Ein Leben für die KroneKönig Charles III. tritt in große Fußstapfen
London – Es war ein Moment tiefer Trauer, aber auch des Neuanfangs, als König Charles III. gestern Nachmittag mit seiner Limousine vor dem Buckingham-Palast ankam. Dort warteten Zehntausende Menschen seit Stunden, um den neuen Monarchen zu sehen. Sie jubelten ihm zu, riefen „Gott schütze den König“.
König Charles gibt sich nahbar und zugänglich
Dann nahm er sich Zeit, um mit den Menschen einige Worte auszutauschen, schüttelte Hände, lächelte ihnen zu. Viele sprachen ihm sein Mitgefühl aus, machten Fotos. Es war der erste Eindruck, den die Briten von ihrem neuen Monarchen erhielten. Er gab sich zugänglich, nahbar. Als er mit seiner Frau Camilla, der Queen Consort, in den Palast im Zentrum Londons ging, wurde die „Royal Standard“-Flagge gehisst, als Zeichen dafür, dass der König vor Ort ist. Die Menge jubelte.
Traditionen wie diese haben in Zeiten der Trauer etwas Tröstendes, stimmen zuversichtlich. Sie geben dem Unfassbaren einen Rahmen, dem Unaussprechlichen einen Klang. Und so war es ein weiterer ergreifender Moment, als in London, auf Schloss Windsor und auf Schloss Balmoral in Schottland gestern um Punkt 12 Uhr die Glocken läuteten – in Gedenken an Königin Elizabeth II. Die durch die Queen in ihrer letzten Amtshandlung ernannte Premierministern Liz Truss sprach zum gleichen Zeitpunkt im Parlament in Westminster. Sie betonte, dass diese ihr Versprechen, ihr Leben in den Dienst der Krone zu stellen, beeindruckend erfüllt habe und endet ihre Rede mit den Worten „God save the King“, Gott schütze den König.
Viele Krisen treffen die Briten
Der Tod der Queen fällt in eine Zeit, in der das Land mit vielen Krisen konfrontiert ist. Das nationale Gesundheitssystem NHS ist überlastet, die Preise für Gas- und Strom schnellen immer weiter in die Höhe. Die Menschen in Großbritannien hofften auf schnelle Hilfe. Und nun starb jene Frau, die den „Menschen Hoffnung gab, als sie es am meisten benötigten“, wie Labour-Chef Keir Starmer am Freitag in seiner Rede im Parlament betonte.
Die Bestürzung über den Tod der Queen hält an, hat angesichts einer zehntägigen nationalen Trauer gerade erst begonnen. Auch gestern kamen wieder Tausende Menschen zum Buckingham-Palast, um Königin Elizabeth II. zu gedenken. Sie legten Blumen und Karten nieder oder standen einfach nur da, ganz still, manche weinten. Einige verglichen die Stimmung im Zentrums Londons mit der während des 70. Thronjubiläums der Queen im Juni dieses Jahres. Denn schließlich fühlten viele neben der Trauer auch eine große Dankbarkeit für ihre Monarchin, die ihnen ein Leben lang gedient hatte.
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Manche Beobachter erinnern die Szenen seit dem Tod der Queen an die Reaktion der Menschen auf die Nachricht zum tödlichen Unfall Dianas, die sich im August 1997 rasend schnell verbreitete. Auch damals kam es zu einer kollektiven Trauer in Großbritannien, versinnbildlicht durch ein Blumenmeer vor den Toren des Kensington Palace, in dem Diana bis zu ihrem Tod lebte. Rückblickend beschreiben viele Briten diese Zeit jedoch als eine Art Massenhysterie.
Das Gedenken an die Queen ist stiller, andächtiger. Vielleicht auch, weil die Menschen mehr Zeit hatten, sich auf diesen Tag vorzubereiten. Der 67-jährige John Loughrey, der in Großbritannien als „Royal Superfan“ bekannt ist, kämpfte mit den Tränen. „Ich kann die Nachricht nicht glauben, ich bin am Boden zerstört“, sagte er gegenüber Journalisten. „Ich wusste, dass sie krank war, aber hoffte, sie würde noch ein paar Monate überleben.“
Das Bewusstsein geprägt
Für Charles III. macht die Tatsache, dass er sein ganzes Erwachsenenleben lang Zeit hatte, sich auf diesen Moment vorzubereiten, die Herausforderung eher größer. Der Tod von Königin Elizabeth II., der Fakt, dass sie 70 Jahre lang regierte, hinterlässt eine riesige Lücke. Die überwältigende Mehrheit der Briten hat immer nur einen Souverän gekannt. Der Stil der Queen, die Art und Weise, wie sie Aufgaben erledigt, das Amt ausgefüllt hat, haben das nationale Bewusstsein der Menschen in Großbritannien geprägt. In anderen Worten: Sie definierte durch ihre Person, was es bedeutet, eine Monarch zu sein.
Auch Charles wird nun versuchen, der Monarchie seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Viele Biografen betonten, dass er seine Position nutzen wird, um für die Themen zu kämpfen, die ihm am Herzen liegen. Die Autorin Catherine Mayer beschrieb ihn einst als einen „Ritter auf der Suche“. Seine zwei wichtigsten Ziele, die Rettung des Planeten und der Fortbestand der Monarchie, lenkten so ziemlich alles, was er tue, betonte sie. Er wird in Kauf nehmen, dass er seine Kämpfe nicht im Thronsaal ausfechten kann, betont sie. Doch die Audienzen mit dem Regierungschef, in diesem Fall also mit der neu ernannten Premierministerin Truss, werde er nutzen. Gestern fand die erste Audienz zwischen den beiden statt – wie es sich gehört hinter verschlossenen Türen.