Rundschau-Debatte des TagesBoostern gegen das Coronavirus mit Biontech oder Moderna?
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Eine Frau wird geimpft. (Symbolbild)
Copyright: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm
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Damit eingelagerter Impfstoff von Moderna nicht verfällt, sollen Praxen und Impfzentren zunächst nur noch begrenzt Biontech bestellen können.
Das hat viel Kritik ausgelöst. Befürchtet wird der nächste Impf-Knick.
Wie kam es überhaupt zu dem Streit um die Impfstoffe?
Deutschland hat dem Bundesgesundheitsministerium zufolge 16 Millionen Dosen Moderna auf Lager. Bestellt werde aber momentan zu 90 Prozent Biontech. Ab Mitte des ersten Quartals 2022 drohten deshalb eingelagerte Moderna-Dosen zu verfallen. „Es muss unser gemeinsames Anliegen sein, dies mit allen Mitteln zu verhindern“, heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an die Länder. Praxen und Impfzentren sollen nun zunächst nur noch bestimmte Mengen Biontech bestellen dürfen, damit mehr Moderna zum Einsatz kommt. Insgesamt sei „genug Impfstoff für alle da“.
Was heißt das genau?
Wieviel Impfstoff ist denn da? Bis zum Jahresende stehen laut Ministerium noch rund 50 Millionen Dosen für Erst-, Zweit- oder Booster-Impfungen zur Verfügung, etwa die Hälfte davon kommt von Biontech, die andere Hälfte von Moderna. Angestrebt werden bis Jahresende 20 bis 25 Millionen Auffrischungsimpfungen – zwischen 5,5 und 6 Millionen sind es bisher. Maximal 25 Millionen Menschen der Gesamtbevölkerung (etwa 30 Prozent) haben bislang noch gar keine Impfung erhalten.
Warum fällt die Kritik an der Idee so scharf aus?
Ärzte- und Ländervertreter halten es für ein falsches Signal, die Bereitstellung des besonders gut angenommenen Impfstoffs von Biontech zu drosseln, sie befürchten Verunsicherung. Es drohe eine Verlangsamung des Impftempos, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Befürchtet wird, dass Menschen, die schon Booster-Termine mit Biontech vereinbart haben, zögern könnten, wenn ihnen Moderna angeboten wird. Moderna wird von der Stiko zudem nur für Menschen ab 30 Jahren empfohlen und nicht für Schwangere.
Wie gut schützt Moderna denn generell vor der Delta-Variante?
Sehr gut. Eine US-Studie etwa verglich die Effektivität der Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer mit Blick auf Delta. Ihr Ergebnis: Modernas Spikevax schützt zu rund 76 Prozent vor einer Infektion. Comirnaty von Biontech kam auf 42 Prozent. Eine Studie aus Katar ergab: Der Schutz vor Infektion wie Hospitalisierung ist bei der Delta-Variante bei Spikevax höher als bei Comirnaty.
Und wie gut wirkt Moderna als Booster?
Es deutet sich an, dass Moderna hier mindestens genauso effektiv ist wie Biontech. So hat das Gesundheitsministerium Singapurs Personen verglichen, die die Grundimmunisierung mit Biontech hatten. Wurden diese auch beim dritten Mal damit geimpft, ergab sich eine Reduzierung des Infektionsrisikos von 62 Prozent. Bekamen sie Moderna, lag sie dagegen sogar bei 72 Prozent.
Was sagen Wissenschaftler zur Kombination von Impfstoffen?
Für die Auffrischungsimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) einen mRNA-Impfstoff, auch wenn man vorher einen anderen bekommen hat. Wenn möglich, soll es beim Boostern derselbe mRNA-Wirkstoff sein wie bei der Grundimmunisierung, so das Robert-Koch-Institut. Nur für Personen unter 30 Jahren wird ausschließlich Biontech empfohlen, weil in dieser Altersgruppe bei Moderna das Risiko für bestimmte Herzentzündungen leicht erhöht ist. Die Experten haben also grundsätzlich keine Bedenken hinsichtlich eines Wechsels. Die möglichen Nebenwirkungen einer Auffrischungsimpfung gleichen Studien zufolge denen, die auch nach den ersten beiden Spritzen auftreten können.
Warum entscheiden sich so viele in Deutschland für Biontech?
Das dürfte daran liegen, dass der Impfstoff hier entwickelt wurde und durch die vielen Berichte über die Erfolgsstory der Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin ein besonders gutes Image hat. Auch die deutsche Corona-Impfkampagne setzt vor allem auf Biontech. Der Impfstoff liegt bei den vereinbarten Liefermengen mit Abstand vorne: Im laufenden Jahr sind es laut einer Übersicht des Gesundheitsministeriums weit über 100 Millionen Dosen. Von Moderna wurde etwa halb so viel geordert.
Was ist mit nachlassendem Impfschutz gemeint?
Das hat Sahin noch einmal genauer in der „Bild am Sonntag“ erklärt: Ab dem vierten Monat beginne der Schutz „gegen eine Covid-19-Erkrankung jeglichen Grades“ abzunehmen. Ab dem sechsten Monat sinke er deutlich. Vor schwerer Erkrankung schützt die Impfung seinen Angaben zufolge aber weiterhin: „Kürzlich veröffentlichte Daten aus unserer Studie zeigen, dass der Impfschutz noch bis zum neunten Monat sehr hoch ist, sodass es bei Geimpften nur selten zu schweren Erkrankungen und einer Krankenhausbehandlung kommt.“ (dpa)