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Bayreuther „Rheingold” trifft auf gemischte Reaktionen

Lesezeit 5 Minuten

Bayreuth – Als die Riesen Fasolt und Fafner mit der entführten Freia in der Luxuslimousine von dannen ziehen wollen, geht etwas schief auf der Bühne: Das Garagentor wird runtergefahren, obwohl die Autotür noch offen steht. Es knarzt und ächzt, die Sänger müssen eingreifen.

ist ein wenig symptomatisch für die neue Inszenierung des ersten Teils aus dem mit Spannung erwarteten neuen „Ring des Nibelungen” bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen.

Eine große Familiensaga hat Regisseur Valentin Schwarz seinen „Ring” genannt, eine Serie über toxische Beziehungen wie man sie heute zuhauf auf Netflix und Co. sieht. Im „Rheingold” aber geht sein überaus ambitioniertes und spannendes Konzept leider noch nicht ganz auf.

Einhelliger Jubel für Dirigent und Sänger

Und so gibt es - neben begeisterten „Bravos” und Getrampel - auch teils heftige Buhs am Sonntagabend auf dem Grünen Hügel. Die Produktion löst - wie so oft in Bayreuth - sehr gemischte Reaktionen beim Publikum aus. Einhelligen Jubel gibt es dagegen für die Sänger und den kurzfristig eingesprungenen Dirigenten Cornelius Meister.

Schwarz hatte angekündigt, Wagners vierteilige Oper um Götter und Gold, Liebe, Verrat und Weltenbrand als Geflecht toxischer Beziehungen erzählen zu wollen. Und so sind Wotan (Egils Silins) und Alberich (Olafur Sigurdarson) bei Schwarz zerstrittene Zwillinge. So steht es zumindest im Programmheft - auf der Bühne wird das nicht direkt klar.

Zu Beginn zeigt eine Videosequenz auf großer Leinwand, wie diese Zwillinge - nach anfänglicher Harmonie - schon im Mutterleib aufeinander losgehen bis Blut fließt und sich so beinahe gegenseitig zerfleischen.

Eine eher plakative Inszenierung

Und aus dem „Rheingold” wird im Schwarz-„Ring” ein Kind. Einen mobbenden, zerstörenden, wütenden kleinen Jungen holen Wotan und Loge (Daniel Kirch) aus den Fängen Alberichs, um ihn gegen die von den Riesen entführte Freia (Elisabeth Teige) eintauschen zu können. Den Jungen hatte Alberich zuvor entführt, als er mit den Rheintöchtern beim Schwimmen war.

Kurz nach der Rückkehr aus Nibelheim gesellt sich ein zweites Kind dazu, bei dem es sich wohl um die Tochter Wotans und seiner Zweitfrau Erda (Okka von der Damerau) handeln soll - womöglich um Brünnhilde, die dann in der „Walküre” ihren ersten Auftritt hat. Weil Wotan bereit war, auch die Kleine den Riesen zu überlassen, zieht Erda wütend davon, das Mädchen an der Hand. Da dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

Das Ganze spielt in einem offenkundig kostspieligen Familienanwesen (Bühne: Andrea Cozzi), wie es in der Serienwelt oft typisch ist für reiche Familien-Dynastien am Rande der Legalität. Für alle die, die noch nicht verstanden haben, dass es sich keinesfalls um eine glückliche, harmonische Familie handelt, liegt eine Schlange in einem Terrarium.

Und wer sich fragt, warum Wotan bei Fasolt (Jens-Erik Aasbø) und Fafner (Wilhelm Schwinghammer) offensichtlich so sehr in der Kreide steht, dass die gleich Tochter Freia einsacken, bekommt seine Antwort von einem von Loge auf die große Leinwand projizierten Handyvideo, das Wotan beim ausgiebigen und wohl auch verschwenderischen Feiern zeigt.

So weit, so plakativ. So deutlich wie die Inszenierung in einigen Aspekten ist - so unklar bleibt sie zunächst aber in anderen. Hier und da knarzt und ächzt das eigentlich vielversprechende Konzept - zumindest im ersten „Ring”-Teil - noch ähnlich wie das Garagentor. Die Unterwelt Nibelheim ist bei Schwarz eine Art Kindergarten - und das „Rheingold” ein Junge, den Alberich zu einem ähnlichen fiesen Typen geschmiedet hat, wie er selbst einer ist. Es soll sich wohl um die Kindheitsversion des Bösewichts Hagen handeln, der schließlich in der „Götterdämmerung” Siegfried ermordet.

Es kann noch einiges kommen

Allerdings hatte Schwarz sein „Rheingold” auch einen „Pilotfilm” genannt, „der viele Fragen aufwirft, vieles anteasert und gespannt macht auf das, was da noch kommt - auch wenn man vielleicht noch nicht alles sofort einordnen kann”. Am Montag folgt Teil zwei, die „Walküre”, am Mittwoch der „Siegfried” und am Freitag dann die „Götterdämmerung”. Traditionell zeigen sich der Regisseur und sein Team erst danach dem Publikum.

Deutlich weniger Skepsis macht sich am Premierenabend bei den Zuschauern in Bezug auf den musikalischen Teil der Produktion breit. Dirigent Meister, der in diesem Jahr eigentlich für „Tristan und Isolde” gebucht war, dann aber für den an Corona erkrankten Pietari Inkinen am Pult stand, wird bejubelt - auch wenn sein Dirigat vor allem zu Beginn noch gleichermaßen flach und ein wenig hektisch wirkt.

Großen Jubel gibt es für alle Sänger - besonders für Damerau und ihre stimmgewaltige, präsente Erda, noch größeren für „Alberich” Sigurdarson, den Publikumsliebling des Abends, der nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch überzeugt.

Eigentlich hatte Richard Wagners vierteiliges Mammutwerk in der Schwarz-Inszenierung schon 2020 in Bayreuth auf die Bühne kommen sollen, wegen Corona wurde das Projekt aber um zwei Jahre verschoben. Und das Coronavirus macht es der Neuproduktion auch in diesem Jahr nicht leicht.

Mit dem „Tristan” waren die Festspiele, die in diesem Jahr auch noch von Sexismusvorwürfen überschattet wurden, vor knapp einer Woche, am 25. Juli, eröffnet worden. In diesem Jahr stehen also fünf Neuinszenierungen auf dem Programm - ein Novum in der langen Festspiel-Geschichte.

© dpa-infocom, dpa:220801-99-230340/3 (dpa)