Im Interview mit Joachim Schmitz erzählt der Komiker, bekannt aus der „heute-show“, von frühen Stunden auf Parteitagen, seinem Respekt vor dem 50. Geburtstag und seinem neuen Podcast mit Ilka Bessin.
Interview mit Lutz van der HorstSo feiert der Komiker Silvester und 50. Geburtstag
Herr van der Horst, es ist zehn Uhr morgens, Sie wirken ziemlich frisch und in mir erlischt gerade die Vorstellung, dass Fernsehkomiker immer erst gegen Mittag in die Puschen kommen.
(lacht) Ich bin eher der Frühaufsteher. In letzter Zeit wache ich oft um vier Uhr irgendwas auf und kann dann manchmal wieder einschlafen, manchmal aber auch nicht. Keine Ahnung, woran das liegt. Offenbar stehe ich unter Strom. Wie ist es denn mit dem Humor – sind Sie gleich nach dem Aufstehen witzig oder müssen Sie erst mal einen Clown frühstücken? Nee, ich bin tatsächlich morgens am besten gelaunt und im Verlauf des Tages geht's immer weiter runter mit der Stimmung. Nachmittags zu arbeiten ist zum Beispiel gar nichts für mich. Nachmittags ist der Tag vorbei, ich muss es morgens machen, weil dann die Energie schwindet.
Das dürfte manchmal schwierig sein, zum Beispiel, wenn Sie für die „heute-show“ auf Parteitagen sind. Da drehen Sie ja nicht morgens, oder?
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Doch, meistens fangen wir auch auf Parteitagen superfrüh an und drehen morgens. Im Idealfall sind wir schon vor der offiziellen Eröffnung da, damit wir Leute abgreifen können. Dafür müssen wir wirklich sehr, sehr früh aufstehen.
Zurück zum Clown: Waren Sie in der Schule schon der Klassenclown oder eher der stille Junge in der letzten Reihe?
Beides in einem. Mit dem Begriff Klassenclown verbindet man ja jemanden, der laut ist – das war ich nie. Ich galt immer als der Lustige, aber nie als der extrovertiert Lustige, sondern eher als ein Vertreter des trockeneren Humors.
Haben Sie Gags auf Kosten Ihrer Lehrer gemacht?
Ich habe immer versucht, auszuloten, welche Gags man wie machen kann, dass man dabei trotzdem charmant bleibt und der Lehrer mich versetzt. Lehrer sind ja nach den Eltern die ersten Autoritätspersonen, die man kennenlernt und mit denen man sich gut stellen muss. Da hat es mir Spaß gemacht, charmant zu piesacken. Das habe ich auch ganz gut eingehalten. Dass ich Defizite vor allem in Mathe hatte, hing nicht mit meinem Humor zusammen.
Mathe war also nicht Ihr Lieblingsfach?
Mathe war für mich mit das Schlimmste, was vorstellbar war. Bei Zahlen blockiert mein Gehirn total, ich kann mir nicht mal die Geburtsjahre meiner Eltern merken. Deshalb war auch Geschichte für mich immer schlimm, weil ich mir die ganzen historischen Daten nicht merken konnte. In den Neunzigern, als man sich Wunschnummern fürs Handy aussuchen konnte, habe ich mir eine Nummer geben lassen, die sich wirklich jeder merken kann. Seitdem habe ich die einfachste Nummer der Welt.
Sie haben ziemlich früh Texte für alle möglichen Comedy-Formate geschrieben. Ich frags mal so, wie Sie vor ein paar Monaten Bodo Ramelow gefragt haben: Konnten Sie sich vorstellen, mal richtig arbeiten zu gehen?
(lacht) Wenn jemand von außen denkt „Mensch, wann fängt der mal an, richtig zu arbeiten“, ist es doch eigentlich gut. Dann vermittelt man ja den Eindruck, man würde es alles ganz lässig machen. Und das ist eine große Kunst, von der ich hoffe, sie zu beherrschen. Dass ich anstrengende Arbeit so transportiere, als würde ich sie ganz unverkrampft machen.
Seit 2001 sind Sie auf der anderen Seite der Kamera zu sehen – also fast ein Vierteljahrhundert. Gehört man damit zu den Dinos der Branche?
Wenn man das nach den Jahren beurteilt, würde ich schon „Ja“ sagen. Aber ich habe den Eindruck, dass ich in der Öffentlichkeit nicht als Dino wahrgenommen werde, und ich möchte das auch gar nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich für mein Alter so verdammt gut aussehe.
Nächstes Jahr wachsen Sie aus der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen raus.
Das ist mir letztens auch schmerzhaft bewusst geworden. Und – das ist jetzt wirklich nicht lustig – zum ersten Mal werde ich mir meiner Sterblichkeit bewusst, was nicht so schön ist. Bisher war es mir immer egal, wie alt ich bin, aber die 50 hat schon eine andere Wucht.
Haben Sie schon Pläne, wie und wo Sie diesen Tag erleben wollen?
Nein, ich hab noch keine richtige Idee. Früher habe ich jedes Jahr gefeiert, aber die letzten Jahre schon nicht mehr, weil mich die Idee schon stresst, wenn ich denke, wen lade ich denn jetzt ein, und wenn Du den einlädst, musst Du ja auch den einladen. Aber ich habe das Gefühl, mit 50 muss ich was machen, oder?
Einfach wegfahren könnte helfen. Und dazu das Handy ausschalten.
Einfach wegfahren werde ich an Karneval. Ich bin ja Kölner und will nächstes Jahr auf jeden Fall im Februar verreisen, weil mich Karneval nur noch stresst. Das ist oft so eine erzwungene gute Laune, viele Leute sind dann so schlagartig lustig, das finde ich schwierig. Ich finde es anstrengend, in so einer Masse von sehr lustigen Menschen zu sein, die gerade feiern, weil Karneval ist und nicht, weil sie sich danach fühlen. Mich deprimiert das eher und macht mich traurig.
Wirklich witzig fand ich ja Ihre Beschreibung durch den „Musikexpress“, der Sie als den „lustigsten Menschen mit viel Frisur im deutschen Fernsehen“ bezeichnete.
Das fand ich auch sehr lustig. Was ich sonst öfter höre oder lese, ist „der Politikerschreck“, in der internationalen Ausgabe von Wikipedia ist sogar von „political terror“ die Rede. „Spaßvogel“ finde ich dagegen sehr altbacken, dabei muss ich immer an „Verstehen Sie Spaß?“ aus den Achtzigerjahren denken.
Jetzt sind Sie schon seit 15 Jahren bei der „heute-show“. Wer ist damals auf die Idee gekommen, Sie als Außenreporter auf Politiker loszulassen?
(lacht) Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich dahin entwickeln würde, der „Politikerschreck“ zu werden, weil ich eigentlich nur durchschnittlich politisch interessiert war und immer Unterhaltung oder Comedy machen wollte. Damals, ich war nicht mehr bei „TV Total“, gab es dann die „heute-show“ mit ihren Einspielern, und da wollte ich dabei sein. Ich habe ein Showreel an die Redaktion geschickt, durfte ein Bewerbungsvideo drehen und das wurde dann auch direkt gesendet. Da hatte ich in der Fußgängerzone Passanten für den Afghanistan-Krieg rekrutiert.
Haben Sie die Parteitage gezählt, auf denen Sie seitdem waren?
Nein, aber das waren sicher Dutzende.
Und sind Sie schon mal irgendwo rausgeflogen – außer bei der AfD, die Sie nicht reingelassen hat?
Ich bin erst einmal wirklich rausgeflogen, das ist schon lange her und war auch kein Parteitag, sondern ein offener Tag der Bundeswehr. Da hatte ich es wohl zu weit getrieben und wurde dann höflich gebeten, den Ort mal wieder zu verlassen.
Aber auf Parteitagen lässt man Sie - bis auf die AfD – immer rein, und auch im Bundestag?
Ja, und das ist ja auch das Tolle an diesem Land, dass so etwas möglich ist. Dass Politiker einverstanden sind, dass man Ihnen so nahe kommt, und sich diese etwas anderen Fragen stellen zu lassen. Ich weiß nicht, in welchem Land das sonst noch möglich wäre.
Mittlerweile hat man den Eindruck, dass immer mehr Politiker so eine Art „heute-show“-Training absolvieren, um auf die Begegnungen mit Ihnen und Fabian Köster einigermaßen vorbereitet zu sein.
Es gibt auf jeden Fall heute mehr Politiker, die Lust haben, mit uns zu reden, sogar auf uns zukommen und eine gewisse Freude daran haben, sich den Fragen zu stellen.
Gibt es jemanden, der Ihnen bislang immer erfolgreich entwischt ist?
Ja, Friedrich Merz. Der wurde ja mal von seiner Frau vor Ihnen beschützt, die dazwischengegangen ist. Das hat uns alle sehr überrascht und ich wusste im ersten Moment auch überhaupt nicht, wer die Frau ist. Als sie auf uns zukam, dachte ich erst, es sei vielleicht die Pressesprecherin, habe das gar nicht begriffen und mich auch sehr erschrocken. Als ich es dann begriffen hatte, war ich natürlich dankbar, denn diese Szene ging ja wirklich durch alle Medien. In den ganzen 15 Jahren ist es mir noch nie passiert, dass eine Szene so sehr in der Medienlandschaft besprochen wurde.
In wenigen Tagen ist Silvester, lassen Sie uns mal eine fiktive kleine Party zusammenstellen – mit Fabian Köster und drei oder vier Politikern. Wen laden Sie ein?
Auf keinen Fall, dann feiere ich lieber allein mit Fabian. Der würde mir dann reichen.
Dabei ist er ja ziemlich genau 20 Jahre jünger als Sie, theoretisch könnten Sie sein Vater sein.
Das ist aber kein Vater-Sohn-Verhältnis, sondern wir sind ja auch privat befreundet und waren letztens noch zusammen trinken. Das fühlt sich wirklich nicht an wie 20 Jahre Unterschied. Die Tatsache, dass ich sein Vater sein könnte, kommt mir völlig absurd und ganz weit weg vor, ich fühle mich mit ihm auf einer Ebene. Aber ich bin für mein Alter auch noch sehr kindlich und er ist eben sehr erwachsen.
Die „heute-show“ ist ja längst nicht Ihr einziges Betätigungsfeld – seit einiger Zeit haben Sie auch den Podcast „Uns fragt ja keiner“ mit der Komikerin Ilka Bessin.
Das für mich so ein bisschen Ausgleich. Wir reden gefühlt über alles – außer Politik. Das fühlt sich richtig gut an, wie eine Oase, in der all dieses Schreckliche um mich herum nicht stattfindet und man über alles andere reden kann.