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Ex-Stewardess kämpft um Erhalt„Die Landshut hat uns das Leben gerettet“

Lesezeit 4 Minuten
Somalia, Mogadischu: Das am 13. Oktober 1977 entführte Flugzeug „Landshut“ steht nach der Landung auf dem Rollfeld.

Somalia, Mogadischu: Das am 13. Oktober 1977 entführte Flugzeug „Landshut“ steht nach der Landung auf dem Rollfeld.

1977 hatten palästinensische Terroristen die Landshut in ihrer Gewalt. Eine ehemalige Stewardess erklärt, warum sie das Flugzeug liebt – und warum sie sich für dessen Erhalt einsetzt.

Am 18. Oktober 1977 endete die Entführung der Landshut. Fünf Tage lang hatten palästinensische Terroristen den Lufthansa-Flieger in ihrer Gewalt. Sie ermordeten den Flugkapitän und erzwangen einen Irrflug bis ins somalische Mogadischu – wo die GSG 9, eine Spezialeinheit der Bundespolizei, die Geiseln befreite. Gabriele von Lutzau war eine davon. Damals war sie 23 und als Flugbegleiterin an Bord.

Die Landshut steht für ein massives Trauma. Aber von Lutzau sieht es so: „Die Landshut hat uns das Leben gerettet“, sagt sie und erklärt, was sie meint: Nach einer Zwischenlandung hatten die Terroristen die Reinigung der Triebwerke unterbunden, ein enormes Risiko für den Weiterflug. „Die Kontrollleuchten standen alle auf Rot“, erinnert sich von Lutzau. „Wenn alles in die Luft fliegt, sterben wir wenigstens schnell, hat der Pilot mir damals gesagt.“ Obwohl die Wartung übersprungen wurde, obwohl die Landshut nicht für Langstrecken ausgelegt war, hat sie durchgehalten. Von Lutzau liebt sie dafür. „Ich glaube, wir waren 86 Geiseln an Bord“, sagt sie heute. „Das Flugzeug war die 87. Geisel.“ Und wie für eine Überlebende setzt sie sich jetzt für den Erhalt der Landshut ein.

Die Entführung und die RAF

Die Maschine steht in einer Halle am Bodensee. Der Lack ist ab, buchstäblich: Rotalgen haben die Außenhülle befallen. Die Tragflächen sind abmontiert, Sitze hat der leere Innenraum auch nicht mehr. „Da stellen sich mir die Nackenhaare auf“, sagt von Lutzau. „In Friedrichshafen ist die Landshut bislang einfach nur abgestellt worden – als verrottende Aluhülle. Sie ist nicht renoviert und sie soll es auch nicht werden.“

Nach Friedrichshafen fand die Landshut über lange Umwege. 1977 markierte das Flugzeug den Höhepunkt des Deutschen Herbstes. Die RAF hatte Hanns Martin Schleyer entführt. Ihre Forderung, die Freilassung elf inhaftierter Terroristen, wies Bundeskanzler Helmut Schmidt zurück. Die Flugzeugentführung durch kollaborierende Palästinenser sollte den Druck erhöhen. Folge der Geiselbefreiung waren der Mord an Schleyer und die Selbstmorde der in Stammheim inhaftierten RAF-Anführer.

Das Flugzeug, das Geschichte geschrieben hatte, flog weiter. Mehrere Jahre nutzte die Lufthansa es noch als Passagiermaschine. Dann wurde die Landshut weiterverkauft und zur Frachtmaschine. 2008 landete sie auf einem Flugzeugfriedhof in Brasilien. 2017 kaufte die Bundesregierung sie zum Schrottpreis von etwa 20000 Euro und holte sie, auf zwei Transportmaschinen verteilt, nach Deutschland zurück. 2020 gab der Bundestag der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) den Auftrag, ein Dokumentations- und Bildungszentrum um die Maschine herum einzurichten: den Lernort Landshut. Kostenrahmen: 15 Millionen Euro.

Ausstellung soll den Deutschen Herbst dokumentieren

Gabriele von Lutzau knüpft daran konkrete Erwartungen: „Die Maschine muss Herzstück einer Ausstellung sein, die den Deutschen Herbst dokumentiert: Wie konnte das passieren – dass aus einer Protestbewegung eine mörderische Bande wurde?“, sagt sie – und verweist auf ihre Expertise. Nach der Geiselnahme wurde von Lutzau Bildhauerin. Erinnerungskultur ist ihr Beruf.

Für die Landshut wünscht sie sich einen Ort, an dem aller 34 Toten des RAF-Terrors gedacht wird. Dafür möchte sie das Flugzeug zuallererst restauriert wissen und unterstützt eine entsprechende Petition. „Die Landshut steht für den Kampf der Demokratie gegen den Terrorismus. Und wir haben gewonnen!“, sagt von Lutzau. „Wenn das Symbol des Deutschen Herbstes ein Schrottflugzeug ist, dann senden wir die falsche Botschaft.“

Von Lutzaus Wunsch bleibt unerfüllt. Zwar wird das Ausstellungskonzept der Landshut noch erarbeitet. Wie in den Tagen des Terrors wird das Flugzeug aber nie mehr aussehen. „Eine Rekonstruktion ist unmöglich, weil bis auf die Außenhülle nichts von der Landshut von 1977 erhalten ist“, erklärt Steffen Krautzig. Der Kunsthistoriker gehört zum Team, das die Präsentation vorbereitet.

Ein Zurück zur alten Landshut könne es daher nicht geben: „Die vermeintliche Rekonstruktion wäre in Wahrheit die Simulation einer Authentizität, die gar nicht mehr herstellbar ist.“ Deshalb gehe es erst mal um Konservation, also den bloßen Erhalt. Die Landshut soll wieder begehbar gemacht werden, so die Kuratoren. Davor müsse geprüft werden, ob sie überhaupt noch das Gewicht einer Schulklasse tragen kann – oder das der eigenen Tragflächen. Der Lernort Landshut soll 2026 fertig sein. Gerade noch pünktlich also: 2027 jährt der Deutsche Herbst sich zum 50. Mal.