Der 45 Jahre alte Joshua Dean war kerngesund, nun ist er überraschend gestorben. Zum Tod von John Barnett im März wird noch ermittelt.
„Plötzlicher Verlust ist erschütternd“Zweiter Boeing-Whistleblower in kurzer Zeit überraschend gestorben
Joshua Dean, ehemaliger Ingenieur und Qualitätsprüfer beim Boeing-Zulieferer Spirit AeroSystems, ist nach kurzer Krankheit gestorben. Der 45-jährige war US-Medienberichten zufolge einer der ersten Whistleblower, die der Spirit-Führung vorwarfen, Fertigungsmängel bei der Boeing 737 MAX ignoriert zu haben. Dean bemängelte „grobes Fehlverhalten des Qualitätsmanagements“, nun ist er tot.
Es gibt keine Indizien dafür, dass sein Tod in einem Zusammenhang mit seiner Kritik am Qualitätsmanagement steht, dennoch kommt er überraschend. Laut der „Seattle Times“ erfreute sich der in Kanada bester Gesundheit und soll für seinen gesunden Lebensstil bekannt gewesen sein. Am Dienstagmorgen hat er den Kampf gegen eine plötzlich auftretende Infektion verloren, wie US-Medien berichten.
Boeing-Whistleblower nach kurzer Krankheit überraschend gestorben
Joshua Dean starb am Dienstagmorgen nach einem Kampf gegen eine plötzlich auftretende und sich schnell ausbreitende Infektion. Nach Angaben der Seattle Times wurde Dean aufgrund von Atemproblemen ins Krankenhaus eingeliefert. Er wurde intubiert, sein Zustand verschlechterte sich allerdings rasch. Die Ärzte diagnostizierten eine Lungenentzündung sowie eine schwere Infektion, außerdem soll bei Dean im Verlauf seines Krankenhausaufenthaltes auch ein Schlaganfall diagnostiziert worden sein.
Er sei nach zwei Wochen in kritischem Zustand gestorben, sagte seine Tante Carol Parsons. „Er ist gestern Morgen verstorben, er hinterlässt eine große Lücke. Wir werden dich immer lieben, Josh“, schrieb Parsons auf Facebook.
Joshua Dean äußerte Kritik an Sicherheit bei Boeing-Flugzeugen
Boeing-Zulieferer Spirit AeroSystems hat den Tod von Joshua Dean bereits kommentiert. „Unsere Gedanken sind bei der Familie von Josh Dean. Dieser plötzliche Verlust ist eine erschütternde Nachricht für uns und für seine Angehörigen“, wird Spirit-Sprecher Joe Buccino zitiert.
Joshua Dean ist der zweite Boeing-Whistleblower, der in diesem Jahr plötzlich ums Leben kam. Boeing-Whistleblower John „Mitch“ Barnett wurde im März tot aufgefunden. Die Indizien deuten darauf hin, dass sich der 62-Jährige das Leben nahm. Die polizeilichen Ermittlungen zu seinem Tod sind allerdings immer noch nicht abgeschlossen.
Boeing-Whistleblower John Barnett im März tot aufgefunden
Barnett war fast drei Jahrzehnte bei Flugzeugbauer Boeing beschäftigt und sagte der „New York Times“ im Jahr 2019, dass er „Cluster oder Metallsplitter“ gefunden habe, die über der Verkabelung der Flugsteuerung hingen und „katastrophale“ Schäden hätten verursachen können, wenn sie Drähte durchdrungen hätten. Er behauptete laut „Guardian“, das Management habe seine Beschwerden ignoriert und ihn in einen anderen Teil des Werks versetzt.
Boeing hat aufgrund verschiedener Vorfälle mit Flugzeugen, insbesondere der 737-er Serie, in den vergangenen Jahren immer wieder Negativschlagzeilen gemacht. Das Image des Flugzeugbauers aus den USA hat dadurch massiv gelitten. 2018 und 2019 waren zwei Flugzeuge des Typs 737 Max abgestürzt, insgesamt starben 346 Menschen.
Boeing steckt nach mehreren Zwischenfällen bei 737 Max in der Krise
Die Krise um den Mittelstreckenjet 737 Max kommt Boeing teuer zu stehen. Allein im ersten Quartal 2024 verbrannte der Flugzeugbauer fast vier Milliarden US-Dollar an Barmitteln, wie Ende April bekannt wurde. Der US-Konzern musste nach dem Beinahe-Unglück im Januar und Produktionsmängeln die Auslieferungen seiner wichtigsten Flugzeugfamilie drosseln. Allein Entschädigungen an Airlines für ein mehrwöchiges Startverbot beim Modell 737-9 Max nach dem Zwischenfall schlugen mit 443 Millionen Dollar zu Buche.
Konzernchef Dave Calhoun sprach von einer „kurzfristig“ schwierigen Phase für das Unternehmen. Die geringeren Auslieferungszahlen könnten zwar für die Finanzen des Konzerns und seine Kunden schwierig sein. „Aber Sicherheit und Qualität müssen und werden über allem stehen.“
Joshua Dean und John Barnett wurden nach Kritik an Boeing entlassen
Joshua Dean und John Barnett hatten genau daran große Zweifel. Dean wurde letztes Jahr von Spirit entlassen und reichte daraufhin eine Beschwerde beim Arbeitsministerium ein. Er behauptete, dass seine Kündigung eine Vergeltungsmaßnahme war, weil er Sicherheitsbedenken geäußert hatte.
Dean wurde von der gleichen Anwaltskanzlei vertreten, die auch Boeing-Whistleblower John „Mitch“ Barnett vertrat. Die beiden sind nicht die einzigen Insider, die Kritik an den Sicherheitsstandards bei Boeing geäußert haben. Im April erklärte ein anderer Boeing-Whistleblower, Sam Salehpour, vor dem US-Kongress, dass es bei Boeing „keine Sicherheitskultur“ gebe.
Weiterer Boeing-Whistleblower fürchtet sich
Laut Salehpour wurden Mitarbeiter, die Alarm schlugen, „ignoriert, an den Rand gedrängt, bedroht, ins Abseits gestellt und Schlimmeres“. Er sagte, er habe „körperliche Gewalt“ befürchtet, nachdem er seine Bedenken öffentlich gemacht hatte.
Die US-Aufsichtsbehörden ermitteln derzeit gegen Boeing, nachdem auf einem Flug von Alaska Airlines Anfang Januar 2024 ein Rumpfteil aus einer fast neuen 737-9 Max herausgebrochen war. Die US-Luftfahrtbehörde FAA griff anschließend überraschend hart durch. Zunächst durften Maschinen bis zu einer technischen Überprüfung nicht mehr starten. Zudem nimmt die Behörde die Produktions- und Kontrollprozesse unter die Lupe.
Krise bei Flugzeugbauer: Boeing fällt weiter hinter Airbus zurück
Vor allem darf Boeing die Produktion der gesamten 737-Reihe vorerst nicht mehr über 38 Maschinen pro Monat ausweiten. Die zuvor geplante Steigerung auf rund 50 Flugzeuge der 737 pro Monat ist damit vorläufig nicht möglich. Airlines wie die Billigflieger Southwest und Ryanair mussten deshalb ihre Flugpläne zusammenstreichen.
Damit fällt Boeing noch weiter hinter Airbus zurück: Der europäische Hersteller baute von seinen Mittelstreckenjets der A320neo-Familie zuletzt schon monatlich etwa 50 Exemplare. Und Airbus-Chef Guillaume Faury will die Produktion der Reihe bis zum Jahr 2026 auf das Rekordniveau von 75 Maschinen pro Monat ausweiten.
Boeing hingegen fuhr die Produktion der 737-Reihe im ersten Quartal noch stärker zurück als von Aufsicht gefordert. Über alle Modelle hinweg lieferte der Hersteller nur 83 Passagier- und Frachtjets aus – 36 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.