu faszinieren.
„Ich mag Altbier lieber als Kölsch“
Die Invictus Games bieten nun auch Gelegenheit, Soldaten und ihre Schicksale stärker in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Prinz Harry, der selbst zweimal im Afghanistan-Einsatz war, hatte in einer „Netflix“-Dokumentation die mangelnde Unterstützung für Versehrte beklagt. Russell hält sich mit derlei Bewertungen naturgemäß diplomatisch zurück, obwohl er sich inzwischen mehrsprachig einlassen könnte. Fünf Monate lang hat er von morgens bis abends im Regierungs-Crashkurs Deutsch gelernt und parliert bereits fließend.
Vor allem hat er die ausgleichende Art eines offiziell Gesandten längst verinnerlicht. Als Fußball-Fan sagt er: „Wir haben Euren Jürgen Klopp, ihr habt unseren Harry Kane.“ Als Neu-Nordrhein-Westfale bekennt er: „Ich mag Altbier lieber als Kölsch, bin aber Fan des 1. FC Köln.“
Landtag ehrt Athleten
Der NRW-Landtag ehrt die deutschen Athleten der Invictus Games, der Weltsportspiele für Soldaten, die im Einsatz physische oder psychische Verletzungen erlitten haben. Während der Wettkämpfe, die vom 9. bis 16. September bei freiem Eintritt im Düsseldorfer Stadion zu sehen sind, zeigt das Parlament die Ausstellung „Gesichter des Lebens“. Die Fotografin Daniela Skrzypczak präsentiert Mitglieder der deutschen Invictus-Mannschaft. Unmittelbar vor Wettkampfbeginn wird am Freitag Landtagspräsident André Kuper (CDU) gemeinsam mit dem Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant Markus Laubenthal, die Athletinnen und Athleten auch persönlich im Landtagsgebäude am Rhein begrüßen.