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Gespräch mit ImpfskeptikernWas Menschen bewegt, sich nicht impfen zu lassen

Lesezeit 6 Minuten
Impfung Spritze in der Schale

Symbolbild 

  1. Trotz aller Debatten, Kampagnen und Einschränkungen für Ungeimpfte: Viele Menschen wollen sich nach wie nicht umstimmen lassen.
  2. Sie wollen sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Warum ist das so?
  3. Dieser Artikel stammt aus unsere Archiv und wurde zum ersten Mal am 22.11.2021 veröffentlicht.

„Anfangs hatte ich ,nur’ Angst, mir eine unbekannte Substanz spritzen zu lassen, die wie aus dem Nichts aufgetaucht ist“, begründet Melanie L. (33) aus Windeck ihre Vorsicht gegenüber einer Corona-Impfung. „Ich habe keine Angst vor den Nebenwirkungen unmittelbar nach der Impfung, sondern vor den Spätfolgen einer Corona-Impfung. Mir ist das einfach zu gefährlich“, erläutert die verheiratete Mutter von einem fünf Monate alten Sohn ihren Standpunkt. Angst ist einer der Beweggründe, warum sich Menschen (aktuell rund 15 Prozent) nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen.

Was bewegt die Gegner und Verweigerer der Corona-Schutzimpfungen noch? Welche Argumente haben sie? – Studien und Experten aus Politik-, Sozialwissenschaften und der Psychologie versuchen, Antworten auf die gestellten Fragen zu geben.

Grafik Impfbereitschaft

Eine vom Bundesgesundheitsministerium im Oktober in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage gibt Einblicke in die Gedankenwelt der nichtgeimpften Personen. Aussagen wie „eindeutige Beweise für die Existenz des Coronavirus gibt es bis heute nicht“, „Corona ist häufig ein Vorwand, um mehr staatliche Kontrolle zu erhalten“ oder „kritische Ärzte oder Wissenschaftler erhalten keine Plattform“ werden von den über 3000 Befragten immer wieder genannt.

Hierzu einige Zahlen aus der Umfrage: Rund ein Drittel der Nichtgeimpften gibt an, dass sie die verfügbaren Impfstoffe für nicht ausreichend erprobt halten. Mehr als jeder Zehnte sagt, Angst vor Nebenwirkungen zu haben, 15 Prozent zweifeln an der Sicherheit der Impfstoffe, eine ebenso hohe Zahl der Befragten trauen den offiziellen Informationen zur Schutzimpfung und zum Coronavirus generell nicht, ebenfalls 15 Prozent haben Angst vor Impfschäden und Langzeitfolgen und an der Wirksamkeit der Impfstoffe zweifeln zwölf Prozent der von Forsa Befragten. Zehn Prozent gaben an, dass sie das Risiko der Impfung höher einschätzen als den Nutzen.

Typisierung der Impfgegner

In der Analyse der Forsa-Umfrage werden die Impfverweigerer in unterschiedliche Typengruppen aufgeteilt: Neben den „Virus-Leugnern“ finden sich dort die „Diktatur-Vermuter“, die „Skeptiker“ und die Sonstigen.

Der Motivationsforscher Thomas Martens findet insgesamt sogar 15 unterschiedliche Typen, die Corona-Impfungen ablehnen oder aus anderen Gründen bisher nicht genutzt haben. Diese teilt er in vier Gruppen auf: Zuallererst diejenigen, bei denen die Erreichbarkeit noch hoch ist – zum Beispiel die Uninformierten, die Verunsicherten oder die Aufschieber. Dann die, die noch zugänglich sind – wie die von Impfgegnern Beeinflussten, die Gesundheits-Optimisten oder die Bequemen.

Als nächste Gruppe diejenigen, die kaum noch erreichbar sind – darunter sind die Naturgläubigen, die Verdränger oder die empathielos sozial Uninteressierten. Und abschließend diejenigen, die vermutlich nicht mehr erreicht werden können, etwa weil sie sich durch alle Maßnahmen in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, wissenschaftliche Fakten kategorisch ablehnen oder sich in die Nischen von Sozialen Medien zurückgezogen haben.

„Eine solche Einteilung ist eine wichtige theoretische Grundlage, um damit eine breit angelegte Impfkampagne vorzubereiten. Die Menschen könnten im Anschluss daran eine informierte Entscheidung für Booster- und Erstimpfungen treffen“, so Martens.

Weitere Gründe

„Besonders junge Menschen haben in den vergangenen Monaten immer wieder die Information bekommen, dass ihnen das Corona-Virus nicht wirklich gefährlich werden kann“, sagt Elvira Rosert, Politikwissenschaftlerin an der Universität Hamburg. Für sie wurden Fehler in der Kommunikation gemacht und zu wenig vorausgeschaut, als es darauf ankam. „Wir haben es zu oft versäumt, rechtzeitig in andere Länder zu schauen, wie die Impfquoten dort irgendwann stagnierten“, kritisiert Rosert.

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Zu Beginn habe man sich auf dem großen Teil der impfbereiten Bevölkerung ausgeruht und sich nicht schon frühzeitig auch um die Gruppen gekümmert, die skeptisch oder sogar ängstlich sind oder aufgrund von sprachlichen Mängeln von den Informationen zur Impftermin-Organisation ausgeschlossen waren, so die Juniorprofessorin weiter.

Zudem habe die Politisierung des ganzen Corona- und Impfthemas in Teilen von staatsskeptischen Bevölkerungsgruppen zu einer Art Trotzverhalten geführt mit der Folge, dass sie den Warnungen und Maßnahmen der Behörden jetzt grundsätzlich misstrauen. „Trotz aller Bemühungen der Politik ist bei vielen Skeptikern die Gefährlichkeit von Covid-19 nicht angekommen. Somit falle ein wichtiger Impuls weg, um sich impfen zu lassen“, so Rosert.

Was mach noch Sinn?

„Auch wenn uns das kurzfristig in der aktuellen Pandemielage nicht hilft, es gibt noch Spielräume, um Menschen zum Impfen zu bewegen“, ist Elvira Rosert überzeugt. Sie ist Mitglied in einem wissenschaftlichen Expertenteam, das an einer No-Covid-Strategie für Deutschland und Europa arbeitet. Um überzeugen zu können, bedürfe es aber größerer Anstrengungen als das bisher der Fall gewesen ist. Ängste über Langzeitgefahren nach der Impfung können oft ausgeräumt werden, wenn zum Beispiel Haus- oder Impfärzte die Menschen in Einzelgesprächen beraten, so Rosert.

Volker H. (63), verheiratet, zwei Kinder, aus Bergneustadt steht jedoch auf dem Standpunkt, dass die Corona-Impfstoffe zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreichend überprüft sind. Er wolle lieber abwarten.

„Die schnelle Einführung ist doch von Politikern aus lauter Panik entschieden worden.“ Außerdem scheinen die Impfstoffe nicht so wirksam zu sein, wie es uns versprochen wurde. „Ich bin kein kategorischer Impfgegner, bin es aber leid, mit meiner Einstellung sofort in die rechte Ecke gestellt zu werden“, ärgert sich H., der durch einen schweren Unfall seit 2003 erwerbsunfähig ist.

Für Ungeimpfte, die noch unentschieden sind, würde Elvira Rosert gerne eine Impfprämie einführen. „Einige Unternehmen – in Deutschland und in den USA – waren damit erfolgreich. Besser ein paar Hundert Euro für eine nicht geimpfte Person investieren, als die Kosten einer schweren Erkrankung tragen zu müssen.“

Allerdings gebe es einen Teil der Ungeimpften, die man auch mit größten Anstrengungen nicht erreichen könne. „Deshalb darf auch eine Diskussion über die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen Covid-19 kein Tabu sein“, meint die Politikwissenschaftlerin .

Impfquoten und Impfbereitschaft

„Cosmo – Covid-19 Snapshot Monitoring“, ein wissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt, begleitet das Geschehen der Corona-Pandemie mit aktuellen Zahlen und Grafiken. Auf der Internetseite der Universität Erfurt sind die Daten zu den einzelnen Pandemie-Themen einsehbar. Ein wichtiger Bereich der Analysen nimmt mittlerweile das Thema „Impfungen“ ein.

Hier einige wichtige Daten: Der Anteil der Ungeimpften in der deutschen Bevölkerung betrug am 2. November bei den in der Analyse befragten 18 bis 74-Jährigen 14,5 Prozent. Aufgeschlüsselt befanden sich laut der Cosmo-Analyse darunter 8,7 Prozent Verweigerer, 2,5 Prozent Zögerliche, 1,4 Prozent Unsichere und 0,9 Prozent durchaus Bereite sowie 1 Prozent Genesene.

Die Impfbereitschaft der Ungeimpften bei Einführung von einschränkenden Maßnahmen wurde von den Befragten in einer Skala von eins bis sieben angegeben. Bei einer Einführung einer allgemeinen Impfpflicht kam eine Bereitschaft von 2,15 heraus. Bei der Einführung eines Lockdowns für Ungeimpfte ein Bereitschaftswert von 2,29. Und bei einer nachrangigen Intensivbehandlung für Ungeimpfte läge die Impfbereitschaft bei eine Wert von lediglich 1,98.

www.uni-erfurt.de