Wagenknecht pocht darauf, die Ukraine-Politik in mögliche Koalitionsverträge auf Länderebene aufzunehmen. An die CDU stellt sie Forderungen.
Nach Angriff auf Merz„Abenteuerlich“, „absurd“ – Wagenknecht setzt CDU unter Druck und erntet Kritik
In drei Bundesländern geht es für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) derzeit ums Mitregieren. Die erst vor gut einem Jahr gegründete Partei ist für CDU und SPD in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zu einem ungeliebten, aber möglichen Koalitionspartner geworden. Probleme für CDU und SPD ergeben sich daraus, dass das BSW bundespolitische Forderungen auf Landesebene erhebt. So will die Wagenknecht-Partei die Ukraine-Politik auch in Koalitionsverträgen auf Landesebene verankern.
Das BSW ist gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Vertreterinnen und Vertreter der Partei betonen immer wieder öffentlich, dies sei ein „Sicherheitsrisiko“ für Deutschland. Kanzler Olaf Scholz habe damit einen „Kotau“ vor den USA gemacht, so Sevim Dağdelen kürzlich bei „Maischberger“. Diese Position steht diametral der Auffassung von CDU und SPD entgegen, die auf die Westbindung Deutschlands als Sicherheitsgarantie gegen Putins Russland verweisen.
Wagenknecht nennt Merz-Äußerungen „blanker Wahnsinn“
Zudem will Wagenknecht in möglichen Koalitionsverträgen das Ziel diplomatischer Bemühungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs festgelegt sehen. Die Parteichefin betonte noch am Wochenende im „Bericht aus Berlin“ der ARD: „Dass wir uns die Frage von Krieg und Frieden nicht wegverhandeln lassen dürfen, haben wir immer deutlich gemacht“, so Wagenknecht.
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Damit nicht genug: Wagenknecht pocht sogar auf eine Distanzierung der Thüringer und sächsischen CDU von Parteichef Friedrich Merz. Dessen Forderung nach Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörper an die Ukraine sei der „blanke Wahnsinn“, so Wagenknecht. Dem „Spiegel“ sagte die 55-Jährige: „Nach der entsetzlichen Rede von Friedrich Merz diese Woche im Bundestag, in der er faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands gegen Russland gefordert hat, können wir mit seiner Partei nur in Koalitionen eintreten, wenn die Landesregierung sich von solchen Positionen klar abgrenzt.“
Thüringer CDU-Vize: Wagenknecht-Forderungen „immer abenteuerlicher“
Mit ihren Forderungen pokert Wagenknecht hoch. Der stellvertretende Thüringer CDU-Vorsitzende Christian Hirte entgegnete, Wagenknechts Äußerungen würden „immer abenteuerlicher“. „Friedrich Merz ist unser Kanzlerkandidat und auf dem richtigen Kurs für Deutschland“, sagte er. Offensichtlich störe Wagenknecht „die pragmatische Politik in Thüringen“. Die CDU Thüringen rede mit den Vertretern des BSW in Thüringen und sei dabei auf einem guten Weg. Diesen werde man in den kommenden Tagen fortsetzen - „am besten ohne weitere unnötige Wortmeldungen aus Berlin“.
Auch aus der SPD, die mit dem BSW in Brandenburg Gespräche führt, kommen mahnende Worte. Generalsekretär Matthias Miersch warnte, man werde sich bei der Koalitionsbildung in Thüringen, Sachsen und Brandenburg nicht erpressen lassen. „Ich würde mir sehr wünschen, dass in den genannten ostdeutschen Ländern Stabilität einkehrt und dass es Koalitionen gibt“, sagte Miersch der Würzburger „Main-Post“ und der „Augsburger Allgemeinen“. „Wir können aber nicht auf Gedeih und Verderb in so etwas reingehen.“
Thorsten Frei: Wagenknecht-Forderung „absurd“
Miersch betonte: „Wir werden Politik nicht betreiben, indem man sich erpressen lässt.“ Zugleich merkte er an, über die Ukraine werde nicht in den Bundesländern entschieden, „insofern wird man dort Brücken finden, wenn man das will“. „Die Kernfrage für das BSW bleibt: Ist man bereit, Verantwortung zu übernehmen und Kompromisse zu schmieden? Da kommt es jetzt zum Lackmustest.“
Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Union, verbat sich die Wagenknecht-Forderungen an die thüringische Landes-CDU. Als „geradezu absurd“ bezeichnete Frei die Forderung, in die Präambel eines möglichen Thüringer Koalitionsvertrags ein Nein zur Stationierung von US-Raketen aufzunehmen. Mit ihren Forderungen habe Wagenknecht „sozusagen aus dem Off in diese Verhandlungen hineingrätscht“ und die „Verhandlungen in Erfurt torpediert“, sagte Frei am Montag den Sendern RTL und ntv.
„Zeit“-Journalistin: Sahra Wagenknecht will CDU zerstören
Die „Zeit“-Journalistin Mariam Lau erkennt in Wagenknechts Vorgehen klares Kalkül. Sie glaubt, die ehemalige Linken-Politikerin wolle mit der CDU das „letzte Refugium der deutschen demokratischen Mitte durchlöchern“. Wagenknecht und ihr Mann Oskar Lafontaine hätten die SPD kaputtgemacht, sie und ihr Mann hätten die Linke kaputtgemacht. Jetzt nähmen sie mit der CDU das nächste Ziel in den Blick. Lau meint, der Hauptgegner Wagenknechts sei der Westen, speziell die USA, und sie werde weiterkämpfen, „bis die letzte transatlantische Partei von relevanter Größe am Boden liegt.“
Das Statement von Mariam Lau zum „Durchlöchern“ der CDU ist Teil der ZDF-Dokumentation „Die Wagenknecht-Story“, in der es um den schnellen Aufstieg des BSW in kürzester Zeit zu einem Machtfaktor geht. Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor kritisiert in diesem Zusammenhang, Wagenknecht mache sich zum „Büttel von Autokraten“ und leide mit ihrer Abwendung vom Westen unter „Geschichtsvergessenheit“.
Auch Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, geht mit dem BSW hart ins Gericht. „Nie möchte ich in einem Staat leben, in dem sie [Wagenknecht] genau das fortsetzen möchte, was wir hinter uns gelassen haben“, so Haseloff. Er hält Wagenknecht nicht für eine Demokratin. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass es dennoch zu Bündnissen seiner Partei mit dem BSW auf Landesebene kommt. (mit dpa und afp)