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„Grüner König“?Das sind die klaren politischen Standpunkte von König Charles III

Lesezeit 4 Minuten

König Charles und Premier Liz Truss.

London – Als die Trompeter auf dem Balkon des St. James’s Palace treten, zücken die Besucher schnell ihre Smartphones. Schließlich wirkt die Zeremonie mit altertümlichen Uniformen und Botschaften, die von einem Pergament abgelesen werden, wie aus der Zeit gefallen. Tausende sind gekommen, um bei Charles’ Proklamation dabei zu sein.

Zwei Tage nach dem Tod seiner Mutter, Queen Elizabeth II., ist Charles III. am Samstag mit Fanfaren auf dem Palast-Balkon in London als britischer König ausgerufen worden. Es folgten Salutschüsse im Hyde Park, dem Tower und an anderen Orten. Alle sollten es wissen: Charles ist König. Dabei handelte es sich um einen formalen Akt. Denn der 73-Jährige war bereits mit dem Tod seiner Mutter am Donnerstag König geworden, ganz automatisch.

Lob für emotionale Rede

Viele Briten hatten sich vor dem Tag gefürchtet, an dem Charles König wird. Hier die beliebte Queen, dort der über die Jahre eher mit Argwohn betrachtete Langzeit-Thronfolger. Am Freitag aber, als der neue König das erste Mal vor dem Buckingham-Palast erschien, kam alles anders als erwartet. Der Monarch zeigte sich nahbar, ließ sich umarmen und küssen. Die Menge jubelte ihm zu. Am selben Abend hielt er eine emotionale Rede an die Nation, die unter anderem wegen seiner liebevollen Worte über seine Mutter überschwänglich gelobt wurde. „Der Monarch und seine Beziehung zum Volk haben sich verändert“, resümierte eine britische Journalistin. Das Eis sei geschmolzen.

Wer waren eigentlich Charles I. und Charles II.?

Britische Könige müssen nicht ihren Taufnamen für ihre Regentschaft übernehmen. Doch Kronprinz Charles hat sich dafür entschieden, sich Charles III. zu nennen. Die Geschichte von CharlesI. und Charles II. führt zurück in die Zeiten der Religionskonflikte und des Englischen Bürgerkriegs (1642–1649). Charles I., der 1625 mit 24 die Krone übernahm, war von der Idee des Gottesgnadentums überzeugt und setzte sich ein ums andere Mal über das Parlament hinweg. Da er nicht einlenkte, wurde er im Januar 1649 wegen Hochverrats enthauptet.

Charles II. war da erst 18 Jahre alt. Als neuer König musste er vor dem „Lordprotektor“ Oliver Cromwell und der ausgerufenen Republik zunächst nach Schottland und dann in die Normandie fliehen. Erst nach Cromwells Tod 1658 konnte er 1660 als König zurückkehren. In seine Regierungszeit fiel der große Brand von London 1666. Er starb 1685. Pikant: Seine heute bekanntesten Nachkommen sind Diana, Princess of Wales, und Camilla, Herzogin von Cornwall – die beiden Ehefrauen von Charles. (kna)

Später kommt aber in sozialen Netzwerken doch noch Kritik auf. Denn als der neue König am Samstag seine Proklamation unterzeichnet, passt ihm offenbar die Platzierung des Tintenfässchens nicht. Mit einer herrischen Geste gegen seine Mitarbeiter macht er seinen Unmut deutlich. Das sieht nicht jeder gern.

Klimaschützer der ersten Stunde

Pflichterfüllung war für die Queen immer ein Pfeiler ihrer langen Regentschaft. Charles macht nun deutlich, dass er sich genau in dieser Tradition sieht. Allerdings hatte Charles bisher ein völlig anderes Image als die Queen. Während diese dafür gerühmt wurde, ihrer Neutralitätspflicht dermaßen konsequent zu entsprechen, dass niemand sie im Parteienspektrum auch nur ungefähr einordnen konnte, gilt Charles als ein durchaus politischer Mensch mit sehr klaren Standpunkten – obwohl sich die Royals eigentlich nicht einmischen dürfen.

Sein großes Thema ist der Umwelt- und Klimaschutz, und das schon seit vielen Jahrzehnten. Anfangs wurde er dafür oft belächelt und verspottet. Der Thronfolger galt als Exzentriker, für den es nichts Schöneres gebe, als auf seinem Landgut Highgrove in Gummistiefeln die Beete umzugraben und begütigend auf Schnittlauch und Brunnenkresse einzusprechen. Inzwischen allerdings gilt er weit positiver als Klimaschützer der ersten Stunde.

Konfliktpotenzial mit Truss?

Auf die Frage, ob er seine politischen Kämpfe weiter ausfechten werde, wenn er einmal König sei, betonte Charles 2018 gegenüber der BBC: „Ich bin ja nicht dumm.“ Ihm sei klar, dass die Rolle als Souverän eine völlig andere sei.

Viele Biografen sind sich dennoch sicher, dass er seine neue Position nutzen wird, um für die Themen zu kämpfen, die ihm am Herzen liegen: vielleicht nicht so lautstark wie zuvor, aber mit der gleichen Hingabe – und mit einer Premierministerin, die ihm einmal die Woche zuhören muss. In anderen Worten: Charles könnte die Audienzen als eine gute Gelegenheit betrachten, die neue Regierungschefin Liz Truss mit seinen Ansichten zu „bombardieren“, wie es ein Journalist der Tageszeitung „The Guardian“ schrieb.

Charles’ Gratwanderung

Und mit der neuen Regierung gibt es so manchen potenziellen Konfliktpunkt. So will Truss an dem Vorhaben festhalten, illegal eingereiste Menschen nach Ruanda auszufliegen. Charles soll dieses Vorgehen in einem privaten Gespräch als „entsetzlich“ bezeichnet haben.

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Für Charles dürfte es also eine Gratwanderung werden. Schon eine im vertraulichen Kreis geäußerte Meinung, die an die Presse durchgestochen würde, könnte einen politischen Skandal verursachen. Sollte es ihm dagegen gelingen, die richtige Balance zu finden, könnte es für das Ansehen Großbritanniens sogar von Vorteil sein, einen humanitär engagierten, „grünen König“ zu haben. Vor allem könnte das Charles bei der Jugend populärer machen – die der Monarchie kritischer gegenübersteht. (mit dpa)