„Dat Autohus“ verkauft auf einem Industriegelände so groß wie 14 Fußballfelder. Mit schnellen Prozessen und festen Preisen gilt es als einer der größten Gebrauchtwagenhändler Europas.
Gebrauchtwagenhändler an der A1Wie „Dat Autohus“ täglich bis zu 60 Fahrzeuge verkauft
Das Industriegebiet in Bockel an der A1 gleicht an vielen Ecken anderen gesichtslosen Gewerbeparks. Doch jedem, der auf der Autobahn an dem Örtchen vorbeifährt – egal ob Richtung Hamburg oder Bremen – sticht das markante Reetdach von „Dat Autohus“ ins Auge. Dort stehen auf 105000 Quadratmetern rund 3000 Autos dicht gedrängt aneinander und warten auf Käufer. Die Fläche ist so groß wie 14 Fußballfelder. Das macht das Autohaus nicht nur zu Norddeutschlands größtem Gebrauchtwagenhändler, sondern nach eigenen Angaben auch zu einem der größten Europas. Das schlägt sich auch in den Verkaufszahlen nieder: 13500 Fahrzeuge hat das „Autohus“ letztes Jahr abgesetzt. Am Hauptstandort in Bockel wechseln pro Tag im Schnitt zwischen 50 und 60 Autos den Besitzer.
Möglich ist das alles nur, weil der Betrieb seit Anfang der 2000er kontinuierlich daran arbeitet, die Prozesse auf dem Gelände zu beschleunigen. Wenn ein neues Auto angeliefert wird, muss dieses binnen 24 Stunden auf der Verkaufsfläche stehen. In dieser Zeit wird es gereinigt, auf Kratzer und Beulen überprüft, vollautomatisch fotografiert und bepreist. Sollte es einmal länger dauern, löst das sofort einen Alarm aus.
Mitarbeitende schieben auch Nachtschichten
„Auf unsere Abläufe bin ich stolz“, sagt Geschäftsführer Thomas Araman. Andere Autohändler würden zwar ähnlich viele Autos verkaufen, bräuchten dafür aber viel mehr Personal. Beim Autohus arbeiten insgesamt 130 Menschen, die auch Nachtschichten schieben. „Die Waschanlage steht nie still“, sagt Araman.
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Der Geschäftsführer selbst hat freilich Anderes zu tun. Von seinem Büro aus verfolgt er genau, welche Autos sich besonders gut oder besonders schlecht verkaufen. Auf Basis dieser Daten bestellt er Fahrzeuge nach. Ladenhüter will man sich hier nicht leisten.
Lange hat sich „Dat Autohus“ auf den Export spezialisiert. Hohe Preise für Neuwagen führten jedoch dazu, dass sich der Betrieb immer mehr für Privatkunden geöffnet hat. „Wegen gestiegener Nachfrage“, sagt Araman. Rund 50 Prozent seien inzwischen Gewerbekunden oder Privatkunden, der Rest der Autos geht weiterhin ins Ausland. Über Preise wird übrigens gar nicht verhandelt: Die sind so fest wie der Asphalt auf der Fläche.
Bei den meisten Autos handelt es sich um Leasingrückläufer. In welchem Zustand sie sind, zeigt sich oft erst, wenn der Vertrag unterschrieben wurde: Zuvor sind technische Mängel im Grunde unbekannt. Die Ware wird schließlich flottenweise eingekauft, zunächst nur optisch geprüft und dann sofort auf die Fläche gestellt. Wird ein Wagen verkauft, erfolgt erst im vorletzten Schritt eine technische Durchsicht beim Dekra-Partner. Was dort manchmal herauskommt, lässt sich im Internet nachlesen – wo es nicht nur positive Bewertungen gibt.
„Dat Autohus“: Es gibt auch Kritik
Auf Autoscout24 schreibt jemand: „Interessenten werden mit vermeintlich guten Angeboten gelockt. Später kommen plötzlich Mängel heraus, die zuvor nicht ersichtlich sind.“ Der Mann sei vor zusätzlichen Kosten zurückgeschreckt. „Ein Tausch der Frontscheibe und mindestens zwei neue Reifen, weil die alten abgefahren sind“ wären auf ihn zugekommen. Zum ursprünglichen Preis hätte er „locker 2000 bis 2500 Euro zuzahlen müssen“. Er ärgert sich über verschwendete Zeit.
Verkaufsberater Daniel Dettki weist Kritiken wie diese zurück und sagt: „Kunden können frei entscheiden, ob sie gegebenenfalls festgestellte Mängel bei uns in der Werkstatt machen lassen oder sich selbst darum kümmern.“ Jeder Vertrag könne auch wieder storniert werden. Aus logistischen Gründen sei es gar nicht möglich, die Technik aller Autos schon vorab zu überprüfen – erst nach Vertragsabschluss wird genauer hingesehen. Dettki verteidigt das Vorgehen: „Im Gegensatz zu manch anderen Gebrauchtwagenhändlern weisen wir Kunden auf jeden Kratzer und jedes Problem hin.“
An potenziellen Käufern mangelt es jedenfalls nicht. Vor der Schlüsselausgabe bilden sich teils lange Schlangen. „Manche Leute kommen mit der ganzen Familie her“, sagt Araman. „Die wollen ein bisschen autobummeln.“ Schließlich könne man dort auch mal ausgiebig einen dicken Mercedes testen, obwohl man vielleicht gekommen sei, um einen VW Polo zu kaufen. Bis zu drei Schlüssel bekommen Kunden auf einmal ausgehändigt.
„Dat Autohus“ mit Outlet-Charakter
Mit einer echten Probefahrt hat das Ausprobieren auf dem Gelände allerdings nichts zu tun. Bei Schritttempo lassen sich unmöglich Auffälligkeiten feststellen. Der Outlet-Charakter bei „Dat Autohus“ hat aus Sicht vieler Kunden dennoch einen Vorteil: Die Verkäufer kommen nicht mit zum Fahrzeug. „Hier versucht niemand, mir etwas aufzuschwatzen“, sagt Martin aus Flensburg. Er und seine Frau Anna sind auf Familienbesuch in Niedersachsen unterwegs und werden bald Eltern. „Wir sind auf der Suche nach einem Kombi.“ Die beiden wollen aber erstmal nur Gucken. Ob er hier auch kaufen würde? „Eher nicht, nein. Man kauft hier ja gewissermaßen die Katze im Sack.“
Einige dieser „Katzen“ springen manchmal nicht auf Anhieb an, warnt die Servicemitarbeiterin am Schalter. Bei 3000 Fahrzeugen bleibt es nicht aus, dass eine Batterie auch mal müde wird. Interessenten können dann einfach zu einer Telefonzelle gehen, über die schnell Hilfe gerufen werden kann. Alternativ kann auch über die „Autohus“-App Kontakt aufgenommen werden, die man beim Stöbern sowieso selten aus der Hand legt.
Nahezu alles funktioniert über das Programm auf dem Smartphone: QR-Codes Abscannen, Infos nachlesen, Favoriten markieren. Vielen Besuchern scheint das Spaß zu machen. Dutzende Kunden zücken immer wieder ihr Handy und scannen Fahrzeuge ab, um den Kaufpreis zu erfahren.
Dass Probefahrten nur derart eingeschränkt möglich sind, hat übrigens gute Gründe: Zum einen würde womöglich ein logistisch schwer beherrschbares Chaos entstehen. Zum anderen haben sie bei „Dat Autohus“ auch schon äußerst schmerzhafte Erfahrungen mit Fahranfängern gemacht.
„Vor zwei Jahren ist ein junger Mann ungebremst mitten ins Hauptgebäude geknallt“, erinnert sich Thomas Araman. Der Fahrer habe sich dabei verletzt, am nächsten Tag aber gleich die nächste Probefahrt machen wollen. „Dem haben wir dann gesagt: Du, lieber erstmal nicht mehr...“. Im Haus seien alle geschockt gewesen, aber niemand zu Schaden gekommen. Die Spuren des Unfalls kann man an der Fassade des reetgedeckten Hauses noch erkennen. Nach diesem Vorfall ließ Araman Steine aufstellen, um das Gebäude zu schützen.
Babywindeln, Weinflaschen und Infusionsbesteck
Kuriose Ereignisse sind bei „Dat Autohus“ generell keine Seltenheit. In neu angelieferten Fahrzeugen kommen immer wieder kuriose Fundstücke zum Vorschein. Zuletzt fanden Mitarbeiter darin beispielsweise volle Babywindeln, offene Weinflaschen und sogar steril verpacktes Infusionsbesteck.
Bevor die Autos in den Verkauf gehen, werden sie natürlich leergeräumt. Ein größeres Problem, dem das Team in Bockel allerdings nichts entgegenzusetzen hätte, sind angesichts der riesigen Freifläche Hagelschauer. „Man glaubt es kaum, aber wir liegen hier in einer einigermaßen guten Wetterzone“, sagt Araman. In seiner Zeit als Chef des Betriebs sei zum Glück noch nie etwas passiert. Der Unternehmer lacht und klopft auf den Holztisch: „Das kann gerne so bleiben.“